Belaubung zur Bildung desselben Veranlassung gegeben. Derselbe Baum ist es, welcher die furchtbaren, verrufenen Cypressensümpfe Louisianas an den Ufern des Redriver und Missisippi bildet. Riesenstämme von unerhörter Mächtigkeit drängen sich aneinander, ihre Zweige ineinander flechtend und am hellsten Tage ein düstres Dämmerlicht verbreitend. Der Boden besteht nur aus halbverfaulten übereinander gethürmten Blöcken und dazwischen aus einem uner- gründlich tiefen flüssigen Schlamm, in welchem sich gefräßige Ali- gators und die beißende Schildkröte umherwälzen, die alleinigen Herren dieser unter der Gluth der fast tropischen Sonne qualmenden Hölle; so im hohen Sommer, während im Frühling sich brausend die trüben, schlammigen Fluthen der austretenden Ströme in meilen- weiter Ausdehnung durch diese feindselige Vegetation ergießen. -- So entsprechen diese Cypressensümpfe, von denen uns Seatsfield ein so lebendiges Bild entworfen, im Binnenlande, den Mangrove- wäldern, welche die Flußmündungen fast aller Tropenströme um- säumen. Aus nur wenig Pflanzenarten zusammengesetzt, unter denen der Manglebaum der gemeinste ist, sind sie vorzugsweise durch die große Anzahl ihrer hoch am Stamme entspringenden starken Wurzeln, von denen jener über der Fläche des Bodens getragen wird, auffallend. Der eigentliche Standort dieser Pflanze ist das soge- nannte Brakwasser, welches zur Zeit der Ebbe aus dem süßen Wasser des Flusses bestehend, zur Fluthzeit vom andringenden Meer- wasser verdrängt wird. Die zahlreichen Wurzeln bilden oft ein so dichtes Geflecht, daß die Lücken durch fallende Blätter verstopft wer- den können und so sich allmälig für eine zweite Vegetation ein Boden sammelt, unter welchem zu verschiednen Tageszeiten das Meer oder der Fluß seine Wogen dahinrollt. Häufiger aber beschränkt sich die Wirksamkeit der Wurzeln darauf, den Strom des Wassers zu ver- langsamen und zwischen ihrem Geflecht die vom Flusse herabgetrie- benen Pflanzen- und Thierleichen zurückzuhalten, die dann hier in Berührung mit dem Meerwasser und seinen Salzen faulen. So ent- wickelt sich in diesen Gegenden das furchtbare Schwefelwasserstoffgas,
Belaubung zur Bildung deſſelben Veranlaſſung gegeben. Derſelbe Baum iſt es, welcher die furchtbaren, verrufenen Cypreſſenſümpfe Louiſianas an den Ufern des Redriver und Miſſiſippi bildet. Rieſenſtämme von unerhörter Mächtigkeit drängen ſich aneinander, ihre Zweige ineinander flechtend und am hellſten Tage ein düſtres Dämmerlicht verbreitend. Der Boden beſteht nur aus halbverfaulten übereinander gethürmten Blöcken und dazwiſchen aus einem uner- gründlich tiefen flüſſigen Schlamm, in welchem ſich gefräßige Ali- gators und die beißende Schildkröte umherwälzen, die alleinigen Herren dieſer unter der Gluth der faſt tropiſchen Sonne qualmenden Hölle; ſo im hohen Sommer, während im Frühling ſich brauſend die trüben, ſchlammigen Fluthen der austretenden Ströme in meilen- weiter Ausdehnung durch dieſe feindſelige Vegetation ergießen. — So entſprechen dieſe Cypreſſenſümpfe, von denen uns Seatsfield ein ſo lebendiges Bild entworfen, im Binnenlande, den Mangrove- wäldern, welche die Flußmündungen faſt aller Tropenſtröme um- ſäumen. Aus nur wenig Pflanzenarten zuſammengeſetzt, unter denen der Manglebaum der gemeinſte iſt, ſind ſie vorzugsweiſe durch die große Anzahl ihrer hoch am Stamme entſpringenden ſtarken Wurzeln, von denen jener über der Fläche des Bodens getragen wird, auffallend. Der eigentliche Standort dieſer Pflanze iſt das ſoge- nannte Brakwaſſer, welches zur Zeit der Ebbe aus dem ſüßen Waſſer des Fluſſes beſtehend, zur Fluthzeit vom andringenden Meer- waſſer verdrängt wird. Die zahlreichen Wurzeln bilden oft ein ſo dichtes Geflecht, daß die Lücken durch fallende Blätter verſtopft wer- den können und ſo ſich allmälig für eine zweite Vegetation ein Boden ſammelt, unter welchem zu verſchiednen Tageszeiten das Meer oder der Fluß ſeine Wogen dahinrollt. Häufiger aber beſchränkt ſich die Wirkſamkeit der Wurzeln darauf, den Strom des Waſſers zu ver- langſamen und zwiſchen ihrem Geflecht die vom Fluſſe herabgetrie- benen Pflanzen- und Thierleichen zurückzuhalten, die dann hier in Berührung mit dem Meerwaſſer und ſeinen Salzen faulen. So ent- wickelt ſich in dieſen Gegenden das furchtbare Schwefelwaſſerſtoffgas,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0334"n="318"/>
Belaubung zur Bildung deſſelben Veranlaſſung gegeben. Derſelbe<lb/>
Baum iſt es, welcher die furchtbaren, verrufenen <hirendition="#g">Cypreſſenſümpfe</hi><lb/>
Louiſianas an den Ufern des <hirendition="#g">Redriver</hi> und <hirendition="#g">Miſſiſippi</hi> bildet.<lb/>
Rieſenſtämme von unerhörter Mächtigkeit drängen ſich aneinander,<lb/>
ihre Zweige ineinander flechtend und am hellſten Tage ein düſtres<lb/>
Dämmerlicht verbreitend. Der Boden beſteht nur aus halbverfaulten<lb/>
übereinander gethürmten Blöcken und dazwiſchen aus einem uner-<lb/>
gründlich tiefen flüſſigen Schlamm, in welchem ſich gefräßige Ali-<lb/>
gators und die beißende Schildkröte umherwälzen, die alleinigen<lb/>
Herren dieſer unter der Gluth der faſt tropiſchen Sonne qualmenden<lb/>
Hölle; ſo im hohen Sommer, während im Frühling ſich brauſend<lb/>
die trüben, ſchlammigen Fluthen der austretenden Ströme in meilen-<lb/>
weiter Ausdehnung durch dieſe feindſelige Vegetation ergießen. — So<lb/>
entſprechen dieſe Cypreſſenſümpfe, von denen uns <hirendition="#g">Seatsfield</hi> ein<lb/>ſo lebendiges Bild entworfen, im Binnenlande, den <hirendition="#g">Mangrove-<lb/>
wäldern</hi>, welche die Flußmündungen faſt aller Tropenſtröme um-<lb/>ſäumen. Aus nur wenig Pflanzenarten zuſammengeſetzt, unter denen<lb/>
der <hirendition="#g">Manglebaum</hi> der gemeinſte iſt, ſind ſie vorzugsweiſe durch<lb/>
die große Anzahl ihrer hoch am Stamme entſpringenden ſtarken<lb/>
Wurzeln, von denen jener über der Fläche des Bodens getragen wird,<lb/>
auffallend. Der eigentliche Standort dieſer Pflanze iſt das ſoge-<lb/>
nannte <hirendition="#g">Brakwaſſer</hi>, welches zur Zeit der Ebbe aus dem ſüßen<lb/>
Waſſer des Fluſſes beſtehend, zur Fluthzeit vom andringenden Meer-<lb/>
waſſer verdrängt wird. Die zahlreichen Wurzeln bilden oft ein ſo<lb/>
dichtes Geflecht, daß die Lücken durch fallende Blätter verſtopft wer-<lb/>
den können und ſo ſich allmälig für eine zweite Vegetation ein Boden<lb/>ſammelt, unter welchem zu verſchiednen Tageszeiten das Meer oder der<lb/>
Fluß ſeine Wogen dahinrollt. Häufiger aber beſchränkt ſich die<lb/>
Wirkſamkeit der Wurzeln darauf, den Strom des Waſſers zu ver-<lb/>
langſamen und zwiſchen ihrem Geflecht die vom Fluſſe herabgetrie-<lb/>
benen Pflanzen- und Thierleichen zurückzuhalten, die dann hier in<lb/>
Berührung mit dem Meerwaſſer und ſeinen Salzen faulen. So ent-<lb/>
wickelt ſich in dieſen Gegenden das furchtbare Schwefelwaſſerſtoffgas,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[318/0334]
Belaubung zur Bildung deſſelben Veranlaſſung gegeben. Derſelbe
Baum iſt es, welcher die furchtbaren, verrufenen Cypreſſenſümpfe
Louiſianas an den Ufern des Redriver und Miſſiſippi bildet.
Rieſenſtämme von unerhörter Mächtigkeit drängen ſich aneinander,
ihre Zweige ineinander flechtend und am hellſten Tage ein düſtres
Dämmerlicht verbreitend. Der Boden beſteht nur aus halbverfaulten
übereinander gethürmten Blöcken und dazwiſchen aus einem uner-
gründlich tiefen flüſſigen Schlamm, in welchem ſich gefräßige Ali-
gators und die beißende Schildkröte umherwälzen, die alleinigen
Herren dieſer unter der Gluth der faſt tropiſchen Sonne qualmenden
Hölle; ſo im hohen Sommer, während im Frühling ſich brauſend
die trüben, ſchlammigen Fluthen der austretenden Ströme in meilen-
weiter Ausdehnung durch dieſe feindſelige Vegetation ergießen. — So
entſprechen dieſe Cypreſſenſümpfe, von denen uns Seatsfield ein
ſo lebendiges Bild entworfen, im Binnenlande, den Mangrove-
wäldern, welche die Flußmündungen faſt aller Tropenſtröme um-
ſäumen. Aus nur wenig Pflanzenarten zuſammengeſetzt, unter denen
der Manglebaum der gemeinſte iſt, ſind ſie vorzugsweiſe durch
die große Anzahl ihrer hoch am Stamme entſpringenden ſtarken
Wurzeln, von denen jener über der Fläche des Bodens getragen wird,
auffallend. Der eigentliche Standort dieſer Pflanze iſt das ſoge-
nannte Brakwaſſer, welches zur Zeit der Ebbe aus dem ſüßen
Waſſer des Fluſſes beſtehend, zur Fluthzeit vom andringenden Meer-
waſſer verdrängt wird. Die zahlreichen Wurzeln bilden oft ein ſo
dichtes Geflecht, daß die Lücken durch fallende Blätter verſtopft wer-
den können und ſo ſich allmälig für eine zweite Vegetation ein Boden
ſammelt, unter welchem zu verſchiednen Tageszeiten das Meer oder der
Fluß ſeine Wogen dahinrollt. Häufiger aber beſchränkt ſich die
Wirkſamkeit der Wurzeln darauf, den Strom des Waſſers zu ver-
langſamen und zwiſchen ihrem Geflecht die vom Fluſſe herabgetrie-
benen Pflanzen- und Thierleichen zurückzuhalten, die dann hier in
Berührung mit dem Meerwaſſer und ſeinen Salzen faulen. So ent-
wickelt ſich in dieſen Gegenden das furchtbare Schwefelwaſſerſtoffgas,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/334>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.