17. Wenn das nach einer Unterbrechung Wiederkeh- rende zum Hauptzusammenhang der Rede gehört, das Unter- brechende aber nicht, so hat die Identität die größte Wahr- scheinlichkeit.
18. Wenn das Wiederkehrende Nebengedanke ist und das Unterbrechende Hauptgedanke, so kann man von der Identität nur überzeugt sein nach Maaßgabe der Gleichheit im Zusammenhange und der Identität des Typus in der Wendung des Gedankens selbst.
19. In Absicht der Hauptgedanken kann man über eine Schrift selbst hinausgehen auf die desselben Verfassers, welche sich als Eins mit jener ansehn lassen, und so auch auf Schriften Anderer, welche sich anschließen durch die Iden- tität der Schule und der Ansicht.
20. In Bezug auf den Nebengedanken kommt es bei Beobachtung von §. 18. mehr auf die Identität des Sprach- gebietes und der Schreibart an als auf Person und Ansicht.
In wiefern Nebengedanken erklärt werden können aus andern Stellen, wo derselbe Hauptgedanke ist? Qualitativ aber nicht quantitativ.
21. Je mehr man bei der Aufsuchung (15.) sich auf Andere verläßt, desto mehr muß man im Stande sein ihr Urtheil zu controlliren.
22. In der Anwendung auf das N. Testament stehn einander entgegen die philologische Ansicht, welche jede Schrift jedes Schriftstellers isolirt, und die dogmatische, welche das N. T. als Ein Werk Eines Schriftstellers ansieht.
17. Wenn das nach einer Unterbrechung Wiederkeh- rende zum Hauptzuſammenhang der Rede gehoͤrt, das Unter- brechende aber nicht, ſo hat die Identitaͤt die groͤßte Wahr- ſcheinlichkeit.
18. Wenn das Wiederkehrende Nebengedanke iſt und das Unterbrechende Hauptgedanke, ſo kann man von der Identitaͤt nur uͤberzeugt ſein nach Maaßgabe der Gleichheit im Zuſammenhange und der Identitaͤt des Typus in der Wendung des Gedankens ſelbſt.
19. In Abſicht der Hauptgedanken kann man uͤber eine Schrift ſelbſt hinausgehen auf die deſſelben Verfaſſers, welche ſich als Eins mit jener anſehn laſſen, und ſo auch auf Schriften Anderer, welche ſich anſchließen durch die Iden- titaͤt der Schule und der Anſicht.
20. In Bezug auf den Nebengedanken kommt es bei Beobachtung von §. 18. mehr auf die Identitaͤt des Sprach- gebietes und der Schreibart an als auf Perſon und Anſicht.
In wiefern Nebengedanken erklaͤrt werden koͤnnen aus andern Stellen, wo derſelbe Hauptgedanke iſt? Qualitativ aber nicht quantitativ.
21. Je mehr man bei der Aufſuchung (15.) ſich auf Andere verlaͤßt, deſto mehr muß man im Stande ſein ihr Urtheil zu controlliren.
22. In der Anwendung auf das N. Teſtament ſtehn einander entgegen die philologiſche Anſicht, welche jede Schrift jedes Schriftſtellers iſolirt, und die dogmatiſche, welche das N. T. als Ein Werk Eines Schriftſtellers anſieht.
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17. Wenn das nach einer Unterbrechung Wiederkeh-
rende zum Hauptzuſammenhang der Rede gehoͤrt, das Unter-
brechende aber nicht, ſo hat die Identitaͤt die groͤßte Wahr-
ſcheinlichkeit.
18. Wenn das Wiederkehrende Nebengedanke iſt und
das Unterbrechende Hauptgedanke, ſo kann man von der
Identitaͤt nur uͤberzeugt ſein nach Maaßgabe der Gleichheit
im Zuſammenhange und der Identitaͤt des Typus in der
Wendung des Gedankens ſelbſt.
19. In Abſicht der Hauptgedanken kann man uͤber
eine Schrift ſelbſt hinausgehen auf die deſſelben Verfaſſers,
welche ſich als Eins mit jener anſehn laſſen, und ſo auch
auf Schriften Anderer, welche ſich anſchließen durch die Iden-
titaͤt der Schule und der Anſicht.
20. In Bezug auf den Nebengedanken kommt es bei
Beobachtung von §. 18. mehr auf die Identitaͤt des Sprach-
gebietes und der Schreibart an als auf Perſon und Anſicht.
In wiefern Nebengedanken erklaͤrt werden koͤnnen aus andern
Stellen, wo derſelbe Hauptgedanke iſt? Qualitativ aber nicht
quantitativ.
21. Je mehr man bei der Aufſuchung (15.) ſich auf
Andere verlaͤßt, deſto mehr muß man im Stande ſein ihr
Urtheil zu controlliren.
22. In der Anwendung auf das N. Teſtament ſtehn
einander entgegen die philologiſche Anſicht, welche jede Schrift
jedes Schriftſtellers iſolirt, und die dogmatiſche, welche das
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/103>, abgerufen am 05.12.2024.
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