alle, die nicht jüdischer Abkunft waren, war das griechische die herrschende Sprache. Sollte also Verkehr stattfinden, so mußten die Einwohner im gewissen Grade sich auch das griechische aneig- nen, wenn auch nur für den täglichen Geschäftsverkehr. Palästina war ferner in dieser Zeit zum Theil römische Provinz, hatte rö- mische Besazungen und Beamte. Diese konnten sich ihrer latei- nischen Muttersprache nicht bedienen; wo lateinisch geredet wer- den mußte, hatte man Dolmetscher. Im gewöhnlichen Verkehr sprachen auch die Römer griechisch, aber ein latinisirtes. So ent- stand in Beziehung auf gerichtliche, administrative und militärische Gegenstände latinisirend griechische Ausdrucksweise und es mischten sich griechische und lateinische Elemente mit hebräischen. Daher die Möglichkeit, auch im N. T. Latinismen zu finden. Ferner in Judäa, vorzüglich in und bei Jerusalem hatten sich oft auswär- tige Juden niedergelassen, um bei unabhängigen Vermögensum- ständen das früher entbehrte Heiligthum zu genießen. Diese (Hel- lenisten) brachten die griechische Sprache mit. Es waren von solchen in Jerusalem Synagogen gestiftet, wo das Gesez in grie- chischer Sprache vorgelesen wurde. Aber dieß griechisch war auch gefärbt durch das hebräische. Die im Auslande lebenden Juden konnten das griechische gar nicht entbehren. Denn dieß war die Vermittlung zwischen den verschiedenen Sprachen der verschiedenen Theile der Einwohner. Also ganz abgesehen vom N. T. gab es eine eigenthümliche durch den aramäischen Charakter modificirte griechische Sprache, auch mit Latinismen und Idiotismen aus andern Sprachen mannigfach durchzogen.
Wo finden wir nun Hülfe für das Verständniß des N. T.? Zuerst fragen wir, wo ist außer dem N. T. der Siz des der neu- testamentlichen Sprache analogen? Um den aramäischen Genius des neutest. Idioms zu finden, müssen wir die aramäische Sprache in Betracht ziehen. Geben wir etwas nach, so können wir sa- gen, derjenige Dialekt, der damals in jenen Gegenden gesprochen wurde und von dem die Verfälschung des griechischen ausging, war zwar nicht mehr das alttestam. hebräische, aber doch so ver-
alle, die nicht juͤdiſcher Abkunft waren, war das griechiſche die herrſchende Sprache. Sollte alſo Verkehr ſtattfinden, ſo mußten die Einwohner im gewiſſen Grade ſich auch das griechiſche aneig- nen, wenn auch nur fuͤr den taͤglichen Geſchaͤftsverkehr. Palaͤſtina war ferner in dieſer Zeit zum Theil roͤmiſche Provinz, hatte roͤ- miſche Beſazungen und Beamte. Dieſe konnten ſich ihrer latei- niſchen Mutterſprache nicht bedienen; wo lateiniſch geredet wer- den mußte, hatte man Dolmetſcher. Im gewoͤhnlichen Verkehr ſprachen auch die Roͤmer griechiſch, aber ein latiniſirtes. So ent- ſtand in Beziehung auf gerichtliche, adminiſtrative und militaͤriſche Gegenſtaͤnde latiniſirend griechiſche Ausdrucksweiſe und es miſchten ſich griechiſche und lateiniſche Elemente mit hebraͤiſchen. Daher die Moͤglichkeit, auch im N. T. Latinismen zu finden. Ferner in Judaͤa, vorzuͤglich in und bei Jeruſalem hatten ſich oft auswaͤr- tige Juden niedergelaſſen, um bei unabhaͤngigen Vermoͤgensum- ſtaͤnden das fruͤher entbehrte Heiligthum zu genießen. Dieſe (Hel- leniſten) brachten die griechiſche Sprache mit. Es waren von ſolchen in Jeruſalem Synagogen geſtiftet, wo das Geſez in grie- chiſcher Sprache vorgeleſen wurde. Aber dieß griechiſch war auch gefaͤrbt durch das hebraͤiſche. Die im Auslande lebenden Juden konnten das griechiſche gar nicht entbehren. Denn dieß war die Vermittlung zwiſchen den verſchiedenen Sprachen der verſchiedenen Theile der Einwohner. Alſo ganz abgeſehen vom N. T. gab es eine eigenthuͤmliche durch den aramaͤiſchen Charakter modificirte griechiſche Sprache, auch mit Latinismen und Idiotismen aus andern Sprachen mannigfach durchzogen.
Wo finden wir nun Huͤlfe fuͤr das Verſtaͤndniß des N. T.? Zuerſt fragen wir, wo iſt außer dem N. T. der Siz des der neu- teſtamentlichen Sprache analogen? Um den aramaͤiſchen Genius des neuteſt. Idioms zu finden, muͤſſen wir die aramaͤiſche Sprache in Betracht ziehen. Geben wir etwas nach, ſo koͤnnen wir ſa- gen, derjenige Dialekt, der damals in jenen Gegenden geſprochen wurde und von dem die Verfaͤlſchung des griechiſchen ausging, war zwar nicht mehr das altteſtam. hebraͤiſche, aber doch ſo ver-
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alle, die nicht juͤdiſcher Abkunft waren, war das griechiſche die
herrſchende Sprache. Sollte alſo Verkehr ſtattfinden, ſo mußten
die Einwohner im gewiſſen Grade ſich auch das griechiſche aneig-
nen, wenn auch nur fuͤr den taͤglichen Geſchaͤftsverkehr. Palaͤſtina
war ferner in dieſer Zeit zum Theil roͤmiſche Provinz, hatte roͤ-
miſche Beſazungen und Beamte. Dieſe konnten ſich ihrer latei-
niſchen Mutterſprache nicht bedienen; wo lateiniſch geredet wer-
den mußte, hatte man Dolmetſcher. Im gewoͤhnlichen Verkehr
ſprachen auch die Roͤmer griechiſch, aber ein latiniſirtes. So ent-
ſtand in Beziehung auf gerichtliche, adminiſtrative und militaͤriſche
Gegenſtaͤnde latiniſirend griechiſche Ausdrucksweiſe und es miſchten
ſich griechiſche und lateiniſche Elemente mit hebraͤiſchen. Daher
die Moͤglichkeit, auch im N. T. Latinismen zu finden. Ferner in
Judaͤa, vorzuͤglich in und bei Jeruſalem hatten ſich oft auswaͤr-
tige Juden niedergelaſſen, um bei unabhaͤngigen Vermoͤgensum-
ſtaͤnden das fruͤher entbehrte Heiligthum zu genießen. Dieſe (Hel-
leniſten) brachten die griechiſche Sprache mit. Es waren von
ſolchen in Jeruſalem Synagogen geſtiftet, wo das Geſez in grie-
chiſcher Sprache vorgeleſen wurde. Aber dieß griechiſch war auch
gefaͤrbt durch das hebraͤiſche. Die im Auslande lebenden Juden
konnten das griechiſche gar nicht entbehren. Denn dieß war die
Vermittlung zwiſchen den verſchiedenen Sprachen der verſchiedenen
Theile der Einwohner. Alſo ganz abgeſehen vom N. T. gab es
eine eigenthuͤmliche durch den aramaͤiſchen Charakter modificirte
griechiſche Sprache, auch mit Latinismen und Idiotismen aus
andern Sprachen mannigfach durchzogen.
Wo finden wir nun Huͤlfe fuͤr das Verſtaͤndniß des N. T.?
Zuerſt fragen wir, wo iſt außer dem N. T. der Siz des der neu-
teſtamentlichen Sprache analogen? Um den aramaͤiſchen Genius
des neuteſt. Idioms zu finden, muͤſſen wir die aramaͤiſche Sprache
in Betracht ziehen. Geben wir etwas nach, ſo koͤnnen wir ſa-
gen, derjenige Dialekt, der damals in jenen Gegenden geſprochen
wurde und von dem die Verfaͤlſchung des griechiſchen ausging,
war zwar nicht mehr das altteſtam. hebraͤiſche, aber doch ſo ver-
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/86>, abgerufen am 05.12.2024.
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