mittelt zuletzt Erfolge, die ihn selbst überraschen, weil er augenblicklich die erst allmälig eintretenden Folgen bei seinen Handlungen nicht bemerkte, noch, durch die nöthigen Kenntnisse geleitet, das Endresultat vorhersah.
Ueberall fast finden sich in den großen Zügen, mit denen die Natur ihre Chronik schreibt, in versteinerten Wäldern, Braunkohlenlagern und so weiter, oder selbst in den kleinen Aufzeichnungen der Menschen, z. B. in den Urkunden des alten Testaments, Nachweise oder doch Andeutungen, daß jene Länder, die jetzt baum- und wasserarme Wüsten sind, ein Theil Aegyptens, Syriens, Persiens und so weiter, früher stark bewaldete, von großen jetzt versiegten oder doch verkümmerten Strö- men durchzogene fruchtbare Länder waren, während jetzt die dörrende Gluth der Sonne und besonders der Wassermangel, nur einer spärlichen Bevölkerung zu leben gestattet. Im Gegensatz dazu, wie muß nicht ein fröhlicher Zecher, der vom Johannisberg aus den Rheingau über- blickt und dem edelsten der deutschen Ströme ein Hoch in Rüdesheimer bringt, lächeln, wenn er sich des Ausspruchs des Tacitus erinnert, daß am Rhein nie eine Kirsche, viel weniger ein Traube reifen könne. Und fragen wir nach der Vermittlung dieser mächtigen Veränderun- gen, so werden wir auf das Verschwinden der Wälder gewiesen. Mit dem sorglosen Vernichten des Baumwuchses greift der Mensch mäch- tig verändernd in die natürlichsten Verhältnisse eines Landes ein. Wohl können wir jetzt am Rhein einen der edelsten Weine bauen, wo vor zweitausend Jahren noch keine Kirsche reifte, aber dagegen sind jetzt auch da, wo die dichte Bevölkerung der Juden von einer üppigen Cultur ernährt wurde, halbe Wüsten. Der eine feuchte Atmosphäre erfordernde Kleebau hat sich von Griechenland nach Italien, von dort nach Süddeutschland gezogen und fängt schon jetzt an jene immer trockner werdenden Sommer zu fliehn und sich auf den feuchteren Nor- den zu beschränken. Flüsse, die sonst im ganzen Jahre in gleichmäßiger Fülle ihren Seegen spendeten, lassen jetzt im Sommer die lechzende Flur verdursten, während sie im Frühjahr plötzlich die im Winter
mittelt zuletzt Erfolge, die ihn ſelbſt überraſchen, weil er augenblicklich die erſt allmälig eintretenden Folgen bei ſeinen Handlungen nicht bemerkte, noch, durch die nöthigen Kenntniſſe geleitet, das Endreſultat vorherſah.
Ueberall faſt finden ſich in den großen Zügen, mit denen die Natur ihre Chronik ſchreibt, in verſteinerten Wäldern, Braunkohlenlagern und ſo weiter, oder ſelbſt in den kleinen Aufzeichnungen der Menſchen, z. B. in den Urkunden des alten Teſtaments, Nachweiſe oder doch Andeutungen, daß jene Länder, die jetzt baum- und waſſerarme Wüſten ſind, ein Theil Aegyptens, Syriens, Perſiens und ſo weiter, früher ſtark bewaldete, von großen jetzt verſiegten oder doch verkümmerten Strö- men durchzogene fruchtbare Länder waren, während jetzt die dörrende Gluth der Sonne und beſonders der Waſſermangel, nur einer ſpärlichen Bevölkerung zu leben geſtattet. Im Gegenſatz dazu, wie muß nicht ein fröhlicher Zecher, der vom Johannisberg aus den Rheingau über- blickt und dem edelſten der deutſchen Ströme ein Hoch in Rüdesheimer bringt, lächeln, wenn er ſich des Ausſpruchs des Tacitus erinnert, daß am Rhein nie eine Kirſche, viel weniger ein Traube reifen könne. Und fragen wir nach der Vermittlung dieſer mächtigen Veränderun- gen, ſo werden wir auf das Verſchwinden der Wälder gewieſen. Mit dem ſorgloſen Vernichten des Baumwuchſes greift der Menſch mäch- tig verändernd in die natürlichſten Verhältniſſe eines Landes ein. Wohl können wir jetzt am Rhein einen der edelſten Weine bauen, wo vor zweitauſend Jahren noch keine Kirſche reifte, aber dagegen ſind jetzt auch da, wo die dichte Bevölkerung der Juden von einer üppigen Cultur ernährt wurde, halbe Wüſten. Der eine feuchte Atmoſphäre erfordernde Kleebau hat ſich von Griechenland nach Italien, von dort nach Süddeutſchland gezogen und fängt ſchon jetzt an jene immer trockner werdenden Sommer zu fliehn und ſich auf den feuchteren Nor- den zu beſchränken. Flüſſe, die ſonſt im ganzen Jahre in gleichmäßiger Fülle ihren Seegen ſpendeten, laſſen jetzt im Sommer die lechzende Flur verdurſten, während ſie im Frühjahr plötzlich die im Winter
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mittelt zuletzt Erfolge, die ihn ſelbſt überraſchen, weil er augenblicklich
die erſt allmälig eintretenden Folgen bei ſeinen Handlungen nicht
bemerkte, noch, durch die nöthigen Kenntniſſe geleitet, das Endreſultat
vorherſah.
Ueberall faſt finden ſich in den großen Zügen, mit denen die Natur
ihre Chronik ſchreibt, in verſteinerten Wäldern, Braunkohlenlagern
und ſo weiter, oder ſelbſt in den kleinen Aufzeichnungen der Menſchen,
z. B. in den Urkunden des alten Teſtaments, Nachweiſe oder doch
Andeutungen, daß jene Länder, die jetzt baum- und waſſerarme Wüſten
ſind, ein Theil Aegyptens, Syriens, Perſiens und ſo weiter, früher ſtark
bewaldete, von großen jetzt verſiegten oder doch verkümmerten Strö-
men durchzogene fruchtbare Länder waren, während jetzt die dörrende
Gluth der Sonne und beſonders der Waſſermangel, nur einer ſpärlichen
Bevölkerung zu leben geſtattet. Im Gegenſatz dazu, wie muß nicht
ein fröhlicher Zecher, der vom Johannisberg aus den Rheingau über-
blickt und dem edelſten der deutſchen Ströme ein Hoch in Rüdesheimer
bringt, lächeln, wenn er ſich des Ausſpruchs des Tacitus erinnert,
daß am Rhein nie eine Kirſche, viel weniger ein Traube reifen könne.
Und fragen wir nach der Vermittlung dieſer mächtigen Veränderun-
gen, ſo werden wir auf das Verſchwinden der Wälder gewieſen. Mit
dem ſorgloſen Vernichten des Baumwuchſes greift der Menſch mäch-
tig verändernd in die natürlichſten Verhältniſſe eines Landes ein.
Wohl können wir jetzt am Rhein einen der edelſten Weine bauen,
wo vor zweitauſend Jahren noch keine Kirſche reifte, aber dagegen ſind
jetzt auch da, wo die dichte Bevölkerung der Juden von einer üppigen
Cultur ernährt wurde, halbe Wüſten. Der eine feuchte Atmoſphäre
erfordernde Kleebau hat ſich von Griechenland nach Italien, von dort
nach Süddeutſchland gezogen und fängt ſchon jetzt an jene immer
trockner werdenden Sommer zu fliehn und ſich auf den feuchteren Nor-
den zu beſchränken. Flüſſe, die ſonſt im ganzen Jahre in gleichmäßiger
Fülle ihren Seegen ſpendeten, laſſen jetzt im Sommer die lechzende
Flur verdurſten, während ſie im Frühjahr plötzlich die im Winter
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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