so erkennt man hierin die Verschiedenheit und Eigenthümlichkeit in den Willen der Verfasser. Selbst in jedem wissenschaftlichen Werke wird es Elemente geben, an welchen sich das Maaß von dem Willen des Verfassers in der Darstellung nehmen läßt. Hat der Wissenschaftliche den Zweck durch seine Darstellung Wohlge- fallen zu erregen, so ergiebt sich aus dem Zusammenstellen der rein didaktischen Form mit den nicht dazu wesentlich gehörenden Elementen die ursprüngliche Willensmeinung des Verfassers. Der besondere Nebenzweck kann verborgen sein oder nicht. Im lezte- ren Falle z. B. wird eine wissenschaftliche Schrift offenbar pole- misch sein. Auf dem reinen Kunstgebiete ist es nothwendig, den Nebenzweck zu verbergen, auf dem Gebiete des Geschäftslebens nur möglich. Dort ist das Verbergen mit der Willensmeinung gleich mitgesezt, und wird sich also auch in der Darstellung im Einzelnen zu erkennen geben. Wenn das Verbergen dagegen nur möglich ist, so gehört viel Aufmerksamkeit während der hermeneu- tischen Operation dazu, das Verborgene zu finden, man müßte denn durch genaue Kenntniß des Schriftstellers und seiner Lage im Voraus eine Ahnung davon haben. Dabei kommt es aber an auf das richtige Auffassen der Haupt- und Nebengedanken. Die Hauptgedanken hängen mit dem Ineinandergehen des Stoffes und der Form genau zusammen, die Nebengedanken nicht. Das Verhältniß ist aber sehr verschieden, die Bestimmtheit desselben gehört wesentlich zur Einheit des Werkes und bestimmt den Cha- rakter desselben. Um zur Einheit davon zu gelangen, muß man sich das Verhältniß in seinen Extremen denken. Auf der quan- titativen Seite des Verhältnisses kann der Gegensaz zwischen Haupt- und Nebengedanken verschwinden, wenn die Nebenge- danken entweder ausgeschlossen sind oder einen verhältnißmäßig gleichen Raum einnehmen. Ist der Gegensaz aufgehoben, so wird das Werk mehr eine freie Gedankencombination sein, ein freies Spiel. Dominirt dagegen der Gegensaz, so wird die Einheit des Werkes bestimmter, höher sein. Im andern Falle tritt die Selbstmanifestation des Verfassers schärfer hervor. Im Allgemei-
ſo erkennt man hierin die Verſchiedenheit und Eigenthuͤmlichkeit in den Willen der Verfaſſer. Selbſt in jedem wiſſenſchaftlichen Werke wird es Elemente geben, an welchen ſich das Maaß von dem Willen des Verfaſſers in der Darſtellung nehmen laͤßt. Hat der Wiſſenſchaftliche den Zweck durch ſeine Darſtellung Wohlge- fallen zu erregen, ſo ergiebt ſich aus dem Zuſammenſtellen der rein didaktiſchen Form mit den nicht dazu weſentlich gehoͤrenden Elementen die urſpruͤngliche Willensmeinung des Verfaſſers. Der beſondere Nebenzweck kann verborgen ſein oder nicht. Im lezte- ren Falle z. B. wird eine wiſſenſchaftliche Schrift offenbar pole- miſch ſein. Auf dem reinen Kunſtgebiete iſt es nothwendig, den Nebenzweck zu verbergen, auf dem Gebiete des Geſchaͤftslebens nur moͤglich. Dort iſt das Verbergen mit der Willensmeinung gleich mitgeſezt, und wird ſich alſo auch in der Darſtellung im Einzelnen zu erkennen geben. Wenn das Verbergen dagegen nur moͤglich iſt, ſo gehoͤrt viel Aufmerkſamkeit waͤhrend der hermeneu- tiſchen Operation dazu, das Verborgene zu finden, man muͤßte denn durch genaue Kenntniß des Schriftſtellers und ſeiner Lage im Voraus eine Ahnung davon haben. Dabei kommt es aber an auf das richtige Auffaſſen der Haupt- und Nebengedanken. Die Hauptgedanken haͤngen mit dem Ineinandergehen des Stoffes und der Form genau zuſammen, die Nebengedanken nicht. Das Verhaͤltniß iſt aber ſehr verſchieden, die Beſtimmtheit deſſelben gehoͤrt weſentlich zur Einheit des Werkes und beſtimmt den Cha- rakter deſſelben. Um zur Einheit davon zu gelangen, muß man ſich das Verhaͤltniß in ſeinen Extremen denken. Auf der quan- titativen Seite des Verhaͤltniſſes kann der Gegenſaz zwiſchen Haupt- und Nebengedanken verſchwinden, wenn die Nebenge- danken entweder ausgeſchloſſen ſind oder einen verhaͤltnißmaͤßig gleichen Raum einnehmen. Iſt der Gegenſaz aufgehoben, ſo wird das Werk mehr eine freie Gedankencombination ſein, ein freies Spiel. Dominirt dagegen der Gegenſaz, ſo wird die Einheit des Werkes beſtimmter, hoͤher ſein. Im andern Falle tritt die Selbſtmanifeſtation des Verfaſſers ſchaͤrfer hervor. Im Allgemei-
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ſo erkennt man hierin die Verſchiedenheit und Eigenthuͤmlichkeit
in den Willen der Verfaſſer. Selbſt in jedem wiſſenſchaftlichen
Werke wird es Elemente geben, an welchen ſich das Maaß von
dem Willen des Verfaſſers in der Darſtellung nehmen laͤßt. Hat
der Wiſſenſchaftliche den Zweck durch ſeine Darſtellung Wohlge-
fallen zu erregen, ſo ergiebt ſich aus dem Zuſammenſtellen der
rein didaktiſchen Form mit den nicht dazu weſentlich gehoͤrenden
Elementen die urſpruͤngliche Willensmeinung des Verfaſſers. Der
beſondere Nebenzweck kann verborgen ſein oder nicht. Im lezte-
ren Falle z. B. wird eine wiſſenſchaftliche Schrift offenbar pole-
miſch ſein. Auf dem reinen Kunſtgebiete iſt es nothwendig, den
Nebenzweck zu verbergen, auf dem Gebiete des Geſchaͤftslebens
nur moͤglich. Dort iſt das Verbergen mit der Willensmeinung
gleich mitgeſezt, und wird ſich alſo auch in der Darſtellung im
Einzelnen zu erkennen geben. Wenn das Verbergen dagegen nur
moͤglich iſt, ſo gehoͤrt viel Aufmerkſamkeit waͤhrend der hermeneu-
tiſchen Operation dazu, das Verborgene zu finden, man muͤßte
denn durch genaue Kenntniß des Schriftſtellers und ſeiner Lage
im Voraus eine Ahnung davon haben. Dabei kommt es aber
an auf das richtige Auffaſſen der Haupt- und Nebengedanken.
Die Hauptgedanken haͤngen mit dem Ineinandergehen des Stoffes
und der Form genau zuſammen, die Nebengedanken nicht. Das
Verhaͤltniß iſt aber ſehr verſchieden, die Beſtimmtheit deſſelben
gehoͤrt weſentlich zur Einheit des Werkes und beſtimmt den Cha-
rakter deſſelben. Um zur Einheit davon zu gelangen, muß man
ſich das Verhaͤltniß in ſeinen Extremen denken. Auf der quan-
titativen Seite des Verhaͤltniſſes kann der Gegenſaz zwiſchen
Haupt- und Nebengedanken verſchwinden, wenn die Nebenge-
danken entweder ausgeſchloſſen ſind oder einen verhaͤltnißmaͤßig
gleichen Raum einnehmen. Iſt der Gegenſaz aufgehoben, ſo wird
das Werk mehr eine freie Gedankencombination ſein, ein freies
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/191>, abgerufen am 05.12.2024.
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