ist nicht der Fall, weil die neutestam. Schriftsteller überwiegend von der Sprache des gemeinen Lebens herkommen. Die Ver- gleichung mit jenen Schriften wird also unzureichend sein und man bedarf der unmittelbaren Kenntniß des hebräischen Sprach- genius im A. T., um in jedem gegebenen Fall zu merken, ob und in wiefern etwas Hebraismus ist.
Da man nicht voraussezen kann, daß das Studium des N. T. erst nach vollständiger Bekanntschaft mit den Vorbedingungen anfängt, so bedürfen wir der Hülfsmittel, um uns den ganzen Sprachgebrauch vollkommen gegenwärtig zu erhalten. So lange in der griechischen Kirche die neutest. Sprache fortlebte, bedurfte man derselben nicht in dem Grade, wie in der neueren Zeit. Seit das Studium des N. T. aus dem Schlafe des Mittelalters erwachte, war man auf solche Hülfsmittel bedacht. Das nächste nun ist das Lexikon. Die Duplicität der neutest. Sprache veranlaßt ein dop- peltes lexikalisches Verfahren, weil eben das Etymologische hier ein anderes ist. Wenn wir den Sprachwerth eines Wortes im Zeitalter der griechischen Sprache, wozu das N. T. gehört, haben, so sind wir dadurch noch gar nicht in den Stand gesezt, die volle Einheit des Wortes zu finden, sondern wir müssen zuvor unter- suchen, was es denn repräsentirt habe bei denen welche hebräisch zu denken gewohnt waren. So kommen wir auf die Analogie in der hebräischen Sprache. Da finden wir nun aber, daß dasselbe hebräische Wort nicht immer demselben griechischen entspricht und umgekehrt. Dieß Verhältniß läßt sich aber erst aus eigentlichen Übersezungen ausmitteln und daher sind die Wörterbücher der LXX. unentbehrlich für das Studium der neutest. Sprache. Die beste Form derselben finden wir in der Trommschen Concordanz, wodurch man in den Stand gesezt wird, den ganzen Repräsenta- tionswerth eines griechischen Wortes im Hebräischen zu übersehen. Der Schleusnersche thesaurus ist nicht so bequem. Aber man muß auch den ganzen Repräsentationswerth der hebräischen Worte denen ein griechisches entspricht übersehen können. Dazu muß man die hebräischen Lexika zu Hülfe nehmen. Diese Übersicht
Hermeneutik u. Kritik. 5
iſt nicht der Fall, weil die neuteſtam. Schriftſteller uͤberwiegend von der Sprache des gemeinen Lebens herkommen. Die Ver- gleichung mit jenen Schriften wird alſo unzureichend ſein und man bedarf der unmittelbaren Kenntniß des hebraͤiſchen Sprach- genius im A. T., um in jedem gegebenen Fall zu merken, ob und in wiefern etwas Hebraismus iſt.
Da man nicht vorausſezen kann, daß das Studium des N. T. erſt nach vollſtaͤndiger Bekanntſchaft mit den Vorbedingungen anfaͤngt, ſo beduͤrfen wir der Huͤlfsmittel, um uns den ganzen Sprachgebrauch vollkommen gegenwaͤrtig zu erhalten. So lange in der griechiſchen Kirche die neuteſt. Sprache fortlebte, bedurfte man derſelben nicht in dem Grade, wie in der neueren Zeit. Seit das Studium des N. T. aus dem Schlafe des Mittelalters erwachte, war man auf ſolche Huͤlfsmittel bedacht. Das naͤchſte nun iſt das Lexikon. Die Duplicitaͤt der neuteſt. Sprache veranlaßt ein dop- peltes lexikaliſches Verfahren, weil eben das Etymologiſche hier ein anderes iſt. Wenn wir den Sprachwerth eines Wortes im Zeitalter der griechiſchen Sprache, wozu das N. T. gehoͤrt, haben, ſo ſind wir dadurch noch gar nicht in den Stand geſezt, die volle Einheit des Wortes zu finden, ſondern wir muͤſſen zuvor unter- ſuchen, was es denn repraͤſentirt habe bei denen welche hebraͤiſch zu denken gewohnt waren. So kommen wir auf die Analogie in der hebraͤiſchen Sprache. Da finden wir nun aber, daß daſſelbe hebraͤiſche Wort nicht immer demſelben griechiſchen entſpricht und umgekehrt. Dieß Verhaͤltniß laͤßt ſich aber erſt aus eigentlichen Überſezungen ausmitteln und daher ſind die Woͤrterbuͤcher der LXX. unentbehrlich fuͤr das Studium der neuteſt. Sprache. Die beſte Form derſelben finden wir in der Trommſchen Concordanz, wodurch man in den Stand geſezt wird, den ganzen Repraͤſenta- tionswerth eines griechiſchen Wortes im Hebraͤiſchen zu uͤberſehen. Der Schleusnerſche thesaurus iſt nicht ſo bequem. Aber man muß auch den ganzen Repraͤſentationswerth der hebraͤiſchen Worte denen ein griechiſches entſpricht uͤberſehen koͤnnen. Dazu muß man die hebraͤiſchen Lexika zu Huͤlfe nehmen. Dieſe Überſicht
Hermeneutik u. Kritik. 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0089"n="65"/>
iſt nicht der Fall, weil die neuteſtam. Schriftſteller uͤberwiegend<lb/>
von der Sprache des gemeinen Lebens herkommen. Die Ver-<lb/>
gleichung mit jenen Schriften wird alſo unzureichend ſein und<lb/>
man bedarf der unmittelbaren Kenntniß des hebraͤiſchen Sprach-<lb/>
genius im A. T., um in jedem gegebenen Fall zu merken, ob<lb/>
und in wiefern etwas Hebraismus iſt.</p><lb/><p>Da man nicht vorausſezen kann, daß das Studium des N.<lb/>
T. erſt nach vollſtaͤndiger Bekanntſchaft mit den Vorbedingungen<lb/>
anfaͤngt, ſo beduͤrfen wir der Huͤlfsmittel, um uns den ganzen<lb/>
Sprachgebrauch vollkommen gegenwaͤrtig zu erhalten. So lange<lb/>
in der griechiſchen Kirche die neuteſt. Sprache fortlebte, bedurfte<lb/>
man derſelben nicht in dem Grade, wie in der neueren Zeit. Seit<lb/>
das Studium des N. T. aus dem Schlafe des Mittelalters erwachte,<lb/>
war man auf ſolche Huͤlfsmittel bedacht. Das naͤchſte nun iſt das<lb/>
Lexikon. Die Duplicitaͤt der neuteſt. Sprache veranlaßt ein dop-<lb/>
peltes lexikaliſches Verfahren, weil eben das Etymologiſche hier<lb/>
ein anderes iſt. Wenn wir den Sprachwerth eines Wortes im<lb/>
Zeitalter der griechiſchen Sprache, wozu das N. T. gehoͤrt, haben,<lb/>ſo ſind wir dadurch noch gar nicht in den Stand geſezt, die volle<lb/>
Einheit des Wortes zu finden, ſondern wir muͤſſen zuvor unter-<lb/>ſuchen, was es denn repraͤſentirt habe bei denen welche hebraͤiſch<lb/>
zu denken gewohnt waren. So kommen wir auf die Analogie in<lb/>
der hebraͤiſchen Sprache. Da finden wir nun aber, daß daſſelbe<lb/>
hebraͤiſche Wort nicht immer demſelben griechiſchen entſpricht und<lb/>
umgekehrt. Dieß Verhaͤltniß laͤßt ſich aber erſt aus eigentlichen<lb/>
Überſezungen ausmitteln und daher ſind die Woͤrterbuͤcher der<lb/><hirendition="#aq">LXX.</hi> unentbehrlich fuͤr das Studium der neuteſt. Sprache. Die<lb/>
beſte Form derſelben finden wir in der Trommſchen Concordanz,<lb/>
wodurch man in den Stand geſezt wird, den ganzen Repraͤſenta-<lb/>
tionswerth eines griechiſchen Wortes im Hebraͤiſchen zu uͤberſehen.<lb/>
Der Schleusnerſche <hirendition="#aq">thesaurus</hi> iſt nicht ſo bequem. Aber man<lb/>
muß auch den ganzen Repraͤſentationswerth der hebraͤiſchen Worte<lb/>
denen ein griechiſches entſpricht uͤberſehen koͤnnen. Dazu muß<lb/>
man die hebraͤiſchen Lexika zu Huͤlfe nehmen. Dieſe Überſicht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Hermeneutik u. Kritik. 5</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[65/0089]
iſt nicht der Fall, weil die neuteſtam. Schriftſteller uͤberwiegend
von der Sprache des gemeinen Lebens herkommen. Die Ver-
gleichung mit jenen Schriften wird alſo unzureichend ſein und
man bedarf der unmittelbaren Kenntniß des hebraͤiſchen Sprach-
genius im A. T., um in jedem gegebenen Fall zu merken, ob
und in wiefern etwas Hebraismus iſt.
Da man nicht vorausſezen kann, daß das Studium des N.
T. erſt nach vollſtaͤndiger Bekanntſchaft mit den Vorbedingungen
anfaͤngt, ſo beduͤrfen wir der Huͤlfsmittel, um uns den ganzen
Sprachgebrauch vollkommen gegenwaͤrtig zu erhalten. So lange
in der griechiſchen Kirche die neuteſt. Sprache fortlebte, bedurfte
man derſelben nicht in dem Grade, wie in der neueren Zeit. Seit
das Studium des N. T. aus dem Schlafe des Mittelalters erwachte,
war man auf ſolche Huͤlfsmittel bedacht. Das naͤchſte nun iſt das
Lexikon. Die Duplicitaͤt der neuteſt. Sprache veranlaßt ein dop-
peltes lexikaliſches Verfahren, weil eben das Etymologiſche hier
ein anderes iſt. Wenn wir den Sprachwerth eines Wortes im
Zeitalter der griechiſchen Sprache, wozu das N. T. gehoͤrt, haben,
ſo ſind wir dadurch noch gar nicht in den Stand geſezt, die volle
Einheit des Wortes zu finden, ſondern wir muͤſſen zuvor unter-
ſuchen, was es denn repraͤſentirt habe bei denen welche hebraͤiſch
zu denken gewohnt waren. So kommen wir auf die Analogie in
der hebraͤiſchen Sprache. Da finden wir nun aber, daß daſſelbe
hebraͤiſche Wort nicht immer demſelben griechiſchen entſpricht und
umgekehrt. Dieß Verhaͤltniß laͤßt ſich aber erſt aus eigentlichen
Überſezungen ausmitteln und daher ſind die Woͤrterbuͤcher der
LXX. unentbehrlich fuͤr das Studium der neuteſt. Sprache. Die
beſte Form derſelben finden wir in der Trommſchen Concordanz,
wodurch man in den Stand geſezt wird, den ganzen Repraͤſenta-
tionswerth eines griechiſchen Wortes im Hebraͤiſchen zu uͤberſehen.
Der Schleusnerſche thesaurus iſt nicht ſo bequem. Aber man
muß auch den ganzen Repraͤſentationswerth der hebraͤiſchen Worte
denen ein griechiſches entſpricht uͤberſehen koͤnnen. Dazu muß
man die hebraͤiſchen Lexika zu Huͤlfe nehmen. Dieſe Überſicht
Hermeneutik u. Kritik. 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/89>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.