aber häufig gefehlt, daß man zufrüh abschließend sagt, findet sich eine gewisse Formel (des Anfangs und Schlusses) wiederkehrend bei manchen Erzählungen, so ist dieß ein Zeichen, daß ein neues hi- storisches Ganzes beginnt. Diese Voreiligkeit versperrt den Weg zur Wahrheit. Man muß erst das Verhältniß des Einzelnen zum Ganzen vollständig erkannt, das Ganze analysirt, und alle mate- riellen Vorkommenheiten geprüft haben, ehe man zu einem sicheren Resultate gelangen kann.
Sind unsere drei ersten Evangelien historische Zusammensezun- gen der bezeichneten Art, so erklärt sich, wie es kommt, daß das Zeit- maaß darin fast gar nicht angegeben ist. Werden einzelne Erzäh- lungen von Andern, als Augenzeugen, aneinandergereiht, so kann das Zeitverhältniß, wenn es nicht besonders angegeben ist, dem Leser nicht klar werden. Wären die Verfasser der Evangelien Augenzeugen gewesen, so würden sie auch das Zeitverhältniß der einzelnen an- einandergereiheten Erzählungen haben hervortreten lassen. Ebenso ist es mit dem Localverhältniß. Auch dieß ist in den drei ersten Evangelien dunkel. Um so schwieriger wird es, eine richtige An- sicht von dem Verhältniß des Einzelnen in ihnen zum Ganzen zu gewinnen. Anders im Evangelium des Johannes. Hierin ist auch keine fortlaufende Geschichtserzählung, aber man ist dabei nie in solcher Verlegenheit. Wenn der Evangelist auch das Zeit- verhältniß nicht immer unmittelbar angiebt, so sind doch die Gren- zen der einzelnen Erzählungen, sowohl was die Zeit als den Ort betrifft, angedeutet, wenigstens mittelbar.
Bei den didaktischen Theilen des N. T. haben wir ge- nauer zu unterscheiden zwischen den didaktischen Stellen in den Evangelien und der Apostelgeschichte und den eigentlich didaktischen Schriften, den Briefen. Jene sind offenbar anders zu behandeln als diese. Diese sind jede ein Ganzes für sich, von jenen ist's zweifelhaft, sie können Zusammenstellungen von Gnomen, von einzelnen abgerissenen Aussprüchen sein. Da findet denn also nur Aneinanderreihung statt, sofern in einem zusammenhängenden Flusse der Rede nicht so verschiedene Gedanken zusammentreten
aber haͤufig gefehlt, daß man zufruͤh abſchließend ſagt, findet ſich eine gewiſſe Formel (des Anfangs und Schluſſes) wiederkehrend bei manchen Erzaͤhlungen, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß ein neues hi- ſtoriſches Ganzes beginnt. Dieſe Voreiligkeit verſperrt den Weg zur Wahrheit. Man muß erſt das Verhaͤltniß des Einzelnen zum Ganzen vollſtaͤndig erkannt, das Ganze analyſirt, und alle mate- riellen Vorkommenheiten gepruͤft haben, ehe man zu einem ſicheren Reſultate gelangen kann.
Sind unſere drei erſten Evangelien hiſtoriſche Zuſammenſezun- gen der bezeichneten Art, ſo erklaͤrt ſich, wie es kommt, daß das Zeit- maaß darin faſt gar nicht angegeben iſt. Werden einzelne Erzaͤh- lungen von Andern, als Augenzeugen, aneinandergereiht, ſo kann das Zeitverhaͤltniß, wenn es nicht beſonders angegeben iſt, dem Leſer nicht klar werden. Waͤren die Verfaſſer der Evangelien Augenzeugen geweſen, ſo wuͤrden ſie auch das Zeitverhaͤltniß der einzelnen an- einandergereiheten Erzaͤhlungen haben hervortreten laſſen. Ebenſo iſt es mit dem Localverhaͤltniß. Auch dieß iſt in den drei erſten Evangelien dunkel. Um ſo ſchwieriger wird es, eine richtige An- ſicht von dem Verhaͤltniß des Einzelnen in ihnen zum Ganzen zu gewinnen. Anders im Evangelium des Johannes. Hierin iſt auch keine fortlaufende Geſchichtserzaͤhlung, aber man iſt dabei nie in ſolcher Verlegenheit. Wenn der Evangeliſt auch das Zeit- verhaͤltniß nicht immer unmittelbar angiebt, ſo ſind doch die Gren- zen der einzelnen Erzaͤhlungen, ſowohl was die Zeit als den Ort betrifft, angedeutet, wenigſtens mittelbar.
Bei den didaktiſchen Theilen des N. T. haben wir ge- nauer zu unterſcheiden zwiſchen den didaktiſchen Stellen in den Evangelien und der Apoſtelgeſchichte und den eigentlich didaktiſchen Schriften, den Briefen. Jene ſind offenbar anders zu behandeln als dieſe. Dieſe ſind jede ein Ganzes fuͤr ſich, von jenen iſt's zweifelhaft, ſie koͤnnen Zuſammenſtellungen von Gnomen, von einzelnen abgeriſſenen Ausſpruͤchen ſein. Da findet denn alſo nur Aneinanderreihung ſtatt, ſofern in einem zuſammenhaͤngenden Fluſſe der Rede nicht ſo verſchiedene Gedanken zuſammentreten
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aber haͤufig gefehlt, daß man zufruͤh abſchließend ſagt, findet ſich eine
gewiſſe Formel (des Anfangs und Schluſſes) wiederkehrend bei
manchen Erzaͤhlungen, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß ein neues hi-
ſtoriſches Ganzes beginnt. Dieſe Voreiligkeit verſperrt den Weg
zur Wahrheit. Man muß erſt das Verhaͤltniß des Einzelnen zum
Ganzen vollſtaͤndig erkannt, das Ganze analyſirt, und alle mate-
riellen Vorkommenheiten gepruͤft haben, ehe man zu einem ſicheren
Reſultate gelangen kann.
Sind unſere drei erſten Evangelien hiſtoriſche Zuſammenſezun-
gen der bezeichneten Art, ſo erklaͤrt ſich, wie es kommt, daß das Zeit-
maaß darin faſt gar nicht angegeben iſt. Werden einzelne Erzaͤh-
lungen von Andern, als Augenzeugen, aneinandergereiht, ſo kann das
Zeitverhaͤltniß, wenn es nicht beſonders angegeben iſt, dem Leſer
nicht klar werden. Waͤren die Verfaſſer der Evangelien Augenzeugen
geweſen, ſo wuͤrden ſie auch das Zeitverhaͤltniß der einzelnen an-
einandergereiheten Erzaͤhlungen haben hervortreten laſſen. Ebenſo
iſt es mit dem Localverhaͤltniß. Auch dieß iſt in den drei erſten
Evangelien dunkel. Um ſo ſchwieriger wird es, eine richtige An-
ſicht von dem Verhaͤltniß des Einzelnen in ihnen zum Ganzen
zu gewinnen. Anders im Evangelium des Johannes. Hierin iſt
auch keine fortlaufende Geſchichtserzaͤhlung, aber man iſt dabei
nie in ſolcher Verlegenheit. Wenn der Evangeliſt auch das Zeit-
verhaͤltniß nicht immer unmittelbar angiebt, ſo ſind doch die Gren-
zen der einzelnen Erzaͤhlungen, ſowohl was die Zeit als den Ort
betrifft, angedeutet, wenigſtens mittelbar.
Bei den didaktiſchen Theilen des N. T. haben wir ge-
nauer zu unterſcheiden zwiſchen den didaktiſchen Stellen in den
Evangelien und der Apoſtelgeſchichte und den eigentlich didaktiſchen
Schriften, den Briefen. Jene ſind offenbar anders zu behandeln
als dieſe. Dieſe ſind jede ein Ganzes fuͤr ſich, von jenen iſt's
zweifelhaft, ſie koͤnnen Zuſammenſtellungen von Gnomen, von
einzelnen abgeriſſenen Ausſpruͤchen ſein. Da findet denn alſo
nur Aneinanderreihung ſtatt, ſofern in einem zuſammenhaͤngenden
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/148>, abgerufen am 05.12.2024.
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