Man erwarte auch hier von mir nicht mehr als eine skizzirte Hindeu- tung auf den unendlichen Reichthum der Natur, mehr zu geben ver- bietet mir der enge Rahmen, welcher meine Bilder begrenzt. Ja wenn es hier unsere Aufgabe wäre, vollständig dieses Verhältniß zu er- schöpfen, so müßten wir selbst Thierwelt und geognostische Grund- lage noch mit in den Kreis unserer Betrachtung ziehen. Der natür- liche Mensch lebt nicht mit diesen oder jenen Einzelnen Naturkörpern, sondern mit dem Ganzen seiner Umgebung, die Landschaft mit allen ihren ungesonderten Elementen wirkt auf seine Gemüthsstimmung und dadurch unmerklich auf die ganze Geschichte seines Inneren, erst allmälig bei fortgeschrittener Bildung wird es ihm möglich, die ein- zelnen Bestandtheile aus dem Bilde herauszulösen und den Total- eindruck in seine Einzelwirkungen zu zerlegen. Nicht das Gras, son- dern die Wiese, nicht der Baum, sondern der Wald, nicht der Myr- tenbusch, sondern die ganze Fläche mit niedrig buschigen, immer- grünen Pflanzen bedeckt, welche sich als eigner Gürtel an den grie- chischen Bergen hinzieht, einerseits mit den blühenden Wiesen, andrer- seits mit den hochaufstrebenden Fichten contrastirt, haben den mäch- tigen Einfluß auf das Behagen oder den Mißmuth des Menschen ausgeübt. So wird uns die Betrachtung der Pflanzenformationen, wie sie aus jenen Formen zusammengesetzt sind, ungleich bedeutsamer und um so mehr so, als gerade hierin vorzüglich der eigenthümliche Character der verschiedenen Länder sich ausspricht.
Keiner der Unsrigen, den ein freundlicher Genius in die reiche Welt der senkrechten Sonne führte und glücklich zurückleitete, hat sich des Eindrucks erwehren können, den die Eigenthümlichkeit der Tropenvegetation auf ihn gemacht hat, und niemals wird er den- selben wieder vergessen. Nur unklar und matt sind die gewöhn- lichen Ausdrücke: Reichthum, Fülle, Ueppigkeit, wodurch man jenen Character wiederzugeben sucht; ja selbst falsch sind sie, denn wer jemals einen nordischen Urwald sah, die mächtig ragenden Stämme, die modernden Pflanzenleichen, die Fülle der Farnkräuter und Moose, Alles, Todtes und Lebendiges, bekleidend und umhüllend,
Man erwarte auch hier von mir nicht mehr als eine ſkizzirte Hindeu- tung auf den unendlichen Reichthum der Natur, mehr zu geben ver- bietet mir der enge Rahmen, welcher meine Bilder begrenzt. Ja wenn es hier unſere Aufgabe wäre, vollſtändig dieſes Verhältniß zu er- ſchöpfen, ſo müßten wir ſelbſt Thierwelt und geognoſtiſche Grund- lage noch mit in den Kreis unſerer Betrachtung ziehen. Der natür- liche Menſch lebt nicht mit dieſen oder jenen Einzelnen Naturkörpern, ſondern mit dem Ganzen ſeiner Umgebung, die Landſchaft mit allen ihren ungeſonderten Elementen wirkt auf ſeine Gemüthsſtimmung und dadurch unmerklich auf die ganze Geſchichte ſeines Inneren, erſt allmälig bei fortgeſchrittener Bildung wird es ihm möglich, die ein- zelnen Beſtandtheile aus dem Bilde herauszulöſen und den Total- eindruck in ſeine Einzelwirkungen zu zerlegen. Nicht das Gras, ſon- dern die Wieſe, nicht der Baum, ſondern der Wald, nicht der Myr- tenbuſch, ſondern die ganze Fläche mit niedrig buſchigen, immer- grünen Pflanzen bedeckt, welche ſich als eigner Gürtel an den grie- chiſchen Bergen hinzieht, einerſeits mit den blühenden Wieſen, andrer- ſeits mit den hochaufſtrebenden Fichten contraſtirt, haben den mäch- tigen Einfluß auf das Behagen oder den Mißmuth des Menſchen ausgeübt. So wird uns die Betrachtung der Pflanzenformationen, wie ſie aus jenen Formen zuſammengeſetzt ſind, ungleich bedeutſamer und um ſo mehr ſo, als gerade hierin vorzüglich der eigenthümliche Character der verſchiedenen Länder ſich ausſpricht.
Keiner der Unſrigen, den ein freundlicher Genius in die reiche Welt der ſenkrechten Sonne führte und glücklich zurückleitete, hat ſich des Eindrucks erwehren können, den die Eigenthümlichkeit der Tropenvegetation auf ihn gemacht hat, und niemals wird er den- ſelben wieder vergeſſen. Nur unklar und matt ſind die gewöhn- lichen Ausdrücke: Reichthum, Fülle, Ueppigkeit, wodurch man jenen Character wiederzugeben ſucht; ja ſelbſt falſch ſind ſie, denn wer jemals einen nordiſchen Urwald ſah, die mächtig ragenden Stämme, die modernden Pflanzenleichen, die Fülle der Farnkräuter und Mooſe, Alles, Todtes und Lebendiges, bekleidend und umhüllend,
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Man erwarte auch hier von mir nicht mehr als eine ſkizzirte Hindeu-
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bietet mir der enge Rahmen, welcher meine Bilder begrenzt. Ja wenn
es hier unſere Aufgabe wäre, vollſtändig dieſes Verhältniß zu er-
ſchöpfen, ſo müßten wir ſelbſt Thierwelt und geognoſtiſche Grund-
lage noch mit in den Kreis unſerer Betrachtung ziehen. Der natür-
liche Menſch lebt nicht mit dieſen oder jenen Einzelnen Naturkörpern,
ſondern mit dem Ganzen ſeiner Umgebung, die Landſchaft mit allen
ihren ungeſonderten Elementen wirkt auf ſeine Gemüthsſtimmung
und dadurch unmerklich auf die ganze Geſchichte ſeines Inneren, erſt
allmälig bei fortgeſchrittener Bildung wird es ihm möglich, die ein-
zelnen Beſtandtheile aus dem Bilde herauszulöſen und den Total-
eindruck in ſeine Einzelwirkungen zu zerlegen. Nicht das Gras, ſon-
dern die Wieſe, nicht der Baum, ſondern der Wald, nicht der Myr-
tenbuſch, ſondern die ganze Fläche mit niedrig buſchigen, immer-
grünen Pflanzen bedeckt, welche ſich als eigner Gürtel an den grie-
chiſchen Bergen hinzieht, einerſeits mit den blühenden Wieſen, andrer-
ſeits mit den hochaufſtrebenden Fichten contraſtirt, haben den mäch-
tigen Einfluß auf das Behagen oder den Mißmuth des Menſchen
ausgeübt. So wird uns die Betrachtung der Pflanzenformationen,
wie ſie aus jenen Formen zuſammengeſetzt ſind, ungleich bedeutſamer
und um ſo mehr ſo, als gerade hierin vorzüglich der eigenthümliche
Character der verſchiedenen Länder ſich ausſpricht.
Keiner der Unſrigen, den ein freundlicher Genius in die reiche
Welt der ſenkrechten Sonne führte und glücklich zurückleitete, hat
ſich des Eindrucks erwehren können, den die Eigenthümlichkeit der
Tropenvegetation auf ihn gemacht hat, und niemals wird er den-
ſelben wieder vergeſſen. Nur unklar und matt ſind die gewöhn-
lichen Ausdrücke: Reichthum, Fülle, Ueppigkeit, wodurch man
jenen Character wiederzugeben ſucht; ja ſelbſt falſch ſind ſie, denn
wer jemals einen nordiſchen Urwald ſah, die mächtig ragenden
Stämme, die modernden Pflanzenleichen, die Fülle der Farnkräuter
und Mooſe, Alles, Todtes und Lebendiges, bekleidend und umhüllend,
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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