was kan er dafür, daß ers nicht besser ver- stand?
Gut, es sei ihm verziehen, daß er sich geirret hat. Jch will nicht einmal untersu- chen, ob das heisse verzeihlich irren, wenn man auf die Art, und unter den Umstän- den irrt, wie Hr. H. hier geirret hat.
Aber der Ton, in dem er seine Jrrtü- mer von sich giebt, die Mine, die er dabei annimmt: warum so spöttisch, so höhnisch, so beleidigend? Wer ist denn Herr Herder, oder wer glaubt er, daß er wäre, um mit mir in diesem Tone vor dem Publico sprechen zu dürfen? Schaut der Mann nicht tief auf mich herab! Spricht er nicht mit mir, wie Doct. Stauzius mit Sebaldus Nothankern, ehe der Major ihn Mores lehrte: so vertraut, so offenherzig, so familiär; und wir kennen doch einander nicht! Non putaram, me ti- bi esse tam familiarem, sagte ein ohnlängst ver- storbner Superintendent einem Kaufmann, der ihn -- nicht hämisch recensirt, sondern -- nur auf ein zu kurzes Abendessen zu Gaste gebeten hatte.
Eine Ehre ist der andern werth. Unge- rufen von mir, arbeitete Hr. H. an meiner Erleuchtung und Besserung; gerufen von
ihm
was kan er dafuͤr, daß ers nicht beſſer ver- ſtand?
Gut, es ſei ihm verziehen, daß er ſich geirret hat. Jch will nicht einmal unterſu- chen, ob das heiſſe verzeihlich irren, wenn man auf die Art, und unter den Umſtaͤn- den irrt, wie Hr. H. hier geirret hat.
Aber der Ton, in dem er ſeine Jrrtuͤ- mer von ſich giebt, die Mine, die er dabei annimmt: warum ſo ſpoͤttiſch, ſo hoͤhniſch, ſo beleidigend? Wer iſt denn Herr Herder, oder wer glaubt er, daß er waͤre, um mit mir in dieſem Tone vor dem Publico ſprechen zu duͤrfen? Schaut der Mann nicht tief auf mich herab! Spricht er nicht mit mir, wie Doct. Stauzius mit Sebaldus Nothankern, ehe der Major ihn Mores lehrte: ſo vertraut, ſo offenherzig, ſo familiaͤr; und wir kennen doch einander nicht! Non putaram, me ti- bi eſſe tam familiarem, ſagte ein ohnlaͤngſt ver- ſtorbner Superintendent einem Kaufmann, der ihn — nicht haͤmiſch recenſirt, ſondern — nur auf ein zu kurzes Abendeſſen zu Gaſte gebeten hatte.
Eine Ehre iſt der andern werth. Unge- rufen von mir, arbeitete Hr. H. an meiner Erleuchtung und Beſſerung; gerufen von
ihm
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[396[172]/0192]
was kan er dafuͤr, daß ers nicht beſſer ver-
ſtand?
Gut, es ſei ihm verziehen, daß er ſich
geirret hat. Jch will nicht einmal unterſu-
chen, ob das heiſſe verzeihlich irren, wenn
man auf die Art, und unter den Umſtaͤn-
den irrt, wie Hr. H. hier geirret hat.
Aber der Ton, in dem er ſeine Jrrtuͤ-
mer von ſich giebt, die Mine, die er dabei
annimmt: warum ſo ſpoͤttiſch, ſo hoͤhniſch,
ſo beleidigend? Wer iſt denn Herr Herder,
oder wer glaubt er, daß er waͤre, um mit
mir in dieſem Tone vor dem Publico ſprechen
zu duͤrfen? Schaut der Mann nicht tief auf
mich herab! Spricht er nicht mit mir, wie
Doct. Stauzius mit Sebaldus Nothankern,
ehe der Major ihn Mores lehrte: ſo vertraut,
ſo offenherzig, ſo familiaͤr; und wir kennen
doch einander nicht! Non putaram, me ti-
bi eſſe tam familiarem, ſagte ein ohnlaͤngſt ver-
ſtorbner Superintendent einem Kaufmann,
der ihn — nicht haͤmiſch recenſirt, ſondern
— nur auf ein zu kurzes Abendeſſen zu Gaſte
gebeten hatte.
Eine Ehre iſt der andern werth. Unge-
rufen von mir, arbeitete Hr. H. an meiner
Erleuchtung und Beſſerung; gerufen von
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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 396[172]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/192>, abgerufen am 17.07.2024.
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