5. Das Vergnügen, das jede ein- zelne Geschichte dem betrachtenden Geiste im Kleinen gewähret, verschafft die Universalge- schichte im Grossen, und erhöhet es noch dadurch, daß sie zu Vergleichungen einen weit grösseren Raum vor sich hat. Erst- lich, sie erzählet nur grosse Begebenheiten, und darunter offt ungeheure Wirkungen aus anscheinenden kleinen Ursachen. Sie wan- delt unter den größten Sterblichen aller Zei- ten und Völker herum; Jahrhunderte lie- gen vor ihr ausgebreitet; sie siehet Reiche entstehen, blühen, veraltern, und ver- schwinden; und Revolutionen, die den Erdkreis erschüttert haben, durchlaufft ihr schneller Blick von ihrer ersten Entstehung bis zu ihren oft späten, oft vereitelten, Fol- gen hin. Zweitens, indem sie diese Vor- fälle mit einander vergleichet, so findet sie zwar einer Seits eine belustigende Verschie- denheit bei allen Auftritten, und im Detail immer neue Scenen: andrer Seits aber,
wenn
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Begriff der Univerſalhiſtorie.
5. Das Vergnuͤgen, das jede ein- zelne Geſchichte dem betrachtenden Geiſte im Kleinen gewaͤhret, verſchafft die Univerſalge- ſchichte im Groſſen, und erhoͤhet es noch dadurch, daß ſie zu Vergleichungen einen weit groͤſſeren Raum vor ſich hat. Erſt- lich, ſie erzaͤhlet nur groſſe Begebenheiten, und darunter offt ungeheure Wirkungen aus anſcheinenden kleinen Urſachen. Sie wan- delt unter den groͤßten Sterblichen aller Zei- ten und Voͤlker herum; Jahrhunderte lie- gen vor ihr ausgebreitet; ſie ſiehet Reiche entſtehen, bluͤhen, veraltern, und ver- ſchwinden; und Revolutionen, die den Erdkreis erſchuͤttert haben, durchlaufft ihr ſchneller Blick von ihrer erſten Entſtehung bis zu ihren oft ſpaͤten, oft vereitelten, Fol- gen hin. Zweitens, indem ſie dieſe Vor- faͤlle mit einander vergleichet, ſo findet ſie zwar einer Seits eine beluſtigende Verſchie- denheit bei allen Auftritten, und im Detail immer neue Scenen: andrer Seits aber,
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[35/0047]
Begriff der Univerſalhiſtorie.
5. Das Vergnuͤgen, das jede ein-
zelne Geſchichte dem betrachtenden Geiſte im
Kleinen gewaͤhret, verſchafft die Univerſalge-
ſchichte im Groſſen, und erhoͤhet es noch
dadurch, daß ſie zu Vergleichungen einen
weit groͤſſeren Raum vor ſich hat. Erſt-
lich, ſie erzaͤhlet nur groſſe Begebenheiten,
und darunter offt ungeheure Wirkungen aus
anſcheinenden kleinen Urſachen. Sie wan-
delt unter den groͤßten Sterblichen aller Zei-
ten und Voͤlker herum; Jahrhunderte lie-
gen vor ihr ausgebreitet; ſie ſiehet Reiche
entſtehen, bluͤhen, veraltern, und ver-
ſchwinden; und Revolutionen, die den
Erdkreis erſchuͤttert haben, durchlaufft ihr
ſchneller Blick von ihrer erſten Entſtehung
bis zu ihren oft ſpaͤten, oft vereitelten, Fol-
gen hin. Zweitens, indem ſie dieſe Vor-
faͤlle mit einander vergleichet, ſo findet ſie
zwar einer Seits eine beluſtigende Verſchie-
denheit bei allen Auftritten, und im Detail
immer neue Scenen: andrer Seits aber,
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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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