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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Hanney warf dem Manne, der sich aber nicht darum bekümmerte, mit dem Gelde einen sehr verständlichen Halunken zu. . . und stand nach wenig Augenblicken vor der Bude, sein braunes Liebchen am Arm und einen Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten in der Hand.

Das Nothwendigste, eine Unterkunft, war bald gefunden, in kurzer Zeit war Franzel umgekleidet und trat wieder vor Hanney, dem das Entzücken aus den Augen strahlte. Sein Benehmen, seine halben Worte, seine Blicke hatten ihr in den ersten Secunden gesagt, daß sie wieder einen Platz in seinem Herzen ihr eigen nennen durste. Sie saßen bei einander, immer von Neuem einander betrachtend und sich verwundernd, daß sie sich wirklich wieder gefunden hatten, so wunderbar, so weit vom Vaterlande, und daß sie einander wieder Alles sein konnten, ungestört von Spott und neidischem Gelächter. Sie wußten gar nicht, wo mit Erzählen begonnen und wo geendet werden solle; alle Ereignisse des verhängnißvollen Tages von Salzburg wurden aufgeklärt, und über dem süßesten Geplauder waren einige Stunden verflogen und der Abend war da.

Was sollte nun werden? Hanney warf die Frage auf, indem er sie zugleich beantwortete. Und nun, rief er, weil wir einander wieder haben, wollen wir auch nicht wieder von einander lasten! Mache dich fertig, Franzel -- morgen in aller Frühe reisen wir nach Haus, in drei Wochen ist Hochzeit, und ich führe dich

Hanney warf dem Manne, der sich aber nicht darum bekümmerte, mit dem Gelde einen sehr verständlichen Halunken zu. . . und stand nach wenig Augenblicken vor der Bude, sein braunes Liebchen am Arm und einen Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten in der Hand.

Das Nothwendigste, eine Unterkunft, war bald gefunden, in kurzer Zeit war Franzel umgekleidet und trat wieder vor Hanney, dem das Entzücken aus den Augen strahlte. Sein Benehmen, seine halben Worte, seine Blicke hatten ihr in den ersten Secunden gesagt, daß sie wieder einen Platz in seinem Herzen ihr eigen nennen durste. Sie saßen bei einander, immer von Neuem einander betrachtend und sich verwundernd, daß sie sich wirklich wieder gefunden hatten, so wunderbar, so weit vom Vaterlande, und daß sie einander wieder Alles sein konnten, ungestört von Spott und neidischem Gelächter. Sie wußten gar nicht, wo mit Erzählen begonnen und wo geendet werden solle; alle Ereignisse des verhängnißvollen Tages von Salzburg wurden aufgeklärt, und über dem süßesten Geplauder waren einige Stunden verflogen und der Abend war da.

Was sollte nun werden? Hanney warf die Frage auf, indem er sie zugleich beantwortete. Und nun, rief er, weil wir einander wieder haben, wollen wir auch nicht wieder von einander lasten! Mache dich fertig, Franzel — morgen in aller Frühe reisen wir nach Haus, in drei Wochen ist Hochzeit, und ich führe dich

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[0088] Hanney warf dem Manne, der sich aber nicht darum bekümmerte, mit dem Gelde einen sehr verständlichen Halunken zu. . . und stand nach wenig Augenblicken vor der Bude, sein braunes Liebchen am Arm und einen Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten in der Hand. Das Nothwendigste, eine Unterkunft, war bald gefunden, in kurzer Zeit war Franzel umgekleidet und trat wieder vor Hanney, dem das Entzücken aus den Augen strahlte. Sein Benehmen, seine halben Worte, seine Blicke hatten ihr in den ersten Secunden gesagt, daß sie wieder einen Platz in seinem Herzen ihr eigen nennen durste. Sie saßen bei einander, immer von Neuem einander betrachtend und sich verwundernd, daß sie sich wirklich wieder gefunden hatten, so wunderbar, so weit vom Vaterlande, und daß sie einander wieder Alles sein konnten, ungestört von Spott und neidischem Gelächter. Sie wußten gar nicht, wo mit Erzählen begonnen und wo geendet werden solle; alle Ereignisse des verhängnißvollen Tages von Salzburg wurden aufgeklärt, und über dem süßesten Geplauder waren einige Stunden verflogen und der Abend war da. Was sollte nun werden? Hanney warf die Frage auf, indem er sie zugleich beantwortete. Und nun, rief er, weil wir einander wieder haben, wollen wir auch nicht wieder von einander lasten! Mache dich fertig, Franzel — morgen in aller Frühe reisen wir nach Haus, in drei Wochen ist Hochzeit, und ich führe dich

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/88>, abgerufen am 21.11.2024.