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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Tief im Innern seines Gemüthes fühlt der Mensch, daß er seiner
bessern Natur nach nicht dieser Körperwelt, die ihn umgiebt, ange-
höre, daß eine Welt selbstständiger lebendiger Geister seine eigentliche
Heimath sey, und gern schwingt er sich in begeisterter Ahnung auf in
jene Regionen, die ihm als sein wahres Heimathland erscheinen.
Kehrt er nun zurück von solchen Ausflügen, zu denen ihn das Gefühl
seines Ursprungs die Flügel geliehen, wird er nach solchen Erhebungen
wieder zurückversetzt in die todte Welt schwerer Massen, so trennt er
sich unwillig nur von seinen schönen Bildern und gern trägt er zumal
in der Jugend, wie des Individuums so des ganzen menschlichen Ge-
schlechts, das freie geistige Leben, das ihm verwandt, über auf die
ihn umgebende Natur. Die jugendliche Phantasie leiht dem Fels,
dem Baume, der Blume einen sie belebenden Genius und in dem
Rollen des Donners hört sie Gottes Stimme. Dem tritt dann die
ernste Wissenschaft entgegen, sie entkleidet die Natur von jenem be-
geistigenden Zauber und unterwirft sie dem blinden Fatum ausnahms-
loser Naturgesetze. Zwar ist ihr Ziel eben den Geist in seiner Selbst-
ständigkeit unabhängig von der Natur in seine Rechte einzusetzen und
über sie in religiöser Ahnung mit Bewußtseyn das höchste Wesen zu
erheben, aber doch wird der Durchgang zu diesem erhabenen Ziel von
dem warmfühlenden Menschen feindselig empfunden und nur mit bit-
term Schmerz trennt er sich von den lebendigen Gestalten, mit denen
er seine Welt bevölkert hatte. Selten hat wohl Jemand diesen Zwie-
spalt, der noch nicht zur höhern Versöhnung gediehen, schöner aus-
gesprochen als Schiller in seinen Göttern Griechenlands.

Tief im Innern ſeines Gemüthes fühlt der Menſch, daß er ſeiner
beſſern Natur nach nicht dieſer Körperwelt, die ihn umgiebt, ange-
höre, daß eine Welt ſelbſtſtändiger lebendiger Geiſter ſeine eigentliche
Heimath ſey, und gern ſchwingt er ſich in begeiſterter Ahnung auf in
jene Regionen, die ihm als ſein wahres Heimathland erſcheinen.
Kehrt er nun zurück von ſolchen Ausflügen, zu denen ihn das Gefühl
ſeines Urſprungs die Flügel geliehen, wird er nach ſolchen Erhebungen
wieder zurückverſetzt in die todte Welt ſchwerer Maſſen, ſo trennt er
ſich unwillig nur von ſeinen ſchönen Bildern und gern trägt er zumal
in der Jugend, wie des Individuums ſo des ganzen menſchlichen Ge-
ſchlechts, das freie geiſtige Leben, das ihm verwandt, über auf die
ihn umgebende Natur. Die jugendliche Phantaſie leiht dem Fels,
dem Baume, der Blume einen ſie belebenden Genius und in dem
Rollen des Donners hört ſie Gottes Stimme. Dem tritt dann die
ernſte Wiſſenſchaft entgegen, ſie entkleidet die Natur von jenem be-
geiſtigenden Zauber und unterwirft ſie dem blinden Fatum ausnahms-
loſer Naturgeſetze. Zwar iſt ihr Ziel eben den Geiſt in ſeiner Selbſt-
ſtändigkeit unabhängig von der Natur in ſeine Rechte einzuſetzen und
über ſie in religiöſer Ahnung mit Bewußtſeyn das höchſte Weſen zu
erheben, aber doch wird der Durchgang zu dieſem erhabenen Ziel von
dem warmfühlenden Menſchen feindſelig empfunden und nur mit bit-
term Schmerz trennt er ſich von den lebendigen Geſtalten, mit denen
er ſeine Welt bevölkert hatte. Selten hat wohl Jemand dieſen Zwie-
ſpalt, der noch nicht zur höhern Verſöhnung gediehen, ſchöner aus-
geſprochen als Schiller in ſeinen Göttern Griechenlands.

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[[57]/0073] Tief im Innern ſeines Gemüthes fühlt der Menſch, daß er ſeiner beſſern Natur nach nicht dieſer Körperwelt, die ihn umgiebt, ange- höre, daß eine Welt ſelbſtſtändiger lebendiger Geiſter ſeine eigentliche Heimath ſey, und gern ſchwingt er ſich in begeiſterter Ahnung auf in jene Regionen, die ihm als ſein wahres Heimathland erſcheinen. Kehrt er nun zurück von ſolchen Ausflügen, zu denen ihn das Gefühl ſeines Urſprungs die Flügel geliehen, wird er nach ſolchen Erhebungen wieder zurückverſetzt in die todte Welt ſchwerer Maſſen, ſo trennt er ſich unwillig nur von ſeinen ſchönen Bildern und gern trägt er zumal in der Jugend, wie des Individuums ſo des ganzen menſchlichen Ge- ſchlechts, das freie geiſtige Leben, das ihm verwandt, über auf die ihn umgebende Natur. Die jugendliche Phantaſie leiht dem Fels, dem Baume, der Blume einen ſie belebenden Genius und in dem Rollen des Donners hört ſie Gottes Stimme. Dem tritt dann die ernſte Wiſſenſchaft entgegen, ſie entkleidet die Natur von jenem be- geiſtigenden Zauber und unterwirft ſie dem blinden Fatum ausnahms- loſer Naturgeſetze. Zwar iſt ihr Ziel eben den Geiſt in ſeiner Selbſt- ſtändigkeit unabhängig von der Natur in ſeine Rechte einzuſetzen und über ſie in religiöſer Ahnung mit Bewußtſeyn das höchſte Weſen zu erheben, aber doch wird der Durchgang zu dieſem erhabenen Ziel von dem warmfühlenden Menſchen feindſelig empfunden und nur mit bit- term Schmerz trennt er ſich von den lebendigen Geſtalten, mit denen er ſeine Welt bevölkert hatte. Selten hat wohl Jemand dieſen Zwie- ſpalt, der noch nicht zur höhern Verſöhnung gediehen, ſchöner aus- geſprochen als Schiller in ſeinen Göttern Griechenlands.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. [57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/73>, abgerufen am 12.12.2024.