Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

er, was wohl am Platze gewesen wäre, es unterließ, für die ihm bewiesene Auszeichnung zu danken. Er hatte die schöne Wolfsind schon lang mit andern Augen und wärmern Empfindungen betrachtet, als die Ausführung seiner Rollen erfordert hätte, wenn es auch meistens Rollen glücklicher oder unglücklicher Liebe waren. Er war aber klug genug, solche Gedanken und Gefühle mit aller Gewalt in sich niederzuhalten denn zwischen einem gemeinen und vermögenslosen Scharler und der Tochter eines der reichsten Schopper, der noch dazu Zunftmeister war, lag ein nicht viel geringerer Abstand, als zwischen ihm und einer Prinzessin. Auch war in Wolfsind's Benehmen durchaus nichts, was ihn bei solchen Vorstellungen ermuntert hätte, wenn sie ja wider Willen sich in Kopf und Herz eindrängten; sie blieb genau und trotz des lebhaftesten Spieles mit voller Ruhe in den bestehenden Schranken, und hinter den Coulissen stand ihr der Bursche, für den sie auf der Bühne soeben aus Liebe gestorben war, um kein Haarbreit näher, als derjenige, der die Lampen putzte oder das Aufziehn und Fallenlassen des Vorhangs besorgte. Um so überraschender war eine solche Bevorzugung, und wenn Hanney sich auch schmeichelte, dieselbe durch seine Leistungen zu verdienen', so sagte ihm doch eine innere Stimme, daß ein Mädchen, das den nahezu erklärten Bräutigam auf Monate von sich weise, um mit einem Andern Liebhaberrollen zu spielen, in diesem nicht bloß den Schauspieler sehe, sondern auch den Mann.

er, was wohl am Platze gewesen wäre, es unterließ, für die ihm bewiesene Auszeichnung zu danken. Er hatte die schöne Wolfsind schon lang mit andern Augen und wärmern Empfindungen betrachtet, als die Ausführung seiner Rollen erfordert hätte, wenn es auch meistens Rollen glücklicher oder unglücklicher Liebe waren. Er war aber klug genug, solche Gedanken und Gefühle mit aller Gewalt in sich niederzuhalten denn zwischen einem gemeinen und vermögenslosen Scharler und der Tochter eines der reichsten Schopper, der noch dazu Zunftmeister war, lag ein nicht viel geringerer Abstand, als zwischen ihm und einer Prinzessin. Auch war in Wolfsind's Benehmen durchaus nichts, was ihn bei solchen Vorstellungen ermuntert hätte, wenn sie ja wider Willen sich in Kopf und Herz eindrängten; sie blieb genau und trotz des lebhaftesten Spieles mit voller Ruhe in den bestehenden Schranken, und hinter den Coulissen stand ihr der Bursche, für den sie auf der Bühne soeben aus Liebe gestorben war, um kein Haarbreit näher, als derjenige, der die Lampen putzte oder das Aufziehn und Fallenlassen des Vorhangs besorgte. Um so überraschender war eine solche Bevorzugung, und wenn Hanney sich auch schmeichelte, dieselbe durch seine Leistungen zu verdienen', so sagte ihm doch eine innere Stimme, daß ein Mädchen, das den nahezu erklärten Bräutigam auf Monate von sich weise, um mit einem Andern Liebhaberrollen zu spielen, in diesem nicht bloß den Schauspieler sehe, sondern auch den Mann.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0025"/>
er, was                wohl am Platze gewesen wäre, es unterließ, für die ihm bewiesene Auszeichnung zu                danken. Er hatte die schöne Wolfsind schon lang mit andern Augen und wärmern                Empfindungen betrachtet, als die Ausführung seiner Rollen erfordert hätte, wenn es                auch meistens Rollen glücklicher oder unglücklicher Liebe waren. Er war aber klug                genug, solche Gedanken und Gefühle mit aller Gewalt in sich niederzuhalten denn                zwischen einem gemeinen und vermögenslosen Scharler und der Tochter eines der                reichsten Schopper, der noch dazu Zunftmeister war, lag ein nicht viel geringerer                Abstand, als zwischen ihm und einer Prinzessin. Auch war in Wolfsind's Benehmen                durchaus nichts, was ihn bei solchen Vorstellungen ermuntert hätte, wenn sie ja wider                Willen sich in Kopf und Herz eindrängten; sie blieb genau und trotz des lebhaftesten                Spieles mit voller Ruhe in den bestehenden Schranken, und hinter den Coulissen stand                ihr der Bursche, für den sie auf der Bühne soeben aus Liebe gestorben war, um kein                Haarbreit näher, als derjenige, der die Lampen putzte oder das Aufziehn und                Fallenlassen des Vorhangs besorgte. Um so überraschender war eine solche Bevorzugung,                und wenn Hanney sich auch schmeichelte, dieselbe durch seine Leistungen zu                verdienen', so sagte ihm doch eine innere Stimme, daß ein Mädchen, das den nahezu                erklärten Bräutigam auf Monate von sich weise, um mit einem Andern Liebhaberrollen zu                spielen, in diesem nicht bloß den Schauspieler sehe, sondern auch den Mann.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] er, was wohl am Platze gewesen wäre, es unterließ, für die ihm bewiesene Auszeichnung zu danken. Er hatte die schöne Wolfsind schon lang mit andern Augen und wärmern Empfindungen betrachtet, als die Ausführung seiner Rollen erfordert hätte, wenn es auch meistens Rollen glücklicher oder unglücklicher Liebe waren. Er war aber klug genug, solche Gedanken und Gefühle mit aller Gewalt in sich niederzuhalten denn zwischen einem gemeinen und vermögenslosen Scharler und der Tochter eines der reichsten Schopper, der noch dazu Zunftmeister war, lag ein nicht viel geringerer Abstand, als zwischen ihm und einer Prinzessin. Auch war in Wolfsind's Benehmen durchaus nichts, was ihn bei solchen Vorstellungen ermuntert hätte, wenn sie ja wider Willen sich in Kopf und Herz eindrängten; sie blieb genau und trotz des lebhaftesten Spieles mit voller Ruhe in den bestehenden Schranken, und hinter den Coulissen stand ihr der Bursche, für den sie auf der Bühne soeben aus Liebe gestorben war, um kein Haarbreit näher, als derjenige, der die Lampen putzte oder das Aufziehn und Fallenlassen des Vorhangs besorgte. Um so überraschender war eine solche Bevorzugung, und wenn Hanney sich auch schmeichelte, dieselbe durch seine Leistungen zu verdienen', so sagte ihm doch eine innere Stimme, daß ein Mädchen, das den nahezu erklärten Bräutigam auf Monate von sich weise, um mit einem Andern Liebhaberrollen zu spielen, in diesem nicht bloß den Schauspieler sehe, sondern auch den Mann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/25
Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/25>, abgerufen am 27.11.2024.