Leuten wenig zu trauen: sie haben ihre Tex- te nicht aus Handschriften, nicht aus vielen, nicht aus guten Handschriften, abdrucken las- sen; sie haben nicht verglichen, falsch gele- sen, unrecht übersetzt. Es felen uns noch viele Varianten, und auf diese kommt manch- mal in der Geschichte vieles an: an Einer Variante hängt die ganze Ehre der Königin Blanca .....".
Meint Hr. H. das, so gebe ich ihm alles zu. Nur folgt nicht daraus, daß deswe- gen keine Weltgeschichte, wenigstens nach meinem Plane nicht, möglich sei. Jmmer- hin baue der Historiker auf diesen obgleich noch nicht ganz reinen Grund fort: die Mauer wird nicht weichen. So ein Mose, Herodot, und Plinius, wie ihn Michae- lis Wesseling und Harduin edirt oder erklä- ret haben, befriedigen auch den vorsichtigsten Historiker. Kommen künftig noch bessere Ausgaben und Auslegungen zum Vorschein, dann schreibt man neue Weltgeschichten. Re- volutionen aber erwarte ich von solchen neuen Ausgaben nicht: 50000 Kennicottsche Va- rianten werden uns so wenig eine neue vor- sündflutige oder hebräische Geschichte, als eine neue Dogmatik, schaffen.
Mancher
Leuten wenig zu trauen: ſie haben ihre Tex- te nicht aus Handſchriften, nicht aus vielen, nicht aus guten Handſchriften, abdrucken laſ- ſen; ſie haben nicht verglichen, falſch gele- ſen, unrecht uͤberſetzt. Es felen uns noch viele Varianten, und auf dieſe kommt manch- mal in der Geſchichte vieles an: an Einer Variante haͤngt die ganze Ehre der Koͤnigin Blanca .....„.
Meint Hr. H. das, ſo gebe ich ihm alles zu. Nur folgt nicht daraus, daß deswe- gen keine Weltgeſchichte, wenigſtens nach meinem Plane nicht, moͤglich ſei. Jmmer- hin baue der Hiſtoriker auf dieſen obgleich noch nicht ganz reinen Grund fort: die Mauer wird nicht weichen. So ein Moſe, Herodot, und Plinius, wie ihn Michae- lis Weſſeling und Harduin edirt oder erklaͤ- ret haben, befriedigen auch den vorſichtigſten Hiſtoriker. Kommen kuͤnftig noch beſſere Ausgaben und Auslegungen zum Vorſchein, dann ſchreibt man neue Weltgeſchichten. Re- volutionen aber erwarte ich von ſolchen neuen Ausgaben nicht: 50000 Kennicottſche Va- rianten werden uns ſo wenig eine neue vor- ſuͤndflutige oder hebraͤiſche Geſchichte, als eine neue Dogmatik, ſchaffen.
Mancher
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[267[43]/0063]
Leuten wenig zu trauen: ſie haben ihre Tex-
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ſen; ſie haben nicht verglichen, falſch gele-
ſen, unrecht uͤberſetzt. Es felen uns noch
viele Varianten, und auf dieſe kommt manch-
mal in der Geſchichte vieles an: an Einer
Variante haͤngt die ganze Ehre der Koͤnigin
Blanca .....„.
Meint Hr. H. das, ſo gebe ich ihm alles
zu. Nur folgt nicht daraus, daß deswe-
gen keine Weltgeſchichte, wenigſtens nach
meinem Plane nicht, moͤglich ſei. Jmmer-
hin baue der Hiſtoriker auf dieſen obgleich
noch nicht ganz reinen Grund fort: die
Mauer wird nicht weichen. So ein Moſe,
Herodot, und Plinius, wie ihn Michae-
lis Weſſeling und Harduin edirt oder erklaͤ-
ret haben, befriedigen auch den vorſichtigſten
Hiſtoriker. Kommen kuͤnftig noch beſſere
Ausgaben und Auslegungen zum Vorſchein,
dann ſchreibt man neue Weltgeſchichten. Re-
volutionen aber erwarte ich von ſolchen neuen
Ausgaben nicht: 50000 Kennicottſche Va-
rianten werden uns ſo wenig eine neue vor-
ſuͤndflutige oder hebraͤiſche Geſchichte, als
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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 267[43]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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