Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

wahr wäre, möchten sie es auch verantworten. Jch fragte weiter: Ob
er denn nicht verrathen zu werden besorget hätte, da er doch gewust, daß eine
Person ihnen aus der Mühle entwischet wäre? Bekam ebenfals zur Ant-
wort: das weiß ich diese Stunde noch nicht, daß einer davon entrunnen
wäre. Fragte weiter: Was er denn für Gedancken gehabt, da er die
Sturm-Glocke in der Mühlen und auf dem Rückwege aus dem benach-
bahrten Dorffe gehöret? Auch hierauf antwortete er: Jch habe keine
Sturm-Glocke gehöret, da doch die Müllers-Leute und Fixel alle drey vor-
gelegte Fragen einhellig bekräfftiget, daß dieses also vorgegangen wäre.
Fixel auch gar auf die erste Frage hinzusetzete: Ach was will dieser elende
Mensch, der Schieffer-Decker, solche Rede nicht wissen! Er hat sie selber
gesprochen, denn er hatte ja immer das grösseste Maul, wolte ja alles mit
seinem grossen Maule würgen und fressen, so, daß er auch unter der Bande
offters soll raillirt und von seinen andern Consorten der kleine großmäu-
lige Thüringer genandt worden.

§. 140.

Seine fremde Antwort aber, machte uns Predigern neue
Bekümmerniß, daß er seine alte Tücke noch immer im Hertzen hegen, und das
abermahls zugestandene Caput delicti biß aufs letzte wiederum zu leugnen,
Lust haben möchte, hieltens also für rahtsam, beyzeiten ihme solchen Schlupff-
Winckel zu verrennen, auf daß er zeitiger uns davon seinen beständigen
Grund des Hertzens eröffnete, und nicht aufs letzte noch alte Schieffer-
Decker Possen spielete; Denn in dem kleinen Cörper dieses Mannes ein
solch verschmitzter Buben-Geist wohnete daß man an allen Enden und Ecken
über ihm nicht satsam Wache halten konte.

§. 141.

Wir hatten mit solcherley Einbruch die Mittewoche und
Donnerstag an ihme unsre Arbeit, wolten von der allgemeinen Großmachung
seiner bißher allezeit noch unbenandten Sünden, nicht mehr eine vorgege-
bene Klage hören, sondern den Grund dazu anfänglich mit dem Mühlen-
Raube legen, ob er denselben übernehmen, ihn bereuen und sodann des To-
des würdig sich erkennen wolte, alsdann wolten wir mit GOtt weiter in
das Sünden Nest graben, nicht gedenckende, daß wir unverantwortlich in
unserm Evangelischen Amte, mit so scharffer Anhaltung und Abfoderung
seines notorischen delicti und dessen Bekäntniß fortfuhren; Denn wür-
den wir hie nicht inhaeriret haben, sondern hättens zugegeben, daß er sich
todes würdig erkennen wollen wegen anderer grosser unbenandten Sün-
den, wir hätten einen volkommenen Heuchler bekommen, der da geweinet,

ge-

wahr waͤre, moͤchten ſie es auch verantworten. Jch fragte weiter: Ob
er denn nicht verrathen zu werden beſorget haͤtte, da er doch gewuſt, daß eine
Perſon ihnen aus der Muͤhle entwiſchet waͤre? Bekam ebenfals zur Ant-
wort: das weiß ich dieſe Stunde noch nicht, daß einer davon entrunnen
waͤre. Fragte weiter: Was er denn fuͤr Gedancken gehabt, da er die
Sturm-Glocke in der Muͤhlen und auf dem Ruͤckwege aus dem benach-
bahrten Dorffe gehoͤret? Auch hierauf antwortete er: Jch habe keine
Sturm-Glocke gehoͤret, da doch die Muͤllers-Leute und Fixel alle drey vor-
gelegte Fragen einhellig bekraͤfftiget, daß dieſes alſo vorgegangen waͤre.
Fixel auch gar auf die erſte Frage hinzuſetzete: Ach was will dieſer elende
Menſch, der Schieffer-Decker, ſolche Rede nicht wiſſen! Er hat ſie ſelber
geſprochen, denn er hatte ja immer das groͤſſeſte Maul, wolte ja alles mit
ſeinem groſſen Maule wuͤrgen und freſſen, ſo, daß er auch unter der Bande
offters ſoll raillirt und von ſeinen andern Conſorten der kleine großmaͤu-
lige Thuͤringer genandt worden.

§. 140.

Seine fremde Antwort aber, machte uns Predigern neue
Bekuͤmmerniß, daß er ſeine alte Tuͤcke noch immer im Hertzen hegen, und das
abermahls zugeſtandene Caput delicti biß aufs letzte wiederum zu leugnen,
Luſt haben moͤchte, hieltens alſo fuͤr rahtſam, beyzeiten ihme ſolchen Schlupff-
Winckel zu verrennen, auf daß er zeitiger uns davon ſeinen beſtaͤndigen
Grund des Hertzens eroͤffnete, und nicht aufs letzte noch alte Schieffer-
Decker Poſſen ſpielete; Denn in dem kleinen Coͤrper dieſes Mannes ein
ſolch verſchmitzter Buben-Geiſt wohnete daß man an allen Enden und Ecken
uͤber ihm nicht ſatſam Wache halten konte.

§. 141.

Wir hatten mit ſolcherley Einbruch die Mittewoche und
Donnerſtag an ihme unſre Arbeit, wolten von der allgemeinen Großmachung
ſeiner bißher allezeit noch unbenandten Suͤnden, nicht mehr eine vorgege-
bene Klage hoͤren, ſondern den Grund dazu anfaͤnglich mit dem Muͤhlen-
Raube legen, ob er denſelben uͤbernehmen, ihn bereuen und ſodann des To-
des wuͤrdig ſich erkennen wolte, alsdann wolten wir mit GOtt weiter in
das Suͤnden Neſt graben, nicht gedenckende, daß wir unverantwortlich in
unſerm Evangeliſchen Amte, mit ſo ſcharffer Anhaltung und Abfoderung
ſeines notoriſchen delicti und deſſen Bekaͤntniß fortfuhren; Denn wuͤr-
den wir hie nicht inhæriret haben, ſondern haͤttens zugegeben, daß er ſich
todes wuͤrdig erkennen wollen wegen anderer groſſer unbenandten Suͤn-
den, wir haͤtten einen volkommenen Heuchler bekommen, der da geweinet,

ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="95[93]"/>
wahr wa&#x0364;re, mo&#x0364;chten &#x017F;ie es auch verantworten. Jch fragte weiter: Ob<lb/>
er denn nicht verrathen zu werden be&#x017F;orget ha&#x0364;tte, da er doch gewu&#x017F;t, daß eine<lb/>
Per&#x017F;on ihnen aus der Mu&#x0364;hle entwi&#x017F;chet wa&#x0364;re? Bekam ebenfals zur Ant-<lb/>
wort: das weiß ich die&#x017F;e Stunde noch nicht, daß einer davon entrunnen<lb/>
wa&#x0364;re. Fragte weiter: Was er denn fu&#x0364;r Gedancken gehabt, da er die<lb/>
Sturm-Glocke in der Mu&#x0364;hlen und auf dem Ru&#x0364;ckwege aus dem benach-<lb/>
bahrten Dorffe geho&#x0364;ret? Auch hierauf antwortete er: Jch habe keine<lb/>
Sturm-Glocke geho&#x0364;ret, da doch die Mu&#x0364;llers-Leute und Fixel alle drey vor-<lb/>
gelegte Fragen einhellig bekra&#x0364;fftiget, daß die&#x017F;es al&#x017F;o vorgegangen wa&#x0364;re.<lb/>
Fixel auch gar auf die er&#x017F;te Frage hinzu&#x017F;etzete: Ach was will die&#x017F;er elende<lb/>
Men&#x017F;ch, der Schieffer-Decker, &#x017F;olche Rede nicht wi&#x017F;&#x017F;en! Er hat &#x017F;ie &#x017F;elber<lb/>
ge&#x017F;prochen, denn er hatte ja immer das gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Maul, wolte ja alles mit<lb/>
&#x017F;einem gro&#x017F;&#x017F;en Maule wu&#x0364;rgen und fre&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o, daß er auch unter der Bande<lb/>
offters &#x017F;oll <hi rendition="#aq">raillirt</hi> und von &#x017F;einen andern <hi rendition="#aq">Con&#x017F;or</hi>ten der kleine großma&#x0364;u-<lb/>
lige Thu&#x0364;ringer genandt worden.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 140.</head>
        <p>Seine fremde Antwort aber, machte uns Predigern neue<lb/>
Beku&#x0364;mmerniß, daß er &#x017F;eine alte Tu&#x0364;cke noch immer im Hertzen hegen, und das<lb/>
abermahls zuge&#x017F;tandene <hi rendition="#aq">Caput delicti</hi> biß aufs letzte wiederum zu leugnen,<lb/>
Lu&#x017F;t haben mo&#x0364;chte, hieltens al&#x017F;o fu&#x0364;r raht&#x017F;am, beyzeiten ihme &#x017F;olchen Schlupff-<lb/>
Winckel zu verrennen, auf daß er zeitiger uns davon &#x017F;einen be&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
Grund des Hertzens ero&#x0364;ffnete, und nicht aufs letzte noch alte Schieffer-<lb/>
Decker Po&#x017F;&#x017F;en &#x017F;pielete; Denn in dem kleinen Co&#x0364;rper die&#x017F;es Mannes ein<lb/>
&#x017F;olch ver&#x017F;chmitzter Buben-Gei&#x017F;t wohnete daß man an allen Enden und Ecken<lb/>
u&#x0364;ber ihm nicht &#x017F;at&#x017F;am Wache halten konte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 141.</head>
        <p>Wir hatten mit &#x017F;olcherley Einbruch die Mittewoche und<lb/>
Donner&#x017F;tag an ihme un&#x017F;re Arbeit, wolten von der allgemeinen Großmachung<lb/>
&#x017F;einer bißher allezeit noch unbenandten Su&#x0364;nden, nicht mehr eine vorgege-<lb/>
bene Klage ho&#x0364;ren, &#x017F;ondern den Grund dazu anfa&#x0364;nglich mit dem Mu&#x0364;hlen-<lb/>
Raube legen, ob er den&#x017F;elben u&#x0364;bernehmen, ihn bereuen und &#x017F;odann des To-<lb/>
des wu&#x0364;rdig &#x017F;ich erkennen wolte, alsdann wolten wir mit GOtt weiter in<lb/>
das Su&#x0364;nden Ne&#x017F;t graben, nicht gedenckende, daß wir unverantwortlich in<lb/>
un&#x017F;erm Evangeli&#x017F;chen Amte, mit &#x017F;o &#x017F;charffer Anhaltung und Abfoderung<lb/>
&#x017F;eines <hi rendition="#aq">notori</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">delicti</hi> und de&#x017F;&#x017F;en Beka&#x0364;ntniß fortfuhren; Denn wu&#x0364;r-<lb/>
den wir hie nicht <hi rendition="#aq">inhæri</hi>ret haben, &#x017F;ondern ha&#x0364;ttens zugegeben, daß er &#x017F;ich<lb/>
todes wu&#x0364;rdig erkennen wollen wegen anderer gro&#x017F;&#x017F;er unbenandten Su&#x0364;n-<lb/>
den, wir ha&#x0364;tten einen volkommenen Heuchler bekommen, der da geweinet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95[93]/0101] wahr waͤre, moͤchten ſie es auch verantworten. Jch fragte weiter: Ob er denn nicht verrathen zu werden beſorget haͤtte, da er doch gewuſt, daß eine Perſon ihnen aus der Muͤhle entwiſchet waͤre? Bekam ebenfals zur Ant- wort: das weiß ich dieſe Stunde noch nicht, daß einer davon entrunnen waͤre. Fragte weiter: Was er denn fuͤr Gedancken gehabt, da er die Sturm-Glocke in der Muͤhlen und auf dem Ruͤckwege aus dem benach- bahrten Dorffe gehoͤret? Auch hierauf antwortete er: Jch habe keine Sturm-Glocke gehoͤret, da doch die Muͤllers-Leute und Fixel alle drey vor- gelegte Fragen einhellig bekraͤfftiget, daß dieſes alſo vorgegangen waͤre. Fixel auch gar auf die erſte Frage hinzuſetzete: Ach was will dieſer elende Menſch, der Schieffer-Decker, ſolche Rede nicht wiſſen! Er hat ſie ſelber geſprochen, denn er hatte ja immer das groͤſſeſte Maul, wolte ja alles mit ſeinem groſſen Maule wuͤrgen und freſſen, ſo, daß er auch unter der Bande offters ſoll raillirt und von ſeinen andern Conſorten der kleine großmaͤu- lige Thuͤringer genandt worden. §. 140. Seine fremde Antwort aber, machte uns Predigern neue Bekuͤmmerniß, daß er ſeine alte Tuͤcke noch immer im Hertzen hegen, und das abermahls zugeſtandene Caput delicti biß aufs letzte wiederum zu leugnen, Luſt haben moͤchte, hieltens alſo fuͤr rahtſam, beyzeiten ihme ſolchen Schlupff- Winckel zu verrennen, auf daß er zeitiger uns davon ſeinen beſtaͤndigen Grund des Hertzens eroͤffnete, und nicht aufs letzte noch alte Schieffer- Decker Poſſen ſpielete; Denn in dem kleinen Coͤrper dieſes Mannes ein ſolch verſchmitzter Buben-Geiſt wohnete daß man an allen Enden und Ecken uͤber ihm nicht ſatſam Wache halten konte. §. 141. Wir hatten mit ſolcherley Einbruch die Mittewoche und Donnerſtag an ihme unſre Arbeit, wolten von der allgemeinen Großmachung ſeiner bißher allezeit noch unbenandten Suͤnden, nicht mehr eine vorgege- bene Klage hoͤren, ſondern den Grund dazu anfaͤnglich mit dem Muͤhlen- Raube legen, ob er denſelben uͤbernehmen, ihn bereuen und ſodann des To- des wuͤrdig ſich erkennen wolte, alsdann wolten wir mit GOtt weiter in das Suͤnden Neſt graben, nicht gedenckende, daß wir unverantwortlich in unſerm Evangeliſchen Amte, mit ſo ſcharffer Anhaltung und Abfoderung ſeines notoriſchen delicti und deſſen Bekaͤntniß fortfuhren; Denn wuͤr- den wir hie nicht inhæriret haben, ſondern haͤttens zugegeben, daß er ſich todes wuͤrdig erkennen wollen wegen anderer groſſer unbenandten Suͤn- den, wir haͤtten einen volkommenen Heuchler bekommen, der da geweinet, ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/101
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 95[93]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/101>, abgerufen am 25.11.2024.