an Partikeln, hat einen gewissen Reichthum an Beugungen, aber dieser Reichthum ist so verschiedener Art, daß er in der grie- chischen Sprache nicht aufgeht und im Gebrauch derselben häufig Verwirrung hervorbringt. Dieß nicht in einander aufgehen beider Sprachen ist der Grund, daß die neutestam. Schriftsteller sich in einer ganz freiwilligen unnöthigen Armuth bewegen. Insbesondere macht die Armuth des hebräischen an Partikeln, daß sie von der periodischen Schreibart, die dem griechischen eigenthümlich ist, so wenig Gebrauch machen. Sie zerfällen in mehrere unabhängige Säze, was periodisch verbunden auch klarer sein würde. Dazu kommt, daß weil die Rede äußerlich griechisch ist man auch mehr periodische Verbindung erwartet. Dieß hemmt das Verstehen. Finden wir Säze getrennt die wie sie gemeint sind jeder Schrift- steller verbunden haben würde, so glauben wir, sie müßten auch gerade so verstanden werden, was aber leicht täuschen kann.
Nur Paulus und der Verfasser des Briefes an die Hebräer haben sich den eigenthümlichen Ausdruck und das Periodische der griechischen Sprache mehr angeeignet. In andern Schriften, z. B. in den Briefen des Petrus und Jakobus, ist der Mangel an Ord- nung, Zusammenhang und Übergang der Gedanken gewiß nicht bloß aus dem Briefstyl, sondern auch aus der Sprachmischung, der Unkenntniß der Sprache zu erklären.
Man darf sich nicht darüber wundern, daß eben aus der Sprache für die Auslegung des N. T. große Schwierigkeiten ent- stehen, wohl aber darüber, daß nach der Wiederherstellung der Wissenschaften das N. Testam. so lange Gegenstand der Herme- neutik gewesen und man doch die Schwierigkeiten, die es hat, im Ganzen erst so spät klar erkannt und zu überwinden angefangen hat. Wie kam dieß? Man betrachtete das N. T. ganz anders als andere Schriften. Darin lag zweierlei, erstlich man betrach- tete die einzelnen Schriften desselben nicht genug jede für sich, zweitens man legte dem Einzelnen einen Werth und eine Ver- ständlichkeit bei außer seinem Zusammenhange. Beides, das Ganze zu isoliren und [das] Einzelne als Ganzes anzusehen, ging
an Partikeln, hat einen gewiſſen Reichthum an Beugungen, aber dieſer Reichthum iſt ſo verſchiedener Art, daß er in der grie- chiſchen Sprache nicht aufgeht und im Gebrauch derſelben haͤufig Verwirrung hervorbringt. Dieß nicht in einander aufgehen beider Sprachen iſt der Grund, daß die neuteſtam. Schriftſteller ſich in einer ganz freiwilligen unnoͤthigen Armuth bewegen. Insbeſondere macht die Armuth des hebraͤiſchen an Partikeln, daß ſie von der periodiſchen Schreibart, die dem griechiſchen eigenthuͤmlich iſt, ſo wenig Gebrauch machen. Sie zerfaͤllen in mehrere unabhaͤngige Saͤze, was periodiſch verbunden auch klarer ſein wuͤrde. Dazu kommt, daß weil die Rede aͤußerlich griechiſch iſt man auch mehr periodiſche Verbindung erwartet. Dieß hemmt das Verſtehen. Finden wir Saͤze getrennt die wie ſie gemeint ſind jeder Schrift- ſteller verbunden haben wuͤrde, ſo glauben wir, ſie muͤßten auch gerade ſo verſtanden werden, was aber leicht taͤuſchen kann.
Nur Paulus und der Verfaſſer des Briefes an die Hebraͤer haben ſich den eigenthuͤmlichen Ausdruck und das Periodiſche der griechiſchen Sprache mehr angeeignet. In andern Schriften, z. B. in den Briefen des Petrus und Jakobus, iſt der Mangel an Ord- nung, Zuſammenhang und Übergang der Gedanken gewiß nicht bloß aus dem Briefſtyl, ſondern auch aus der Sprachmiſchung, der Unkenntniß der Sprache zu erklaͤren.
Man darf ſich nicht daruͤber wundern, daß eben aus der Sprache fuͤr die Auslegung des N. T. große Schwierigkeiten ent- ſtehen, wohl aber daruͤber, daß nach der Wiederherſtellung der Wiſſenſchaften das N. Teſtam. ſo lange Gegenſtand der Herme- neutik geweſen und man doch die Schwierigkeiten, die es hat, im Ganzen erſt ſo ſpaͤt klar erkannt und zu uͤberwinden angefangen hat. Wie kam dieß? Man betrachtete das N. T. ganz anders als andere Schriften. Darin lag zweierlei, erſtlich man betrach- tete die einzelnen Schriften deſſelben nicht genug jede fuͤr ſich, zweitens man legte dem Einzelnen einen Werth und eine Ver- ſtaͤndlichkeit bei außer ſeinem Zuſammenhange. Beides, das Ganze zu iſoliren und [das] Einzelne als Ganzes anzuſehen, ging
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an Partikeln, hat einen gewiſſen Reichthum an Beugungen,
aber dieſer Reichthum iſt ſo verſchiedener Art, daß er in der grie-
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Verwirrung hervorbringt. Dieß nicht in einander aufgehen beider
Sprachen iſt der Grund, daß die neuteſtam. Schriftſteller ſich in
einer ganz freiwilligen unnoͤthigen Armuth bewegen. Insbeſondere
macht die Armuth des hebraͤiſchen an Partikeln, daß ſie von der
periodiſchen Schreibart, die dem griechiſchen eigenthuͤmlich iſt, ſo
wenig Gebrauch machen. Sie zerfaͤllen in mehrere unabhaͤngige
Saͤze, was periodiſch verbunden auch klarer ſein wuͤrde. Dazu
kommt, daß weil die Rede aͤußerlich griechiſch iſt man auch mehr
periodiſche Verbindung erwartet. Dieß hemmt das Verſtehen.
Finden wir Saͤze getrennt die wie ſie gemeint ſind jeder Schrift-
ſteller verbunden haben wuͤrde, ſo glauben wir, ſie muͤßten auch
gerade ſo verſtanden werden, was aber leicht taͤuſchen kann.
Nur Paulus und der Verfaſſer des Briefes an die Hebraͤer
haben ſich den eigenthuͤmlichen Ausdruck und das Periodiſche der
griechiſchen Sprache mehr angeeignet. In andern Schriften, z. B.
in den Briefen des Petrus und Jakobus, iſt der Mangel an Ord-
nung, Zuſammenhang und Übergang der Gedanken gewiß nicht
bloß aus dem Briefſtyl, ſondern auch aus der Sprachmiſchung,
der Unkenntniß der Sprache zu erklaͤren.
Man darf ſich nicht daruͤber wundern, daß eben aus der
Sprache fuͤr die Auslegung des N. T. große Schwierigkeiten ent-
ſtehen, wohl aber daruͤber, daß nach der Wiederherſtellung der
Wiſſenſchaften das N. Teſtam. ſo lange Gegenſtand der Herme-
neutik geweſen und man doch die Schwierigkeiten, die es hat, im
Ganzen erſt ſo ſpaͤt klar erkannt und zu uͤberwinden angefangen
hat. Wie kam dieß? Man betrachtete das N. T. ganz anders
als andere Schriften. Darin lag zweierlei, erſtlich man betrach-
tete die einzelnen Schriften deſſelben nicht genug jede fuͤr ſich,
zweitens man legte dem Einzelnen einen Werth und eine Ver-
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Ganze zu iſoliren und das Einzelne als Ganzes anzuſehen, ging
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/151>, abgerufen am 05.12.2024.
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