Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

einleitung.
man unterhalb derselben noch 12 Meter oder 40 Fuss,
und auf vielen Stellen gar 14 Meter oder 461/2 Fuss tief
zu graben hat, ehe man den Urboden erreicht, der aus
einem Muschelkalkfelsen besteht. Diese gewaltige, 40
bis 461/2 Fuss dicke Schuttdecke, welche von den vier
verschiedenen Völkern herrührt, die, das eine nach dem
andern, den Berg vor Ankunft der griechischen Colonie,
also vor 700 v. Chr., bewohnt haben, ist ein unermess-
lich reiches Füllhorn der merkwürdigsten, bisher nie
gesehenen Terracottas und anderer Gegenstände, die
nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Erzeugnissen
hellenischer Kunst haben. Die Frage drängt sich nun
auf: ob nicht diese enorme Trümmermasse vielleicht
von einem andern Orte hierher gebracht worden ist, um
den Berg zu erhöhen? Eine solche Hypothese ist, wie
sich jeder Besucher meiner Excavationen auf den ersten
Blick überzeugen kann, ganz unmöglich, weil man in
allen Schuttschichten, vom Felsen in 14 und 16 Meter
(46 bis 531/2 Fuss) Tiefe ab bis zu 4 Meter unter der
Oberfläche fortwährend Reste gemauerter Wände sieht,
die auf starken Fundamenten ruhen und von wirklichen
Häusern herrühren, und ausserdem, weil alle die zahl-
reichen grossen Wein-, Wasser- und Leichenurnen, de-
nen man begegnet, aufrecht stehen. Die Frage ist dann:
aber wie viele Jahrhunderte sind erforderlich gewesen,
um von den Trümmern der vorgriechischen Haushaltun-
gen eine Schuttdecke von 40 bis 461/2 Fuss Dicke zu
bilden, wenn zur Formirung der obersten, der griechi-
schen Schuttdecke, von 2 Meter oder 61/2 Fuss Dicke,
1061 Jahre erforderlich waren? Ich habe in meinen
dreijährigen Ausgrabungen in den Tiefen Trojas täglich

einleitung.
man unterhalb derselben noch 12 Meter oder 40 Fuss,
und auf vielen Stellen gar 14 Meter oder 46½ Fuss tief
zu graben hat, ehe man den Urboden erreicht, der aus
einem Muschelkalkfelsen besteht. Diese gewaltige, 40
bis 46½ Fuss dicke Schuttdecke, welche von den vier
verschiedenen Völkern herrührt, die, das eine nach dem
andern, den Berg vor Ankunft der griechischen Colonie,
also vor 700 v. Chr., bewohnt haben, ist ein unermess-
lich reiches Füllhorn der merkwürdigsten, bisher nie
gesehenen Terracottas und anderer Gegenstände, die
nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Erzeugnissen
hellenischer Kunst haben. Die Frage drängt sich nun
auf: ob nicht diese enorme Trümmermasse vielleicht
von einem andern Orte hierher gebracht worden ist, um
den Berg zu erhöhen? Eine solche Hypothese ist, wie
sich jeder Besucher meiner Excavationen auf den ersten
Blick überzeugen kann, ganz unmöglich, weil man in
allen Schuttschichten, vom Felsen in 14 und 16 Meter
(46 bis 53½ Fuss) Tiefe ab bis zu 4 Meter unter der
Oberfläche fortwährend Reste gemauerter Wände sieht,
die auf starken Fundamenten ruhen und von wirklichen
Häusern herrühren, und ausserdem, weil alle die zahl-
reichen grossen Wein-, Wasser- und Leichenurnen, de-
nen man begegnet, aufrecht stehen. Die Frage ist dann:
aber wie viele Jahrhunderte sind erforderlich gewesen,
um von den Trümmern der vorgriechischen Haushaltun-
gen eine Schuttdecke von 40 bis 46½ Fuss Dicke zu
bilden, wenn zur Formirung der obersten, der griechi-
schen Schuttdecke, von 2 Meter oder 6½ Fuss Dicke,
1061 Jahre erforderlich waren? Ich habe in meinen
dreijährigen Ausgrabungen in den Tiefen Trojas täglich

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="VII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">einleitung</hi>.</fw><lb/>
man unterhalb derselben noch 12 Meter oder 40 Fuss,<lb/>
und auf vielen Stellen gar 14 Meter oder 46½ Fuss tief<lb/>
zu graben hat, ehe man den Urboden erreicht, der aus<lb/>
einem Muschelkalkfelsen besteht. Diese gewaltige, 40<lb/>
bis 46½ Fuss dicke Schuttdecke, welche von den vier<lb/>
verschiedenen Völkern herrührt, die, das eine nach dem<lb/>
andern, den Berg <hi rendition="#g">vor</hi> Ankunft der griechischen Colonie,<lb/>
also <hi rendition="#g">vor</hi> 700 v. Chr., bewohnt haben, ist ein unermess-<lb/>
lich reiches Füllhorn der merkwürdigsten, bisher nie<lb/>
gesehenen Terracottas und anderer Gegenstände, die<lb/>
nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Erzeugnissen<lb/>
hellenischer Kunst haben. Die Frage drängt sich nun<lb/>
auf: ob nicht diese enorme Trümmermasse vielleicht<lb/>
von einem andern Orte hierher gebracht worden ist, um<lb/>
den Berg zu erhöhen? Eine solche Hypothese ist, wie<lb/>
sich jeder Besucher meiner Excavationen auf den ersten<lb/>
Blick überzeugen kann, ganz unmöglich, weil man in<lb/>
allen Schuttschichten, vom Felsen in 14 und 16 Meter<lb/>
(46 bis 53½ Fuss) Tiefe ab bis zu 4 Meter unter der<lb/>
Oberfläche fortwährend Reste gemauerter Wände sieht,<lb/>
die auf starken Fundamenten ruhen und von wirklichen<lb/>
Häusern herrühren, und ausserdem, weil alle die zahl-<lb/>
reichen grossen Wein-, Wasser- und Leichenurnen, de-<lb/>
nen man begegnet, aufrecht stehen. Die Frage ist dann:<lb/>
aber wie viele Jahrhunderte sind erforderlich gewesen,<lb/>
um von den Trümmern der vorgriechischen Haushaltun-<lb/>
gen eine Schuttdecke von 40 bis 46½ Fuss Dicke zu<lb/>
bilden, wenn zur Formirung der obersten, der griechi-<lb/>
schen Schuttdecke, von 2 Meter oder 6½ Fuss Dicke,<lb/>
1061 Jahre erforderlich waren? Ich habe in meinen<lb/>
dreijährigen Ausgrabungen in den Tiefen Trojas täglich<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VII/0013] einleitung. man unterhalb derselben noch 12 Meter oder 40 Fuss, und auf vielen Stellen gar 14 Meter oder 46½ Fuss tief zu graben hat, ehe man den Urboden erreicht, der aus einem Muschelkalkfelsen besteht. Diese gewaltige, 40 bis 46½ Fuss dicke Schuttdecke, welche von den vier verschiedenen Völkern herrührt, die, das eine nach dem andern, den Berg vor Ankunft der griechischen Colonie, also vor 700 v. Chr., bewohnt haben, ist ein unermess- lich reiches Füllhorn der merkwürdigsten, bisher nie gesehenen Terracottas und anderer Gegenstände, die nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Erzeugnissen hellenischer Kunst haben. Die Frage drängt sich nun auf: ob nicht diese enorme Trümmermasse vielleicht von einem andern Orte hierher gebracht worden ist, um den Berg zu erhöhen? Eine solche Hypothese ist, wie sich jeder Besucher meiner Excavationen auf den ersten Blick überzeugen kann, ganz unmöglich, weil man in allen Schuttschichten, vom Felsen in 14 und 16 Meter (46 bis 53½ Fuss) Tiefe ab bis zu 4 Meter unter der Oberfläche fortwährend Reste gemauerter Wände sieht, die auf starken Fundamenten ruhen und von wirklichen Häusern herrühren, und ausserdem, weil alle die zahl- reichen grossen Wein-, Wasser- und Leichenurnen, de- nen man begegnet, aufrecht stehen. Die Frage ist dann: aber wie viele Jahrhunderte sind erforderlich gewesen, um von den Trümmern der vorgriechischen Haushaltun- gen eine Schuttdecke von 40 bis 46½ Fuss Dicke zu bilden, wenn zur Formirung der obersten, der griechi- schen Schuttdecke, von 2 Meter oder 6½ Fuss Dicke, 1061 Jahre erforderlich waren? Ich habe in meinen dreijährigen Ausgrabungen in den Tiefen Trojas täglich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/13
Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/13>, abgerufen am 24.11.2024.