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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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zeit der inschrift; die stadt gergis.

Diese Inschrift, deren hoher geschichtlicher Werth
nicht zu verkennen ist, scheint jedenfalls, sowol nach
dem Inhalt als nach der Form der Buchstaben zu ur-
theilen, aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. zu stammen,
denn der darin vielfach vorkommende König Antiochus
muss entweder Antiochus I. mit Beinamen Soter (281
bis 260 v. Chr.) oder Antiochus III., der Grosse (222 bis
186) sein. Zwar erzählt Polybios, der 210 oder 200
v. Chr. geboren ist und 122 v. Chr. starb, in seinem
Werke, XXVIII, 1 und XXXI, 21 von einem zu seiner
Zeit lebenden Meleagros, einem Gesandten des Antiochus
Epiphanes, der von 174 bis 164 regierte, und wäre es
immerhin möglich, dass dieser Meleagros späterhin auch
Satrap der Satrapie des Hellesponts geworden wäre
und in dieser Stellung den ersten Brief der Inschrift
an die Ilier gerichtet hätte. Aber im ersten Brief des
Antiochus an seinen Satrapen Meleagros stellt er es
diesem frei, die 2000 Plethra Land dem Aristodikides
von dem ans Gebiet von Gergis oder an das von Skepsis
grenzenden Lande zuzutheilen. Die Stadt Gergis wurde
aber nach Strabo (§ 616, siehe auch § 603 und 624
der Ausgabe von A. Forbiger) vom König Attalus I.
von Pergamos, der von 241 bis 197 v. Chr. regierte,
zerstört, welcher die Einwohner in die Nähe der Quellen
des Kaikos in Mysien verpflanzte. Diese Quellen
liegen aber, wie auch Strabo (§ 616) selbst sagt, sehr
weit vom Ida und somit auch von Ilium entfernt.
2000 Plethra Land in so weiter Ferne würden den Iliern
von keinem Nutzen haben sein können; es ist daher
nicht möglich, anzunehmen, dass in der Inschrift von
dem bei den Quellen des Kaikos aufblühenden neuen

zeit der inschrift; die stadt gergis.

Diese Inschrift, deren hoher geschichtlicher Werth
nicht zu verkennen ist, scheint jedenfalls, sowol nach
dem Inhalt als nach der Form der Buchstaben zu ur-
theilen, aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. zu stammen,
denn der darin vielfach vorkommende König Antiochus
muss entweder Antiochus I. mit Beinamen Soter (281
bis 260 v. Chr.) oder Antiochus III., der Grosse (222 bis
186) sein. Zwar erzählt Polybios, der 210 oder 200
v. Chr. geboren ist und 122 v. Chr. starb, in seinem
Werke, XXVIII, 1 und XXXI, 21 von einem zu seiner
Zeit lebenden Meleagros, einem Gesandten des Antiochus
Epiphanes, der von 174 bis 164 regierte, und wäre es
immerhin möglich, dass dieser Meleagros späterhin auch
Satrap der Satrapie des Hellesponts geworden wäre
und in dieser Stellung den ersten Brief der Inschrift
an die Ilier gerichtet hätte. Aber im ersten Brief des
Antiochus an seinen Satrapen Meleagros stellt er es
diesem frei, die 2000 Plethra Land dem Aristodikides
von dem ans Gebiet von Gergis oder an das von Skepsis
grenzenden Lande zuzutheilen. Die Stadt Gergis wurde
aber nach Strabo (§ 616, siehe auch § 603 und 624
der Ausgabe von A. Forbiger) vom König Attalus I.
von Pergamos, der von 241 bis 197 v. Chr. regierte,
zerstört, welcher die Einwohner in die Nähe der Quellen
des Kaïkos in Mysien verpflanzte. Diese Quellen
liegen aber, wie auch Strabo (§ 616) selbst sagt, sehr
weit vom Ida und somit auch von Ilium entfernt.
2000 Plethra Land in so weiter Ferne würden den Iliern
von keinem Nutzen haben sein können; es ist daher
nicht möglich, anzunehmen, dass in der Inschrift von
dem bei den Quellen des Kaïkos aufblühenden neuen

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[206/0272] zeit der inschrift; die stadt gergis. Diese Inschrift, deren hoher geschichtlicher Werth nicht zu verkennen ist, scheint jedenfalls, sowol nach dem Inhalt als nach der Form der Buchstaben zu ur- theilen, aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. zu stammen, denn der darin vielfach vorkommende König Antiochus muss entweder Antiochus I. mit Beinamen Soter (281 bis 260 v. Chr.) oder Antiochus III., der Grosse (222 bis 186) sein. Zwar erzählt Polybios, der 210 oder 200 v. Chr. geboren ist und 122 v. Chr. starb, in seinem Werke, XXVIII, 1 und XXXI, 21 von einem zu seiner Zeit lebenden Meleagros, einem Gesandten des Antiochus Epiphanes, der von 174 bis 164 regierte, und wäre es immerhin möglich, dass dieser Meleagros späterhin auch Satrap der Satrapie des Hellesponts geworden wäre und in dieser Stellung den ersten Brief der Inschrift an die Ilier gerichtet hätte. Aber im ersten Brief des Antiochus an seinen Satrapen Meleagros stellt er es diesem frei, die 2000 Plethra Land dem Aristodikides von dem ans Gebiet von Gergis oder an das von Skepsis grenzenden Lande zuzutheilen. Die Stadt Gergis wurde aber nach Strabo (§ 616, siehe auch § 603 und 624 der Ausgabe von A. Forbiger) vom König Attalus I. von Pergamos, der von 241 bis 197 v. Chr. regierte, zerstört, welcher die Einwohner in die Nähe der Quellen des Kaïkos in Mysien verpflanzte. Diese Quellen liegen aber, wie auch Strabo (§ 616) selbst sagt, sehr weit vom Ida und somit auch von Ilium entfernt. 2000 Plethra Land in so weiter Ferne würden den Iliern von keinem Nutzen haben sein können; es ist daher nicht möglich, anzunehmen, dass in der Inschrift von dem bei den Quellen des Kaïkos aufblühenden neuen

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/272>, abgerufen am 24.11.2024.