lung bauen einige daneben noch die Tarroo-Wurzel*), die Tacca- knollen**), oder einige Farnkräuter***), deren mehlreiche Blatt- stiele zur wohlschmeckenden Speise dienen. Soll ich endlich noch die Kartoffel erwähnen, die sich von den Gebirgen der neuen Welt mit solcher Schnelligkeit über die ganze Erde verbreitet hat, daß sie an manchen Orten nicht eben zum Vortheil der Menschen jede andere Cultur zu verdrängen droht. Nur ein Theil ihres Vaterlandes selbst, nämlich Mexico, ist freigeblieben und baut nur in neuester Zeit wenige schlechte Knollen an den Küstenorten, um den verwöhnten euro- päischen Gästen ihre, man kann mit seltsamer Verkehrung der Begriffe sagen, vaterländische Speise vorzusetzen. Wozu bedurfte auch ein Land der Kartoffel, in welchem die vielleicht tausendjährige Cultur den Boden so wenig erschöpft hat, daß nach weniger Arbeit eine schlechte Maiserndte 200fältigen Ertrag liefert, der sich in guten Jahren auf das 600fache steigert.
Und wir, die wir uns schmeicheln große Landwirthe zu seyn, die wir ackern, düngen und säen mit den sinnreichsten Maschinen, bilden uns ein, Großes gewirkt zu haben, wenn wir ein zwölffaches Korn erndten. Selbst dieses verdanken wir nicht unserer Kunst, der wir es so gern zuschreiben möchten. Der am schlechtesten bestellte Boden bringt in einem günstigen Jahre reichere Erndte, als wir dem besten Boden mit allem Culturfleiß in dem ungünstigsten Jahre abzwingen können. Wahrlich, nur wer mit beschränktem Blick an der Scholle kleben bleibt, die sein Pflug aufgeworfen, kann noch das Gefühl der Bedeutsamkeit menschlicher Thätigkeit in seiner Brust bewahren. Wer den freien Blick über das Rund der Erde schweifen läßt, und im Großen das Spiel der wirkenden Kräfte überblickt, der lächelt des grabenden, schleppenden, geschäftigen, keuchenden Ameisenhaufens, den wir Menschheit nennen und der mit aller seiner eingebildeten Weis- heit nicht im Stande ist, die kleinste Wirkung der Gesetze zu ändern, welche die tyrannische Riesin Natur ihren Sclaven vorgeschrieben.
*)Arum esculentum.
**)Tacca pinnatifida.
***)Aerostichum furca- tum, Pteris esculenta u. a.
lung bauen einige daneben noch die Tarroo-Wurzel*), die Tacca- knollen**), oder einige Farnkräuter***), deren mehlreiche Blatt- ſtiele zur wohlſchmeckenden Speiſe dienen. Soll ich endlich noch die Kartoffel erwähnen, die ſich von den Gebirgen der neuen Welt mit ſolcher Schnelligkeit über die ganze Erde verbreitet hat, daß ſie an manchen Orten nicht eben zum Vortheil der Menſchen jede andere Cultur zu verdrängen droht. Nur ein Theil ihres Vaterlandes ſelbſt, nämlich Mexico, iſt freigeblieben und baut nur in neueſter Zeit wenige ſchlechte Knollen an den Küſtenorten, um den verwöhnten euro- päiſchen Gäſten ihre, man kann mit ſeltſamer Verkehrung der Begriffe ſagen, vaterländiſche Speiſe vorzuſetzen. Wozu bedurfte auch ein Land der Kartoffel, in welchem die vielleicht tauſendjährige Cultur den Boden ſo wenig erſchöpft hat, daß nach weniger Arbeit eine ſchlechte Maiserndte 200fältigen Ertrag liefert, der ſich in guten Jahren auf das 600fache ſteigert.
Und wir, die wir uns ſchmeicheln große Landwirthe zu ſeyn, die wir ackern, düngen und ſäen mit den ſinnreichſten Maſchinen, bilden uns ein, Großes gewirkt zu haben, wenn wir ein zwölffaches Korn erndten. Selbſt dieſes verdanken wir nicht unſerer Kunſt, der wir es ſo gern zuſchreiben möchten. Der am ſchlechteſten beſtellte Boden bringt in einem günſtigen Jahre reichere Erndte, als wir dem beſten Boden mit allem Culturfleiß in dem ungünſtigſten Jahre abzwingen können. Wahrlich, nur wer mit beſchränktem Blick an der Scholle kleben bleibt, die ſein Pflug aufgeworfen, kann noch das Gefühl der Bedeutſamkeit menſchlicher Thätigkeit in ſeiner Bruſt bewahren. Wer den freien Blick über das Rund der Erde ſchweifen läßt, und im Großen das Spiel der wirkenden Kräfte überblickt, der lächelt des grabenden, ſchleppenden, geſchäftigen, keuchenden Ameiſenhaufens, den wir Menſchheit nennen und der mit aller ſeiner eingebildeten Weis- heit nicht im Stande iſt, die kleinſte Wirkung der Geſetze zu ändern, welche die tyranniſche Rieſin Natur ihren Sclaven vorgeſchrieben.
*)Arum esculentum.
**)Tacca pinnatifida.
***)Aerostichum furca- tum, Pteris esculenta u. a.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0264"n="248"/>
lung bauen einige daneben noch die <hirendition="#g">Tarroo-Wurzel</hi><noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Arum esculentum.</hi></note>, die <hirendition="#g">Tacca-<lb/>
knollen</hi><noteplace="foot"n="**)"><hirendition="#aq">Tacca pinnatifida.</hi></note>, oder einige <hirendition="#g">Farnkräuter</hi><noteplace="foot"n="***)"><hirendition="#aq">Aerostichum furca-<lb/>
tum, Pteris esculenta</hi> u. a.</note>, deren mehlreiche Blatt-<lb/>ſtiele zur wohlſchmeckenden Speiſe dienen. Soll ich endlich noch die<lb/><hirendition="#g">Kartoffel</hi> erwähnen, die ſich von den Gebirgen der neuen Welt<lb/>
mit ſolcher Schnelligkeit über die ganze Erde verbreitet hat, daß ſie<lb/>
an manchen Orten nicht eben zum Vortheil der Menſchen jede andere<lb/>
Cultur zu verdrängen droht. Nur ein Theil ihres Vaterlandes ſelbſt,<lb/>
nämlich <hirendition="#g">Mexico</hi>, iſt freigeblieben und baut nur in neueſter Zeit<lb/>
wenige ſchlechte Knollen an den Küſtenorten, um den verwöhnten euro-<lb/>
päiſchen Gäſten ihre, man kann mit ſeltſamer Verkehrung der Begriffe<lb/>ſagen, vaterländiſche Speiſe vorzuſetzen. Wozu bedurfte auch ein Land<lb/>
der Kartoffel, in welchem die vielleicht tauſendjährige Cultur den<lb/>
Boden ſo wenig erſchöpft hat, daß nach weniger Arbeit eine ſchlechte<lb/>
Maiserndte 200fältigen Ertrag liefert, der ſich in guten Jahren auf<lb/>
das 600fache ſteigert.</p><lb/><p>Und wir, die wir uns ſchmeicheln große Landwirthe zu ſeyn, die<lb/>
wir ackern, düngen und ſäen mit den ſinnreichſten Maſchinen, bilden<lb/>
uns ein, Großes gewirkt zu haben, wenn wir ein zwölffaches Korn<lb/>
erndten. Selbſt dieſes verdanken wir nicht unſerer Kunſt, der wir<lb/>
es ſo gern zuſchreiben möchten. Der am ſchlechteſten beſtellte Boden<lb/>
bringt in einem günſtigen Jahre reichere Erndte, als wir dem beſten<lb/>
Boden mit allem Culturfleiß in dem ungünſtigſten Jahre abzwingen<lb/>
können. Wahrlich, nur wer mit beſchränktem Blick an der Scholle<lb/>
kleben bleibt, die ſein Pflug aufgeworfen, kann noch das Gefühl der<lb/>
Bedeutſamkeit menſchlicher Thätigkeit in ſeiner Bruſt bewahren. Wer<lb/>
den freien Blick über das Rund der Erde ſchweifen läßt, und im<lb/>
Großen das Spiel der wirkenden Kräfte überblickt, der lächelt des<lb/>
grabenden, ſchleppenden, geſchäftigen, keuchenden Ameiſenhaufens,<lb/>
den wir Menſchheit nennen und der mit aller ſeiner eingebildeten Weis-<lb/>
heit nicht im Stande iſt, die kleinſte Wirkung der Geſetze zu ändern,<lb/>
welche die tyranniſche Rieſin Natur ihren Sclaven vorgeſchrieben.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[248/0264]
lung bauen einige daneben noch die Tarroo-Wurzel *), die Tacca-
knollen **), oder einige Farnkräuter ***), deren mehlreiche Blatt-
ſtiele zur wohlſchmeckenden Speiſe dienen. Soll ich endlich noch die
Kartoffel erwähnen, die ſich von den Gebirgen der neuen Welt
mit ſolcher Schnelligkeit über die ganze Erde verbreitet hat, daß ſie
an manchen Orten nicht eben zum Vortheil der Menſchen jede andere
Cultur zu verdrängen droht. Nur ein Theil ihres Vaterlandes ſelbſt,
nämlich Mexico, iſt freigeblieben und baut nur in neueſter Zeit
wenige ſchlechte Knollen an den Küſtenorten, um den verwöhnten euro-
päiſchen Gäſten ihre, man kann mit ſeltſamer Verkehrung der Begriffe
ſagen, vaterländiſche Speiſe vorzuſetzen. Wozu bedurfte auch ein Land
der Kartoffel, in welchem die vielleicht tauſendjährige Cultur den
Boden ſo wenig erſchöpft hat, daß nach weniger Arbeit eine ſchlechte
Maiserndte 200fältigen Ertrag liefert, der ſich in guten Jahren auf
das 600fache ſteigert.
Und wir, die wir uns ſchmeicheln große Landwirthe zu ſeyn, die
wir ackern, düngen und ſäen mit den ſinnreichſten Maſchinen, bilden
uns ein, Großes gewirkt zu haben, wenn wir ein zwölffaches Korn
erndten. Selbſt dieſes verdanken wir nicht unſerer Kunſt, der wir
es ſo gern zuſchreiben möchten. Der am ſchlechteſten beſtellte Boden
bringt in einem günſtigen Jahre reichere Erndte, als wir dem beſten
Boden mit allem Culturfleiß in dem ungünſtigſten Jahre abzwingen
können. Wahrlich, nur wer mit beſchränktem Blick an der Scholle
kleben bleibt, die ſein Pflug aufgeworfen, kann noch das Gefühl der
Bedeutſamkeit menſchlicher Thätigkeit in ſeiner Bruſt bewahren. Wer
den freien Blick über das Rund der Erde ſchweifen läßt, und im
Großen das Spiel der wirkenden Kräfte überblickt, der lächelt des
grabenden, ſchleppenden, geſchäftigen, keuchenden Ameiſenhaufens,
den wir Menſchheit nennen und der mit aller ſeiner eingebildeten Weis-
heit nicht im Stande iſt, die kleinſte Wirkung der Geſetze zu ändern,
welche die tyranniſche Rieſin Natur ihren Sclaven vorgeſchrieben.
*) Arum esculentum.
**) Tacca pinnatifida.
***) Aerostichum furca-
tum, Pteris esculenta u. a.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/264>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.