lilienähnlichen Encriniten und Pentacriniten gaben der Was- serfauna eine reiche Mannigfaltigkeit. Ueberall auf der ganzen Erde ist jene Flora dieselbe, von den jetzt eisigen Klüften Islands, bis zur glühenden Küste von Malabar. -- Lange muß diese Vege- tation gedauert haben, oft muß der von den Resten der abgestorbenen Pflanzen mit dicker Humusschicht bedeckte Boden wieder unter den Meeresspiegel versunken und mit einer Schicht von Absätzen überdeckt und dann aufs Neue emporgestiegen seyn, um einer gleichen und gleich üppigen Vegetation neuen Boden zu gönnen, denn diese Vegetation ist es, welche die unberechenbar großen, halbzerstörten, vegetabilischen Massen zurückgelassen hat, die als Steinkohle jetzt fast einen der wesentlichsten Theile des natürlichen Reichthums eines Landes aus- machen. Wir finden oft 20 bis 30 Lager von Steinkohlen über- einander, immer durch Schichten von Meerthiere einschließende Kalkabsätze getrennt. Wir finden oft in solchen Steinkohlenlagern noch die aufrechten Stämme ganzer Wälder, beweisend, daß das ganze Land mit seiner Vegetation langsam und ohne bedeutende Revo- lution unter die Meeresfläche herabgesunken ist, wie Aehnliches noch jetzt an der Südwestküste von Nordamerica vorgeht; ja wir finden solche Stämme nach unten mit ihren Wurzeln in die Steinkohle, das heißt in den humusreichen Boden, der sie nährte, versenkt, während ihr oberer Theil von der später auf den Boden abgelagerten Kalkschicht eingehüllt ist. Wenn man bedenkt, daß bei der üppigsten Vege- tation der Tropen die Bildung einer 9 Zoll dicken Humusschicht fast ein Jahrhundert erfordert, daß diese Schicht, um zu Steinkohle zu werden, auf den 27sten Theil ihrer Dicke zusammengepreßt werden muß, so kann man sich einen ungefähren Begriff von der Dauer jener Periode machen, da die übereinander liegenden Kohlenlager in Eng- land z. B. oft eine Gesammtmächtigkeit von 44 Fuß haben, also einem Zeitraume von fast 100,000 Jahren entsprechen würden. -- Der Character der Pflanzenwelt der Steinkohlenperiode in dem Vor- herrschen großer baumartiger Kryptogamen besonders der Farnkräuter ausgesprochen, erinnert am meisten an die Flora der tropischen Süd-
lilienähnlichen Encriniten und Pentacriniten gaben der Waſ- ſerfauna eine reiche Mannigfaltigkeit. Ueberall auf der ganzen Erde iſt jene Flora dieſelbe, von den jetzt eiſigen Klüften Islands, bis zur glühenden Küſte von Malabar. — Lange muß dieſe Vege- tation gedauert haben, oft muß der von den Reſten der abgeſtorbenen Pflanzen mit dicker Humusſchicht bedeckte Boden wieder unter den Meeresſpiegel verſunken und mit einer Schicht von Abſätzen überdeckt und dann aufs Neue emporgeſtiegen ſeyn, um einer gleichen und gleich üppigen Vegetation neuen Boden zu gönnen, denn dieſe Vegetation iſt es, welche die unberechenbar großen, halbzerſtörten, vegetabiliſchen Maſſen zurückgelaſſen hat, die als Steinkohle jetzt faſt einen der weſentlichſten Theile des natürlichen Reichthums eines Landes aus- machen. Wir finden oft 20 bis 30 Lager von Steinkohlen über- einander, immer durch Schichten von Meerthiere einſchließende Kalkabſätze getrennt. Wir finden oft in ſolchen Steinkohlenlagern noch die aufrechten Stämme ganzer Wälder, beweiſend, daß das ganze Land mit ſeiner Vegetation langſam und ohne bedeutende Revo- lution unter die Meeresfläche herabgeſunken iſt, wie Aehnliches noch jetzt an der Südweſtküſte von Nordamerica vorgeht; ja wir finden ſolche Stämme nach unten mit ihren Wurzeln in die Steinkohle, das heißt in den humusreichen Boden, der ſie nährte, verſenkt, während ihr oberer Theil von der ſpäter auf den Boden abgelagerten Kalkſchicht eingehüllt iſt. Wenn man bedenkt, daß bei der üppigſten Vege- tation der Tropen die Bildung einer 9 Zoll dicken Humusſchicht faſt ein Jahrhundert erfordert, daß dieſe Schicht, um zu Steinkohle zu werden, auf den 27ſten Theil ihrer Dicke zuſammengepreßt werden muß, ſo kann man ſich einen ungefähren Begriff von der Dauer jener Periode machen, da die übereinander liegenden Kohlenlager in Eng- land z. B. oft eine Geſammtmächtigkeit von 44 Fuß haben, alſo einem Zeitraume von faſt 100,000 Jahren entſprechen würden. — Der Character der Pflanzenwelt der Steinkohlenperiode in dem Vor- herrſchen großer baumartiger Kryptogamen beſonders der Farnkräuter ausgeſprochen, erinnert am meiſten an die Flora der tropiſchen Süd-
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lilienähnlichen Encriniten und Pentacriniten gaben der Waſ-
ſerfauna eine reiche Mannigfaltigkeit. Ueberall auf der ganzen
Erde iſt jene Flora dieſelbe, von den jetzt eiſigen Klüften Islands,
bis zur glühenden Küſte von Malabar. — Lange muß dieſe Vege-
tation gedauert haben, oft muß der von den Reſten der abgeſtorbenen
Pflanzen mit dicker Humusſchicht bedeckte Boden wieder unter den
Meeresſpiegel verſunken und mit einer Schicht von Abſätzen überdeckt
und dann aufs Neue emporgeſtiegen ſeyn, um einer gleichen und gleich
üppigen Vegetation neuen Boden zu gönnen, denn dieſe Vegetation
iſt es, welche die unberechenbar großen, halbzerſtörten, vegetabiliſchen
Maſſen zurückgelaſſen hat, die als Steinkohle jetzt faſt einen der
weſentlichſten Theile des natürlichen Reichthums eines Landes aus-
machen. Wir finden oft 20 bis 30 Lager von Steinkohlen über-
einander, immer durch Schichten von Meerthiere einſchließende
Kalkabſätze getrennt. Wir finden oft in ſolchen Steinkohlenlagern
noch die aufrechten Stämme ganzer Wälder, beweiſend, daß das
ganze Land mit ſeiner Vegetation langſam und ohne bedeutende Revo-
lution unter die Meeresfläche herabgeſunken iſt, wie Aehnliches noch
jetzt an der Südweſtküſte von Nordamerica vorgeht; ja wir finden
ſolche Stämme nach unten mit ihren Wurzeln in die Steinkohle, das
heißt in den humusreichen Boden, der ſie nährte, verſenkt, während ihr
oberer Theil von der ſpäter auf den Boden abgelagerten Kalkſchicht
eingehüllt iſt. Wenn man bedenkt, daß bei der üppigſten Vege-
tation der Tropen die Bildung einer 9 Zoll dicken Humusſchicht faſt
ein Jahrhundert erfordert, daß dieſe Schicht, um zu Steinkohle
zu werden, auf den 27ſten Theil ihrer Dicke zuſammengepreßt werden
muß, ſo kann man ſich einen ungefähren Begriff von der Dauer jener
Periode machen, da die übereinander liegenden Kohlenlager in Eng-
land z. B. oft eine Geſammtmächtigkeit von 44 Fuß haben, alſo einem
Zeitraume von faſt 100,000 Jahren entſprechen würden. — Der
Character der Pflanzenwelt der Steinkohlenperiode in dem Vor-
herrſchen großer baumartiger Kryptogamen beſonders der Farnkräuter
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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