ken mehr oder weniger stark aufdrängen. Diese Begleitung von Vorstellungen ist durch die Eigenthümlichkeit des Schriftstellers bedingt und so hängt davon auch ab, wie Nebengedanken in den Zusammenhang hineinkommen. Je mehr diese Eigenthümlich- keit bekannt ist, desto leichter wird es aus dem bekannten Ge- sammtwerthe eines Ausdrucks den Localwerth desselben als Neben- gedanke auszumitteln. Es kann ein Schriftsteller wohl seine Hauptgedanken klar und bestimmt geben, aber mit den Nebenge- danken ist er nicht genau, weil die begleitenden Vorstellungen in seinem gewöhnlichen Leben zu keiner vollen Bestimmtheit gelan- gen, sondern Andeutungen bleiben; so kann und will er auch dem Ausdruck keine größere Bestimmtheit geben, als die Vorstellung hat. Bei manchen Schriftstellern stehen die Nebengedanken in ei- ner objectiven Verwandtschaft mit dem Hauptgedanken. So bei denen, die logisch zu verfahren gewohnt sind. Überhaupt je lo- gischer jemand denkt und schreibt, desto mehr treten die Neben- gedanken zurück. Je unlogischer aber, desto leichter kann das fremdartigste, fernste, wenn nur einige Analogie stattfindet, erwar- tet werden. Man wird also bei den logischen Schriftstellern ge- nöthigt, die Nebengedanken in Beziehung auf die Hauptgedanken genauer zu fassen, während man bei den andern, je fremdartiger die Nebengedanken sind, desto weniger Ursach hat, es damit ge- nau zu nehmen. Aus dem allen aber folgt, daß hier die herme- neutische Operation auf die psychologische Seite hinübergreift. -- Hat die Art wie ein Sprachelement in einem Nebengedanken ge- braucht wird, etwas constantes, wovon das Maximum die solen- nen Ausdrücke sind, so ist um so weniger Schwierigkeit und um so mehr Sicherheit. Je weniger ein Gegenstand schon in der allgemeinen Vorstellung fixirt ist, desto weniger sind solenne Aus- drücke zu erwarten. Dabei aber ist zu beachten, je allgemeiner ein solenner Ausdruck geworden ist, desto mehr verliert er an In- teresse, desto leichter geht man darüber hinweg. So veralten solenne Formeln und verlieren den Werth. Versirt ein Schrift- steller in solchen veralteten solennen Formeln, so wird er altmo-
ken mehr oder weniger ſtark aufdraͤngen. Dieſe Begleitung von Vorſtellungen iſt durch die Eigenthuͤmlichkeit des Schriftſtellers bedingt und ſo haͤngt davon auch ab, wie Nebengedanken in den Zuſammenhang hineinkommen. Je mehr dieſe Eigenthuͤmlich- keit bekannt iſt, deſto leichter wird es aus dem bekannten Ge- ſammtwerthe eines Ausdrucks den Localwerth deſſelben als Neben- gedanke auszumitteln. Es kann ein Schriftſteller wohl ſeine Hauptgedanken klar und beſtimmt geben, aber mit den Nebenge- danken iſt er nicht genau, weil die begleitenden Vorſtellungen in ſeinem gewoͤhnlichen Leben zu keiner vollen Beſtimmtheit gelan- gen, ſondern Andeutungen bleiben; ſo kann und will er auch dem Ausdruck keine groͤßere Beſtimmtheit geben, als die Vorſtellung hat. Bei manchen Schriftſtellern ſtehen die Nebengedanken in ei- ner objectiven Verwandtſchaft mit dem Hauptgedanken. So bei denen, die logiſch zu verfahren gewohnt ſind. Überhaupt je lo- giſcher jemand denkt und ſchreibt, deſto mehr treten die Neben- gedanken zuruͤck. Je unlogiſcher aber, deſto leichter kann das fremdartigſte, fernſte, wenn nur einige Analogie ſtattfindet, erwar- tet werden. Man wird alſo bei den logiſchen Schriftſtellern ge- noͤthigt, die Nebengedanken in Beziehung auf die Hauptgedanken genauer zu faſſen, waͤhrend man bei den andern, je fremdartiger die Nebengedanken ſind, deſto weniger Urſach hat, es damit ge- nau zu nehmen. Aus dem allen aber folgt, daß hier die herme- neutiſche Operation auf die pſychologiſche Seite hinuͤbergreift. — Hat die Art wie ein Sprachelement in einem Nebengedanken ge- braucht wird, etwas conſtantes, wovon das Maximum die ſolen- nen Ausdruͤcke ſind, ſo iſt um ſo weniger Schwierigkeit und um ſo mehr Sicherheit. Je weniger ein Gegenſtand ſchon in der allgemeinen Vorſtellung fixirt iſt, deſto weniger ſind ſolenne Aus- druͤcke zu erwarten. Dabei aber iſt zu beachten, je allgemeiner ein ſolenner Ausdruck geworden iſt, deſto mehr verliert er an In- tereſſe, deſto leichter geht man daruͤber hinweg. So veralten ſolenne Formeln und verlieren den Werth. Verſirt ein Schrift- ſteller in ſolchen veralteten ſolennen Formeln, ſo wird er altmo-
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ken mehr oder weniger ſtark aufdraͤngen. Dieſe Begleitung von
Vorſtellungen iſt durch die Eigenthuͤmlichkeit des Schriftſtellers
bedingt und ſo haͤngt davon auch ab, wie Nebengedanken in
den Zuſammenhang hineinkommen. Je mehr dieſe Eigenthuͤmlich-
keit bekannt iſt, deſto leichter wird es aus dem bekannten Ge-
ſammtwerthe eines Ausdrucks den Localwerth deſſelben als Neben-
gedanke auszumitteln. Es kann ein Schriftſteller wohl ſeine
Hauptgedanken klar und beſtimmt geben, aber mit den Nebenge-
danken iſt er nicht genau, weil die begleitenden Vorſtellungen in
ſeinem gewoͤhnlichen Leben zu keiner vollen Beſtimmtheit gelan-
gen, ſondern Andeutungen bleiben; ſo kann und will er auch dem
Ausdruck keine groͤßere Beſtimmtheit geben, als die Vorſtellung
hat. Bei manchen Schriftſtellern ſtehen die Nebengedanken in ei-
ner objectiven Verwandtſchaft mit dem Hauptgedanken. So bei
denen, die logiſch zu verfahren gewohnt ſind. Überhaupt je lo-
giſcher jemand denkt und ſchreibt, deſto mehr treten die Neben-
gedanken zuruͤck. Je unlogiſcher aber, deſto leichter kann das
fremdartigſte, fernſte, wenn nur einige Analogie ſtattfindet, erwar-
tet werden. Man wird alſo bei den logiſchen Schriftſtellern ge-
noͤthigt, die Nebengedanken in Beziehung auf die Hauptgedanken
genauer zu faſſen, waͤhrend man bei den andern, je fremdartiger
die Nebengedanken ſind, deſto weniger Urſach hat, es damit ge-
nau zu nehmen. Aus dem allen aber folgt, daß hier die herme-
neutiſche Operation auf die pſychologiſche Seite hinuͤbergreift. —
Hat die Art wie ein Sprachelement in einem Nebengedanken ge-
braucht wird, etwas conſtantes, wovon das Maximum die ſolen-
nen Ausdruͤcke ſind, ſo iſt um ſo weniger Schwierigkeit und um
ſo mehr Sicherheit. Je weniger ein Gegenſtand ſchon in der
allgemeinen Vorſtellung fixirt iſt, deſto weniger ſind ſolenne Aus-
druͤcke zu erwarten. Dabei aber iſt zu beachten, je allgemeiner
ein ſolenner Ausdruck geworden iſt, deſto mehr verliert er an In-
tereſſe, deſto leichter geht man daruͤber hinweg. So veralten
ſolenne Formeln und verlieren den Werth. Verſirt ein Schrift-
ſteller in ſolchen veralteten ſolennen Formeln, ſo wird er altmo-
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/124>, abgerufen am 05.12.2024.
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