so müssen wir sie in den Schriften des Alterthums immer ganz wegdenken, sonst geht man bei dem, der sie als Ausleger gemacht hat, in die Schule und wird von ihm abhängig und befangen. Ohnehin schwanken die Systeme der Interpunktion und sind un- vollkommen, die alten wie die neuen. Man gewöhne sich also rein aus dem inneren Verhältnisse die Verbindung der Säze zu bestimmen.
8. Bei der Verbindung im Saz ist das schwierigste die Präposition und das unmittelbare Abhängigkeitsverhältniß.
1. Es ist dabei gleich ob der Saz aus Subject und Prä- dicat oder auch zugleich der Copula besteht. Die unmittelbare Verbindung beider ist nie zu verkennen, und auch ihre unmittel- baren Erweiterungen durch Adjectiva und Adverbien concresci- ren durch die Form zu Einem ganzen mit ihnen. Die Prä- position aber knüpft nähere Bestimmungen des Verbi, nemlich seiner Richtung, seines Gegenstandes u. s. w., an dasselbe an. Der Genitiv, der Status constructus u. s. w. ist nähere Be- stimmung des Subjects. Der Sinn der Präposition wird leicht durch Subject und Object bestimmt. Da tritt aber die Ent- scheidung durch das materielle Element ein.
In 1) Beziehung auf die materiellen Elemente des einfachen Sa- zes entsteht die Frage, ob derselbe zweigliedrig ist (Subject und Prädicat) oder dreigliedrig (wo die Copula dazukommt). Die er- stere Ansicht ist die dynamische, die zweite die atomistische, weil man glaubt die Verbindung sei wieder etwas sich neben die Theile hinstellendes. Auffallend, daß diese leztere Ansicht noch so allge- mein herrschend ist. Wenn man von dieser Seite auf die Frage wie es z. B. mit dem Saze steht, der Baum blüht, antwortet er sei eigentlich dreigliedrig, nemlich so, der Baum ist blühend, so ist das der Sprache gar nicht gemäß, es würde folgen, daß es nur ein einziges Verbum gebe, das Verbum sein. Dieß ist aber
1) Aus der Vorles. v. 1826.
ſo muͤſſen wir ſie in den Schriften des Alterthums immer ganz wegdenken, ſonſt geht man bei dem, der ſie als Ausleger gemacht hat, in die Schule und wird von ihm abhaͤngig und befangen. Ohnehin ſchwanken die Syſteme der Interpunktion und ſind un- vollkommen, die alten wie die neuen. Man gewoͤhne ſich alſo rein aus dem inneren Verhaͤltniſſe die Verbindung der Saͤze zu beſtimmen.
8. Bei der Verbindung im Saz iſt das ſchwierigſte die Praͤpoſition und das unmittelbare Abhaͤngigkeitsverhaͤltniß.
1. Es iſt dabei gleich ob der Saz aus Subject und Praͤ- dicat oder auch zugleich der Copula beſteht. Die unmittelbare Verbindung beider iſt nie zu verkennen, und auch ihre unmittel- baren Erweiterungen durch Adjectiva und Adverbien concreſci- ren durch die Form zu Einem ganzen mit ihnen. Die Praͤ- poſition aber knuͤpft naͤhere Beſtimmungen des Verbi, nemlich ſeiner Richtung, ſeines Gegenſtandes u. ſ. w., an daſſelbe an. Der Genitiv, der Status conſtructus u. ſ. w. iſt naͤhere Be- ſtimmung des Subjects. Der Sinn der Praͤpoſition wird leicht durch Subject und Object beſtimmt. Da tritt aber die Ent- ſcheidung durch das materielle Element ein.
In 1) Beziehung auf die materiellen Elemente des einfachen Sa- zes entſteht die Frage, ob derſelbe zweigliedrig iſt (Subject und Praͤdicat) oder dreigliedrig (wo die Copula dazukommt). Die er- ſtere Anſicht iſt die dynamiſche, die zweite die atomiſtiſche, weil man glaubt die Verbindung ſei wieder etwas ſich neben die Theile hinſtellendes. Auffallend, daß dieſe leztere Anſicht noch ſo allge- mein herrſchend iſt. Wenn man von dieſer Seite auf die Frage wie es z. B. mit dem Saze ſteht, der Baum bluͤht, antwortet er ſei eigentlich dreigliedrig, nemlich ſo, der Baum iſt bluͤhend, ſo iſt das der Sprache gar nicht gemaͤß, es wuͤrde folgen, daß es nur ein einziges Verbum gebe, das Verbum ſein. Dieß iſt aber
1) Aus der Vorleſ. v. 1826.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0100"n="76"/>ſo muͤſſen wir ſie in den Schriften des Alterthums immer ganz<lb/>
wegdenken, ſonſt geht man bei dem, der ſie als Ausleger gemacht<lb/>
hat, in die Schule und wird von ihm abhaͤngig und befangen.<lb/>
Ohnehin ſchwanken die Syſteme der Interpunktion und ſind un-<lb/>
vollkommen, die alten wie die neuen. Man gewoͤhne ſich alſo<lb/>
rein aus dem inneren Verhaͤltniſſe die Verbindung der Saͤze zu<lb/>
beſtimmen.</p><lb/><p>8. Bei der Verbindung im Saz iſt das ſchwierigſte<lb/>
die Praͤpoſition und das unmittelbare Abhaͤngigkeitsverhaͤltniß.</p><lb/><p>1. Es iſt dabei gleich ob der Saz aus Subject und Praͤ-<lb/>
dicat oder auch zugleich der Copula beſteht. Die unmittelbare<lb/>
Verbindung beider iſt nie zu verkennen, und auch ihre unmittel-<lb/>
baren Erweiterungen durch Adjectiva und Adverbien concreſci-<lb/>
ren durch die Form zu Einem ganzen mit ihnen. Die Praͤ-<lb/>
poſition aber knuͤpft naͤhere Beſtimmungen des Verbi, nemlich<lb/>ſeiner Richtung, ſeines Gegenſtandes u. ſ. w., an daſſelbe an.<lb/>
Der Genitiv, der Status conſtructus u. ſ. w. iſt naͤhere Be-<lb/>ſtimmung des Subjects. Der Sinn der Praͤpoſition wird leicht<lb/>
durch Subject und Object beſtimmt. Da tritt aber die Ent-<lb/>ſcheidung durch das materielle Element ein.</p><lb/><p>In <noteplace="foot"n="1)">Aus der Vorleſ. v. 1826.</note> Beziehung auf die materiellen Elemente des einfachen Sa-<lb/>
zes entſteht die Frage, ob derſelbe zweigliedrig iſt (Subject und<lb/>
Praͤdicat) oder dreigliedrig (wo die Copula dazukommt). Die er-<lb/>ſtere Anſicht iſt die dynamiſche, die zweite die atomiſtiſche, weil man<lb/>
glaubt die Verbindung ſei wieder etwas ſich neben die Theile<lb/>
hinſtellendes. Auffallend, daß dieſe leztere Anſicht noch ſo allge-<lb/>
mein herrſchend iſt. Wenn man von dieſer Seite auf die Frage<lb/>
wie es z. B. mit dem Saze ſteht, der Baum bluͤht, antwortet<lb/>
er ſei eigentlich dreigliedrig, nemlich ſo, der Baum iſt bluͤhend, ſo<lb/>
iſt das der Sprache gar nicht gemaͤß, es wuͤrde folgen, daß es<lb/>
nur ein einziges Verbum gebe, das Verbum ſein. Dieß iſt aber<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[76/0100]
ſo muͤſſen wir ſie in den Schriften des Alterthums immer ganz
wegdenken, ſonſt geht man bei dem, der ſie als Ausleger gemacht
hat, in die Schule und wird von ihm abhaͤngig und befangen.
Ohnehin ſchwanken die Syſteme der Interpunktion und ſind un-
vollkommen, die alten wie die neuen. Man gewoͤhne ſich alſo
rein aus dem inneren Verhaͤltniſſe die Verbindung der Saͤze zu
beſtimmen.
8. Bei der Verbindung im Saz iſt das ſchwierigſte
die Praͤpoſition und das unmittelbare Abhaͤngigkeitsverhaͤltniß.
1. Es iſt dabei gleich ob der Saz aus Subject und Praͤ-
dicat oder auch zugleich der Copula beſteht. Die unmittelbare
Verbindung beider iſt nie zu verkennen, und auch ihre unmittel-
baren Erweiterungen durch Adjectiva und Adverbien concreſci-
ren durch die Form zu Einem ganzen mit ihnen. Die Praͤ-
poſition aber knuͤpft naͤhere Beſtimmungen des Verbi, nemlich
ſeiner Richtung, ſeines Gegenſtandes u. ſ. w., an daſſelbe an.
Der Genitiv, der Status conſtructus u. ſ. w. iſt naͤhere Be-
ſtimmung des Subjects. Der Sinn der Praͤpoſition wird leicht
durch Subject und Object beſtimmt. Da tritt aber die Ent-
ſcheidung durch das materielle Element ein.
In 1) Beziehung auf die materiellen Elemente des einfachen Sa-
zes entſteht die Frage, ob derſelbe zweigliedrig iſt (Subject und
Praͤdicat) oder dreigliedrig (wo die Copula dazukommt). Die er-
ſtere Anſicht iſt die dynamiſche, die zweite die atomiſtiſche, weil man
glaubt die Verbindung ſei wieder etwas ſich neben die Theile
hinſtellendes. Auffallend, daß dieſe leztere Anſicht noch ſo allge-
mein herrſchend iſt. Wenn man von dieſer Seite auf die Frage
wie es z. B. mit dem Saze ſteht, der Baum bluͤht, antwortet
er ſei eigentlich dreigliedrig, nemlich ſo, der Baum iſt bluͤhend, ſo
iſt das der Sprache gar nicht gemaͤß, es wuͤrde folgen, daß es
nur ein einziges Verbum gebe, das Verbum ſein. Dieß iſt aber
1) Aus der Vorleſ. v. 1826.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/100>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.