Rath, Befehl, und Vorschlag. War es nun nicht bescheidener, zu sagen: "diesen Plan halte ich für nützlich, nach diesem lere ich diese Wissenschaft", als: "so muß der Plan seyn, nach diesem müssen alle und jede die Weltgeschichte dociren"?
IV. Hr. H. hat Recht: die ganze Ge- schichte ist, nach seinem starken Ausdrucke, Roeuberei; und der beste Geschichtschreiber ist der glücklichste Räuber. Jch kan ihm Stel- len in meinem Buche (z. Ex. S. 9-12 etc.) zeigen, wo ich bei mancher einzelnen Zeile sechs Schriftsteller, alte und neue, beraubt habe: darunter sind so gar kahle Mönche, denen Hr. H. gar nicht zutrauen sollte, daß etwas von ihnen zu holen wäre. Solche Räuber waren auch Maskou und Schöpflin in ihrer Deutschen und Badenschen Geschich- te: ganze Blätter liest man weg, wo kaum Eine Zeile dieser Leute Eigentum, sondern alles aus Urkunden und Annalen geraubt, ist. Und dabei sind sie noch so unverschämt, und weisen einem gar die Orte und Winkel nach, wo sie geraubt haben. Und gleichwol star- ben beide im Frieden, von Justiz und Poli- zei unangetastet! -- Diese Jdee, daß der Geschichtschreiber kein Eigentum habe, son-
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Q 2
Rath, Befehl, und Vorſchlag. War es nun nicht beſcheidener, zu ſagen: “dieſen Plan halte ich fuͤr nuͤtzlich, nach dieſem lere ich dieſe Wiſſenſchaft”, als: “ſo muß der Plan ſeyn, nach dieſem muͤſſen alle und jede die Weltgeſchichte dociren”?
IV. Hr. H. hat Recht: die ganze Ge- ſchichte iſt, nach ſeinem ſtarken Ausdrucke, Rœuberei; und der beſte Geſchichtſchreiber iſt der glücklichſte Räuber. Jch kan ihm Stel- len in meinem Buche (z. Ex. S. 9‒12 ꝛc.) zeigen, wo ich bei mancher einzelnen Zeile ſechs Schriftſteller, alte und neue, beraubt habe: darunter ſind ſo gar kahle Moͤnche, denen Hr. H. gar nicht zutrauen ſollte, daß etwas von ihnen zu holen waͤre. Solche Raͤuber waren auch Maſkou und Schoͤpflin in ihrer Deutſchen und Badenſchen Geſchich- te: ganze Blaͤtter lieſt man weg, wo kaum Eine Zeile dieſer Leute Eigentum, ſondern alles aus Urkunden und Annalen geraubt, iſt. Und dabei ſind ſie noch ſo unverſchaͤmt, und weiſen einem gar die Orte und Winkel nach, wo ſie geraubt haben. Und gleichwol ſtar- ben beide im Frieden, von Juſtiz und Poli- zei unangetaſtet! — Dieſe Jdee, daß der Geſchichtſchreiber kein Eigentum habe, ſon-
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[243[19]/0039]
Rath, Befehl, und Vorſchlag. War es nun
nicht beſcheidener, zu ſagen: “dieſen Plan
halte ich fuͤr nuͤtzlich, nach dieſem lere ich
dieſe Wiſſenſchaft”, als: “ſo muß der Plan
ſeyn, nach dieſem muͤſſen alle und jede die
Weltgeſchichte dociren”?
IV. Hr. H. hat Recht: die ganze Ge-
ſchichte iſt, nach ſeinem ſtarken Ausdrucke,
Rœuberei; und der beſte Geſchichtſchreiber iſt
der glücklichſte Räuber. Jch kan ihm Stel-
len in meinem Buche (z. Ex. S. 9‒12 ꝛc.)
zeigen, wo ich bei mancher einzelnen Zeile
ſechs Schriftſteller, alte und neue, beraubt
habe: darunter ſind ſo gar kahle Moͤnche,
denen Hr. H. gar nicht zutrauen ſollte, daß
etwas von ihnen zu holen waͤre. Solche
Raͤuber waren auch Maſkou und Schoͤpflin
in ihrer Deutſchen und Badenſchen Geſchich-
te: ganze Blaͤtter lieſt man weg, wo kaum
Eine Zeile dieſer Leute Eigentum, ſondern
alles aus Urkunden und Annalen geraubt, iſt.
Und dabei ſind ſie noch ſo unverſchaͤmt, und
weiſen einem gar die Orte und Winkel nach,
wo ſie geraubt haben. Und gleichwol ſtar-
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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 243[19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/39>, abgerufen am 16.02.2025.
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