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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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angehäuften Schneemassen über die Stätten der erschreckten Menschen
ausschütten. -- Wenn der fortschreitenden Lichtung und Zerstörung
der Wälder anfänglich größere Wärme, südlicheres Clima, üppigeres
Gedeihen zarterer Pflanzen folgt, so zieht hinter diesem erwünschten
Zustande doch auch bald ein anderer her, welcher die Bewohnbarkeit
einer Gegend eben so sehr und vielleicht in noch engere Grenzen als
früher zurückdrängt. Kein Pythagoras brauchte jetzt in Aegypten
seinen Schülern den Genuß der Bohne *) zu verbieten, längst ist das
Land unfähig geworden sie hervorzubringen. Der Wein von Men-
des
und Moreotis, der die Gäste der Kleopatra begeisterte,
den selbst Horaz noch rühmte, er wächst nicht mehr. Kein Mör-
der findet mehr den heiligen Fichtenhain des Poseidon, um sich zu
verbergen und dem zu dem Feste heranziehenden Sänger aufzulauern.
Die Pinie hat sich längst vor dem eindringenden Wüstenclima auf
die Höhen der arcadischen Gebirge zurückgezogen. Wo sind die Wei-
den jetzt, wo die Gefilde um die heilige Burg des Dardanus, die
am Fuße des quellenreichen Ida die 3000 Stuten nährten **)? Wer
möchte jetzt noch vom "wogendrängenden Xanthos ***) reden"?
Wer würde jetzt noch die "rossenährende Argos" begreifen?

Ich schließe diese Skitze, wenn auch nicht den Worten, doch dem
Gedankengange eines der edelsten Veteranen unserer Wissenschaft,
des ehrwürdigen Elias Fries in Lund, folgend.

Ein breiter Streifen verwüsteten Landes folgt allmälig den Schrit-
ten der Cultur. Wenn sie sich ausbreitet stirbt ihre Mitte und ihre
Wiege ab und nur im äußersten Umfang finden sich ihre grünenden
Zweige. Aber nicht unmöglich, nur schwer ist, daß der Mensch, ohne
auf die Vortheile der Cultur selbst zu verzichten, den Schaden dereinst
wieder gut mache, den er angestiftet; er ist zum Herrn der Schöpfung
bestimmt. Wahr ist es, Dornen und Disteln, häßliche und giftige

*) Nelumbium speciosum.
**) Homers Iliade 20.
***) Homers
Iliade 12, 310.

angehäuften Schneemaſſen über die Stätten der erſchreckten Menſchen
ausſchütten. — Wenn der fortſchreitenden Lichtung und Zerſtörung
der Wälder anfänglich größere Wärme, ſüdlicheres Clima, üppigeres
Gedeihen zarterer Pflanzen folgt, ſo zieht hinter dieſem erwünſchten
Zuſtande doch auch bald ein anderer her, welcher die Bewohnbarkeit
einer Gegend eben ſo ſehr und vielleicht in noch engere Grenzen als
früher zurückdrängt. Kein Pythagoras brauchte jetzt in Aegypten
ſeinen Schülern den Genuß der Bohne *) zu verbieten, längſt iſt das
Land unfähig geworden ſie hervorzubringen. Der Wein von Men-
des
und Moreotis, der die Gäſte der Kleopatra begeiſterte,
den ſelbſt Horaz noch rühmte, er wächſt nicht mehr. Kein Mör-
der findet mehr den heiligen Fichtenhain des Poſeidon, um ſich zu
verbergen und dem zu dem Feſte heranziehenden Sänger aufzulauern.
Die Pinie hat ſich längſt vor dem eindringenden Wüſtenclima auf
die Höhen der arcadiſchen Gebirge zurückgezogen. Wo ſind die Wei-
den jetzt, wo die Gefilde um die heilige Burg des Dardanus, die
am Fuße des quellenreichen Ida die 3000 Stuten nährten **)? Wer
möchte jetzt noch vom „wogendrängenden Xanthos ***) reden“?
Wer würde jetzt noch die „roſſenährende Argos“ begreifen?

Ich ſchließe dieſe Skitze, wenn auch nicht den Worten, doch dem
Gedankengange eines der edelſten Veteranen unſerer Wiſſenſchaft,
des ehrwürdigen Elias Fries in Lund, folgend.

Ein breiter Streifen verwüſteten Landes folgt allmälig den Schrit-
ten der Cultur. Wenn ſie ſich ausbreitet ſtirbt ihre Mitte und ihre
Wiege ab und nur im äußerſten Umfang finden ſich ihre grünenden
Zweige. Aber nicht unmöglich, nur ſchwer iſt, daß der Menſch, ohne
auf die Vortheile der Cultur ſelbſt zu verzichten, den Schaden dereinſt
wieder gut mache, den er angeſtiftet; er iſt zum Herrn der Schöpfung
beſtimmt. Wahr iſt es, Dornen und Diſteln, häßliche und giftige

*) Nelumbium speciosum.
**) Homers Iliade 20.
***) Homers
Iliade 12, 310.
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[282/0298] angehäuften Schneemaſſen über die Stätten der erſchreckten Menſchen ausſchütten. — Wenn der fortſchreitenden Lichtung und Zerſtörung der Wälder anfänglich größere Wärme, ſüdlicheres Clima, üppigeres Gedeihen zarterer Pflanzen folgt, ſo zieht hinter dieſem erwünſchten Zuſtande doch auch bald ein anderer her, welcher die Bewohnbarkeit einer Gegend eben ſo ſehr und vielleicht in noch engere Grenzen als früher zurückdrängt. Kein Pythagoras brauchte jetzt in Aegypten ſeinen Schülern den Genuß der Bohne *) zu verbieten, längſt iſt das Land unfähig geworden ſie hervorzubringen. Der Wein von Men- des und Moreotis, der die Gäſte der Kleopatra begeiſterte, den ſelbſt Horaz noch rühmte, er wächſt nicht mehr. Kein Mör- der findet mehr den heiligen Fichtenhain des Poſeidon, um ſich zu verbergen und dem zu dem Feſte heranziehenden Sänger aufzulauern. Die Pinie hat ſich längſt vor dem eindringenden Wüſtenclima auf die Höhen der arcadiſchen Gebirge zurückgezogen. Wo ſind die Wei- den jetzt, wo die Gefilde um die heilige Burg des Dardanus, die am Fuße des quellenreichen Ida die 3000 Stuten nährten **)? Wer möchte jetzt noch vom „wogendrängenden Xanthos ***) reden“? Wer würde jetzt noch die „roſſenährende Argos“ begreifen? Ich ſchließe dieſe Skitze, wenn auch nicht den Worten, doch dem Gedankengange eines der edelſten Veteranen unſerer Wiſſenſchaft, des ehrwürdigen Elias Fries in Lund, folgend. Ein breiter Streifen verwüſteten Landes folgt allmälig den Schrit- ten der Cultur. Wenn ſie ſich ausbreitet ſtirbt ihre Mitte und ihre Wiege ab und nur im äußerſten Umfang finden ſich ihre grünenden Zweige. Aber nicht unmöglich, nur ſchwer iſt, daß der Menſch, ohne auf die Vortheile der Cultur ſelbſt zu verzichten, den Schaden dereinſt wieder gut mache, den er angeſtiftet; er iſt zum Herrn der Schöpfung beſtimmt. Wahr iſt es, Dornen und Diſteln, häßliche und giftige *) Nelumbium speciosum. **) Homers Iliade 20. ***) Homers Iliade 12, 310.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/298>, abgerufen am 22.11.2024.