könnte dadurch erleichert werden, daß den Wörterbüchern der LXX. ein hebräischer Inder hinzugefügt würde, worin von jedem hebräi- schen Worte angegeben wäre, unter welchem griechischen es zu finden sei.
Schwieriger ist das Verfahren bei den formellen Elementen der Sprache, den Verbindungswörtern, den Partikeln. Während die griechische Sprache sehr reich daran ist, ist die hebräische aus- gezeichnet arm. Diese ersezt manches durch Formationen und Beugungen der Wörter, die dem griechischen fremd sind. Denkt man sich nun, daß Menschen, die hebräisch zu denken gewohnt sind, auf ganz kunstlose Weise aus der bloßen Umgangssprache sich sol- len griechische Rede angewöhnen, so wird sich sehr natürlich die hebräische Partikelarmuth in das griechische übersezen, weil sie ein Wort immer auf dieselbe Weise zu übersezen geneigt sein werden. Aus der geringen Anzahl von Partikeln in diesem Idiom folgt, daß sie sehr mannigfaltig, also in einem weit größeren Umfange gebraucht sind, als sie in der ursprünglichen griechischen Rede haben. Ferner, die hebräische Sprache hat keinen eigentlichen Perioden- bau; sie versirt in einfachen Säzen und stellt dieselben nur pa- rallel neben einander und gegeneinander über. So ist also kein Überfluß von Conjunctionen zu erwarten. Werden nun griechische Partikeln in diesem Idiom gebraucht, so werden sie eine Unbe- stimmtheit bekommen, welche dem ächt griechischen Gebrauch fremd ist. Das näher bestimmende überläßt der Redende dem Hörenden aus dem Zusammenhange zu erkennen. Die Lexika reichen nicht hin dieß Verhältniß zu erkennen, sondern man muß auf das na- türliche Verhältniß des Hörers zum Sprechenden zurückgehen und daraus den Zusammenhang der Säze näher zu bestimmen suchen.
Aber es giebt noch ein anderes Bedürfniß besonderer lexika- lischer Hülfsmittel für das N. T. Indem sich nemlich das Chri- stenthum in die griechische Sprache hineinbegab, mußte es in der- selben sprachbildend werden. So mußten neue ungewohnte Ge- brauchsweisen entstehen. Zwar stellten die Apostel die neutest. Thatsachen als Erfüllung alttest. Weissagungen dar, und so könnte
koͤnnte dadurch erleichert werden, daß den Woͤrterbuͤchern der LXX. ein hebraͤiſcher Inder hinzugefuͤgt wuͤrde, worin von jedem hebraͤi- ſchen Worte angegeben waͤre, unter welchem griechiſchen es zu finden ſei.
Schwieriger iſt das Verfahren bei den formellen Elementen der Sprache, den Verbindungswoͤrtern, den Partikeln. Waͤhrend die griechiſche Sprache ſehr reich daran iſt, iſt die hebraͤiſche aus- gezeichnet arm. Dieſe erſezt manches durch Formationen und Beugungen der Woͤrter, die dem griechiſchen fremd ſind. Denkt man ſich nun, daß Menſchen, die hebraͤiſch zu denken gewohnt ſind, auf ganz kunſtloſe Weiſe aus der bloßen Umgangsſprache ſich ſol- len griechiſche Rede angewoͤhnen, ſo wird ſich ſehr natuͤrlich die hebraͤiſche Partikelarmuth in das griechiſche uͤberſezen, weil ſie ein Wort immer auf dieſelbe Weiſe zu uͤberſezen geneigt ſein werden. Aus der geringen Anzahl von Partikeln in dieſem Idiom folgt, daß ſie ſehr mannigfaltig, alſo in einem weit groͤßeren Umfange gebraucht ſind, als ſie in der urſpruͤnglichen griechiſchen Rede haben. Ferner, die hebraͤiſche Sprache hat keinen eigentlichen Perioden- bau; ſie verſirt in einfachen Saͤzen und ſtellt dieſelben nur pa- rallel neben einander und gegeneinander uͤber. So iſt alſo kein Überfluß von Conjunctionen zu erwarten. Werden nun griechiſche Partikeln in dieſem Idiom gebraucht, ſo werden ſie eine Unbe- ſtimmtheit bekommen, welche dem aͤcht griechiſchen Gebrauch fremd iſt. Das naͤher beſtimmende uͤberlaͤßt der Redende dem Hoͤrenden aus dem Zuſammenhange zu erkennen. Die Lexika reichen nicht hin dieß Verhaͤltniß zu erkennen, ſondern man muß auf das na- tuͤrliche Verhaͤltniß des Hoͤrers zum Sprechenden zuruͤckgehen und daraus den Zuſammenhang der Saͤze naͤher zu beſtimmen ſuchen.
Aber es giebt noch ein anderes Beduͤrfniß beſonderer lexika- liſcher Huͤlfsmittel fuͤr das N. T. Indem ſich nemlich das Chri- ſtenthum in die griechiſche Sprache hineinbegab, mußte es in der- ſelben ſprachbildend werden. So mußten neue ungewohnte Ge- brauchsweiſen entſtehen. Zwar ſtellten die Apoſtel die neuteſt. Thatſachen als Erfuͤllung altteſt. Weiſſagungen dar, und ſo koͤnnte
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koͤnnte dadurch erleichert werden, daß den Woͤrterbuͤchern der LXX.
ein hebraͤiſcher Inder hinzugefuͤgt wuͤrde, worin von jedem hebraͤi-
ſchen Worte angegeben waͤre, unter welchem griechiſchen es zu
finden ſei.
Schwieriger iſt das Verfahren bei den formellen Elementen
der Sprache, den Verbindungswoͤrtern, den Partikeln. Waͤhrend
die griechiſche Sprache ſehr reich daran iſt, iſt die hebraͤiſche aus-
gezeichnet arm. Dieſe erſezt manches durch Formationen und
Beugungen der Woͤrter, die dem griechiſchen fremd ſind. Denkt
man ſich nun, daß Menſchen, die hebraͤiſch zu denken gewohnt ſind,
auf ganz kunſtloſe Weiſe aus der bloßen Umgangsſprache ſich ſol-
len griechiſche Rede angewoͤhnen, ſo wird ſich ſehr natuͤrlich die
hebraͤiſche Partikelarmuth in das griechiſche uͤberſezen, weil ſie ein
Wort immer auf dieſelbe Weiſe zu uͤberſezen geneigt ſein werden.
Aus der geringen Anzahl von Partikeln in dieſem Idiom folgt,
daß ſie ſehr mannigfaltig, alſo in einem weit groͤßeren Umfange
gebraucht ſind, als ſie in der urſpruͤnglichen griechiſchen Rede haben.
Ferner, die hebraͤiſche Sprache hat keinen eigentlichen Perioden-
bau; ſie verſirt in einfachen Saͤzen und ſtellt dieſelben nur pa-
rallel neben einander und gegeneinander uͤber. So iſt alſo kein
Überfluß von Conjunctionen zu erwarten. Werden nun griechiſche
Partikeln in dieſem Idiom gebraucht, ſo werden ſie eine Unbe-
ſtimmtheit bekommen, welche dem aͤcht griechiſchen Gebrauch fremd
iſt. Das naͤher beſtimmende uͤberlaͤßt der Redende dem Hoͤrenden
aus dem Zuſammenhange zu erkennen. Die Lexika reichen nicht
hin dieß Verhaͤltniß zu erkennen, ſondern man muß auf das na-
tuͤrliche Verhaͤltniß des Hoͤrers zum Sprechenden zuruͤckgehen und
daraus den Zuſammenhang der Saͤze naͤher zu beſtimmen ſuchen.
Aber es giebt noch ein anderes Beduͤrfniß beſonderer lexika-
liſcher Huͤlfsmittel fuͤr das N. T. Indem ſich nemlich das Chri-
ſtenthum in die griechiſche Sprache hineinbegab, mußte es in der-
ſelben ſprachbildend werden. So mußten neue ungewohnte Ge-
brauchsweiſen entſtehen. Zwar ſtellten die Apoſtel die neuteſt.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/90>, abgerufen am 05.12.2024.
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