wie die Schallwellen in der Luft. In ihrem geraden Gange stoßen sie auf Körper, die in ihrem Wege liegen, werden wie die an's Ufer schlagende Woge zurückgeworfen, wenn der Körper das ist, was wir undurchsichtig nennen, gehen durch den Körper durch, wie die Welle durch einen in das Meer mündenden Kanal, wenn der Körper zu den sogenannten durchsichtigen gehört. -- Das Oelgas verbrennt und während seiner Verbindung mit Sauerstoff setzt es den Aether in Schwingungen, es leuchtet; das Oelgas ist verbrannt und mit dem Körper "der zu Grunde ging", erlischt auch das Licht. Ein unendliches Aethermeer, das ganze Universum erfüllend und in ihm die tausend und aber tausend Wellen nach den verschiedensten Rich- tungen fortschreitend, sich durchkreuzend, sich aufhebend oder verstär- kend, -- das ist die körperliche Natur des Lichtes und der Farbe. Wer vermöchte zu sagen, daß er je dieses Licht, diese Farben gesehen? So wenig sind wir dazu im Stande, daß es vielmehr des Scharf- sinns der größten Geister bedurfte, um uns diese eigentliche Natur des Lichtes zu enthüllen.
Durch das dichte Dach der Weinlaube zittert ein Sonnenstrahl in den heimlich wohlthuenden Schatten, du glaubst den Lichtstrahl selbst zu sehen, aber weit entfernt davon, ist, was du wahrnimmst, Nichts als eine Reihe von Stäubchen, die vom leisesten Hauch be- wegt in der Luft schweben -- aber keineswegs sind es die Wellen, die sich in rastloser Folge mit einer Schnelligkeit von 40,000 Meilen in der Secunde durch den Aether jagen. -- Könnte der Physiker sei- nes Menschengeistes sich entäußern und nur mit dem Auge der Wis- senschaft die Welt um sich her betrachten, er würde Nichts gewahren als eine öde, farb- und lichtlose Masse, ein unheimlich, unge- heures Uhrwerk, in welchem tausende von Stoffen und bewegenden Kräften zu einem ewig wechselnden Spiel verbunden sind.
Aber fassen wir jetzt auch die schönere Kehrseite ins Auge. Die Nacht ist vorüber, der belebende Strahl der Morgensonne zuckt über die fernen Höhen. Die grünenden Matten erglühen wärmer, getrof- fen vom himmlischen Lichte. Hier öffnet die Blume ihre farbestrah-
wie die Schallwellen in der Luft. In ihrem geraden Gange ſtoßen ſie auf Körper, die in ihrem Wege liegen, werden wie die an's Ufer ſchlagende Woge zurückgeworfen, wenn der Körper das iſt, was wir undurchſichtig nennen, gehen durch den Körper durch, wie die Welle durch einen in das Meer mündenden Kanal, wenn der Körper zu den ſogenannten durchſichtigen gehört. — Das Oelgas verbrennt und während ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff ſetzt es den Aether in Schwingungen, es leuchtet; das Oelgas iſt verbrannt und mit dem Körper „der zu Grunde ging“, erliſcht auch das Licht. Ein unendliches Aethermeer, das ganze Univerſum erfüllend und in ihm die tauſend und aber tauſend Wellen nach den verſchiedenſten Rich- tungen fortſchreitend, ſich durchkreuzend, ſich aufhebend oder verſtär- kend, — das iſt die körperliche Natur des Lichtes und der Farbe. Wer vermöchte zu ſagen, daß er je dieſes Licht, dieſe Farben geſehen? So wenig ſind wir dazu im Stande, daß es vielmehr des Scharf- ſinns der größten Geiſter bedurfte, um uns dieſe eigentliche Natur des Lichtes zu enthüllen.
Durch das dichte Dach der Weinlaube zittert ein Sonnenſtrahl in den heimlich wohlthuenden Schatten, du glaubſt den Lichtſtrahl ſelbſt zu ſehen, aber weit entfernt davon, iſt, was du wahrnimmſt, Nichts als eine Reihe von Stäubchen, die vom leiſeſten Hauch be- wegt in der Luft ſchweben — aber keineswegs ſind es die Wellen, die ſich in raſtloſer Folge mit einer Schnelligkeit von 40,000 Meilen in der Secunde durch den Aether jagen. — Könnte der Phyſiker ſei- nes Menſchengeiſtes ſich entäußern und nur mit dem Auge der Wiſ- ſenſchaft die Welt um ſich her betrachten, er würde Nichts gewahren als eine öde, farb- und lichtloſe Maſſe, ein unheimlich, unge- heures Uhrwerk, in welchem tauſende von Stoffen und bewegenden Kräften zu einem ewig wechſelnden Spiel verbunden ſind.
Aber faſſen wir jetzt auch die ſchönere Kehrſeite ins Auge. Die Nacht iſt vorüber, der belebende Strahl der Morgenſonne zuckt uͤber die fernen Höhen. Die grünenden Matten erglühen wärmer, getrof- fen vom himmliſchen Lichte. Hier öffnet die Blume ihre farbeſtrah-
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wie die Schallwellen in der Luft. In ihrem geraden Gange ſtoßen
ſie auf Körper, die in ihrem Wege liegen, werden wie die an's Ufer
ſchlagende Woge zurückgeworfen, wenn der Körper das iſt, was wir
undurchſichtig nennen, gehen durch den Körper durch, wie die Welle
durch einen in das Meer mündenden Kanal, wenn der Körper zu
den ſogenannten durchſichtigen gehört. — Das Oelgas verbrennt
und während ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff ſetzt es den Aether
in Schwingungen, es leuchtet; das Oelgas iſt verbrannt und mit
dem Körper „der zu Grunde ging“, erliſcht auch das Licht. Ein
unendliches Aethermeer, das ganze Univerſum erfüllend und in ihm
die tauſend und aber tauſend Wellen nach den verſchiedenſten Rich-
tungen fortſchreitend, ſich durchkreuzend, ſich aufhebend oder verſtär-
kend, — das iſt die körperliche Natur des Lichtes und der Farbe.
Wer vermöchte zu ſagen, daß er je dieſes Licht, dieſe Farben geſehen?
So wenig ſind wir dazu im Stande, daß es vielmehr des Scharf-
ſinns der größten Geiſter bedurfte, um uns dieſe eigentliche Natur
des Lichtes zu enthüllen.
Durch das dichte Dach der Weinlaube zittert ein Sonnenſtrahl
in den heimlich wohlthuenden Schatten, du glaubſt den Lichtſtrahl
ſelbſt zu ſehen, aber weit entfernt davon, iſt, was du wahrnimmſt,
Nichts als eine Reihe von Stäubchen, die vom leiſeſten Hauch be-
wegt in der Luft ſchweben — aber keineswegs ſind es die Wellen,
die ſich in raſtloſer Folge mit einer Schnelligkeit von 40,000 Meilen
in der Secunde durch den Aether jagen. — Könnte der Phyſiker ſei-
nes Menſchengeiſtes ſich entäußern und nur mit dem Auge der Wiſ-
ſenſchaft die Welt um ſich her betrachten, er würde Nichts gewahren
als eine öde, farb- und lichtloſe Maſſe, ein unheimlich, unge-
heures Uhrwerk, in welchem tauſende von Stoffen und bewegenden
Kräften zu einem ewig wechſelnden Spiel verbunden ſind.
Aber faſſen wir jetzt auch die ſchönere Kehrſeite ins Auge. Die
Nacht iſt vorüber, der belebende Strahl der Morgenſonne zuckt uͤber
die fernen Höhen. Die grünenden Matten erglühen wärmer, getrof-
fen vom himmliſchen Lichte. Hier öffnet die Blume ihre farbeſtrah-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/31>, abgerufen am 23.11.2024.
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