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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Geschnüren, mit Silber begnügten. Es war eine angenehme Erscheinung, zwar etwas über die gewöhnlichen Verhältnisse und das Maß von Mädchen hinausgehend, aber von höchst regelmäßigen und einnehmenden Gesichtszügen. In ihrer Nähe hielt sich ein etwas aufgeputzter Bursche mit auffallender Selbstgefälligkeit und geziertem Schönthun. Das Mädchen schien ihm mit Vergnügen zuzuhören, doch würde es einem aufmerksamen Beobachter nicht entgangen sein, daß ihre Blicke manchmal nach den übrigen Burschen hinüber streiften, wo Hanney stand.

Die Abtheilung der Gesellschaften war rasch geschehn und bot keinen besondern Zwischenfall dar. Hanney war zu der Abtheilung gekommen, der er schon im vorigen Jahre angehört hatte. Der alte Zunftmeister war der Leiter derselben und spielte die Väter, Wolfsind war die Liebhaberin und Hanney förmlich zum Helden und Liebhaber ausgerufen. Eine Röche der Befriedigung überflog sein Gesicht; auch Wolfsind sah keineswegs unzufrieden vor sich hin, aber der aufgeputzte Bursche neben ihr schien desto weniger von der Neuigkeit erbaut. Er trat vor und rief dem Zunftmeister über den Tisch zu: Das muß eine Irrung sein, Meister -- zu der Braunauer Abtheilung bin doch ich bestimmt gewesen! Der Meister, ein eisgrauer Mann mit einem bedächtigen und fast strengen Gesicht, nahm aber die Einsprache sehr übel auf. Wenn die Zunft beieinander ist, weiß ein Jeder, was er sagt oder thut, da kommt

Geschnüren, mit Silber begnügten. Es war eine angenehme Erscheinung, zwar etwas über die gewöhnlichen Verhältnisse und das Maß von Mädchen hinausgehend, aber von höchst regelmäßigen und einnehmenden Gesichtszügen. In ihrer Nähe hielt sich ein etwas aufgeputzter Bursche mit auffallender Selbstgefälligkeit und geziertem Schönthun. Das Mädchen schien ihm mit Vergnügen zuzuhören, doch würde es einem aufmerksamen Beobachter nicht entgangen sein, daß ihre Blicke manchmal nach den übrigen Burschen hinüber streiften, wo Hanney stand.

Die Abtheilung der Gesellschaften war rasch geschehn und bot keinen besondern Zwischenfall dar. Hanney war zu der Abtheilung gekommen, der er schon im vorigen Jahre angehört hatte. Der alte Zunftmeister war der Leiter derselben und spielte die Väter, Wolfsind war die Liebhaberin und Hanney förmlich zum Helden und Liebhaber ausgerufen. Eine Röche der Befriedigung überflog sein Gesicht; auch Wolfsind sah keineswegs unzufrieden vor sich hin, aber der aufgeputzte Bursche neben ihr schien desto weniger von der Neuigkeit erbaut. Er trat vor und rief dem Zunftmeister über den Tisch zu: Das muß eine Irrung sein, Meister — zu der Braunauer Abtheilung bin doch ich bestimmt gewesen! Der Meister, ein eisgrauer Mann mit einem bedächtigen und fast strengen Gesicht, nahm aber die Einsprache sehr übel auf. Wenn die Zunft beieinander ist, weiß ein Jeder, was er sagt oder thut, da kommt

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/23>, abgerufen am 24.11.2024.