gen Stämmen tropischer Waldbäume sich ansiedelnd, den Uebergang zu den Orchideen andeuten.
Wenn in allen diesen zuletzt genannten Formen die Blattbil- dung übermäßig hervortrat, so setzen wir ihnen jetzt einige Formen entgegen, welche vielmehr eine bevorzugte Entwickelung des Stengels zeigen. Zunächst möchte ich dahin die Haiden-Form rechnen; niedres, vielästiges, holziges Gesträuch, dessen kleine matt- grüne oder graue Blätter so dicht gedrängt stehen, daß sie fast nur als Rauhigkeiten der Zweige erscheinen und selbst die oft schöne Farbe der trockenen Blüthen den traurigen Eindruck nicht verwischt, den die Pflanzen überall hervorrufen, wo sie die Physiognomie der Land- schaft bestimmen. -- Eine Nebengruppe könnte man hier für die Ca- suarinen bestimmen und sie baumartige Haideform nennen, die in Australien die unheimlichen blatt- und schattenlosen Wälder bil- den. -- Noch auffallender ist aber die Stammbildung begünstigt in den stachlichen Cacteen, die nur aus fleischigen, wunderlich geform- ten Stämmen und Aesten bestehen, welche Cactusform noch in manchen andern Familien, z. B. bei den Wolfsmilcharten, bei den Stapelien, und wenn auch allerdings mit bedeutenderer Blattentwickelung, doch mit gleich physiognomischem Ausdrucke in den meisten Fettpflanzen, Aloen und Mesembryanthemen wiederkehrt. -- Zwar nicht bezüglich ihrer wirklichen Organisation, aber doch mit Berücksichtigung der eigenthümlichen Art und Weise, wie sie Theil nehmen an der Zusammensetzung eines Pflanzengemäl- des, müssen wir hierher zu den blattlosen oder vielmehr nur durch ihre Stengel wirkenden Pflanzen alle diejenigen rechnen, die wir mit den spanischen Ansiedlern in Amerika als Llanen oder Lianen- form*) zusammenfassen. Wie starke Schiffstaue gedreht oder schlangenförmig hin- und hergebogen, bald Schnüren gleich, bald flach und bandartig, bald abwechselnd rechts und links mit flachen
*) Das Titelblatt zeigt einige kleinere Formen, zumal in der Mitte des ganzen Bildes ein Feston einer prachtvoll blühenden Trichterwinde.
gen Stämmen tropiſcher Waldbäume ſich anſiedelnd, den Uebergang zu den Orchideen andeuten.
Wenn in allen dieſen zuletzt genannten Formen die Blattbil- dung übermäßig hervortrat, ſo ſetzen wir ihnen jetzt einige Formen entgegen, welche vielmehr eine bevorzugte Entwickelung des Stengels zeigen. Zunächſt möchte ich dahin die Haiden-Form rechnen; niedres, vieläſtiges, holziges Geſträuch, deſſen kleine matt- grüne oder graue Blätter ſo dicht gedrängt ſtehen, daß ſie faſt nur als Rauhigkeiten der Zweige erſcheinen und ſelbſt die oft ſchöne Farbe der trockenen Blüthen den traurigen Eindruck nicht verwiſcht, den die Pflanzen überall hervorrufen, wo ſie die Phyſiognomie der Land- ſchaft beſtimmen. — Eine Nebengruppe könnte man hier für die Ca- ſuarinen beſtimmen und ſie baumartige Haideform nennen, die in Auſtralien die unheimlichen blatt- und ſchattenloſen Wälder bil- den. — Noch auffallender iſt aber die Stammbildung begünſtigt in den ſtachlichen Cacteen, die nur aus fleiſchigen, wunderlich geform- ten Stämmen und Aeſten beſtehen, welche Cactusform noch in manchen andern Familien, z. B. bei den Wolfsmilcharten, bei den Stapelien, und wenn auch allerdings mit bedeutenderer Blattentwickelung, doch mit gleich phyſiognomiſchem Ausdrucke in den meiſten Fettpflanzen, Aloen und Meſembryanthemen wiederkehrt. — Zwar nicht bezüglich ihrer wirklichen Organiſation, aber doch mit Berückſichtigung der eigenthümlichen Art und Weiſe, wie ſie Theil nehmen an der Zuſammenſetzung eines Pflanzengemäl- des, müſſen wir hierher zu den blattloſen oder vielmehr nur durch ihre Stengel wirkenden Pflanzen alle diejenigen rechnen, die wir mit den ſpaniſchen Anſiedlern in Amerika als Llanen oder Lianen- form*) zuſammenfaſſen. Wie ſtarke Schiffstaue gedreht oder ſchlangenförmig hin- und hergebogen, bald Schnüren gleich, bald flach und bandartig, bald abwechſelnd rechts und links mit flachen
*) Das Titelblatt zeigt einige kleinere Formen, zumal in der Mitte des ganzen Bildes ein Feſton einer prachtvoll blühenden Trichterwinde.
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gen Stämmen tropiſcher Waldbäume ſich anſiedelnd, den Uebergang
zu den Orchideen andeuten.
Wenn in allen dieſen zuletzt genannten Formen die Blattbil-
dung übermäßig hervortrat, ſo ſetzen wir ihnen jetzt einige Formen
entgegen, welche vielmehr eine bevorzugte Entwickelung des
Stengels zeigen. Zunächſt möchte ich dahin die Haiden-Form
rechnen; niedres, vieläſtiges, holziges Geſträuch, deſſen kleine matt-
grüne oder graue Blätter ſo dicht gedrängt ſtehen, daß ſie faſt nur
als Rauhigkeiten der Zweige erſcheinen und ſelbſt die oft ſchöne Farbe
der trockenen Blüthen den traurigen Eindruck nicht verwiſcht, den die
Pflanzen überall hervorrufen, wo ſie die Phyſiognomie der Land-
ſchaft beſtimmen. — Eine Nebengruppe könnte man hier für die Ca-
ſuarinen beſtimmen und ſie baumartige Haideform nennen,
die in Auſtralien die unheimlichen blatt- und ſchattenloſen Wälder bil-
den. — Noch auffallender iſt aber die Stammbildung begünſtigt in den
ſtachlichen Cacteen, die nur aus fleiſchigen, wunderlich geform-
ten Stämmen und Aeſten beſtehen, welche Cactusform noch in
manchen andern Familien, z. B. bei den Wolfsmilcharten,
bei den Stapelien, und wenn auch allerdings mit bedeutenderer
Blattentwickelung, doch mit gleich phyſiognomiſchem Ausdrucke in
den meiſten Fettpflanzen, Aloen und Meſembryanthemen
wiederkehrt. — Zwar nicht bezüglich ihrer wirklichen Organiſation,
aber doch mit Berückſichtigung der eigenthümlichen Art und Weiſe,
wie ſie Theil nehmen an der Zuſammenſetzung eines Pflanzengemäl-
des, müſſen wir hierher zu den blattloſen oder vielmehr nur durch
ihre Stengel wirkenden Pflanzen alle diejenigen rechnen, die wir mit
den ſpaniſchen Anſiedlern in Amerika als Llanen oder Lianen-
form *) zuſammenfaſſen. Wie ſtarke Schiffstaue gedreht oder
ſchlangenförmig hin- und hergebogen, bald Schnüren gleich, bald
flach und bandartig, bald abwechſelnd rechts und links mit flachen
*) Das Titelblatt zeigt einige kleinere Formen, zumal in der Mitte des ganzen
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/319>, abgerufen am 17.07.2024.
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