noch weiter in die mittlere Temperatur der einzelnen Monate aufzu- lösen, denn die halbjährigen Abschnitte sind noch viel zu groß, um eine genauere Vergleichung mit den Vegetationsperioden der Pflanze zuzulassen. Sehr wahrscheinlich wird es auch nicht allein darauf an- kommen, welche Temperatur die Pflanze überhaupt während ihrer Vegetationszeit empfängt, sondern auch wesentlich darauf, wie diese Temperatur auf die Zeit des Keimens, Wachsens, Blühens und Früchtereifens vertheilt ist. Hier wie überall sieht der tiefer eindrin- gende Naturforscher noch unendliche Arbeit vor sich und nur der un- wissende Schwätzer glaubt schon etwas zu wissen, weil sein blödes Auge nicht weiter reicht als das Buch, aus welchem er so eben müh- sam sein Krümchen Weisheit gesammelt. --
Schon in frühern Vorträgen sind wenigstens die Hauptpuncte berührt, von denen das Leben der Pflanzen, von deren Verschieden- heit auf der Erde also auch die Verschiedenheit der Vegetation ab- hängt. Das erklärliche Leben der Pflanze ist Bildung organischen Stoffes aus unorganischen Verbindungen. Abhängig ist also die Pflanze von der Bodenbeschaffenheit im weitern Sinne des Wortes, von ihrem Nahrungsvorrath und von Allem was den chemischen Pro- ceß der Bildung selbst bedingt, also vorzugsweise von einer bestimm- ten Temperatur. Nachdem ich die Temperaturverhältnisse im Vori- gen berührt, will ich hier noch kurz den Einfluß des Bodens näher betrachten. Man unterscheidet zwar gewöhnlich sehr verschiedene so- genannte Standorte der Pflanzen, aber ohne dieselben eigentlich nach physiologischen Grundlagen bestimmt zu haben. Das allgemeine un- entbehrliche Nahrungsmittel der Pflanze und zugleich der Stoff, durch welchen alle übrigen in die Pflanze eingeführt werden, ist das Wasser. Ohne Wasser giebt es keine Vegetation. Dies Element der Alten bietet sich der Pflanze in drei verschiedenen Formen dar und danach vor allen Dingen müssen wir die Standorte der Pflanzen unterschei- den. Die Orchideen der tropischen Wälder lassen ihre eigenthümlich gebaute Wurzel von dem Ast, auf dem sie kleben, in die feuchtwarme Atmosphäre hineinhängen und saugen das Wasser in Dunstform
noch weiter in die mittlere Temperatur der einzelnen Monate aufzu- löſen, denn die halbjährigen Abſchnitte ſind noch viel zu groß, um eine genauere Vergleichung mit den Vegetationsperioden der Pflanze zuzulaſſen. Sehr wahrſcheinlich wird es auch nicht allein darauf an- kommen, welche Temperatur die Pflanze überhaupt während ihrer Vegetationszeit empfängt, ſondern auch weſentlich darauf, wie dieſe Temperatur auf die Zeit des Keimens, Wachſens, Blühens und Früchtereifens vertheilt iſt. Hier wie überall ſieht der tiefer eindrin- gende Naturforſcher noch unendliche Arbeit vor ſich und nur der un- wiſſende Schwätzer glaubt ſchon etwas zu wiſſen, weil ſein blödes Auge nicht weiter reicht als das Buch, aus welchem er ſo eben müh- ſam ſein Krümchen Weisheit geſammelt. —
Schon in frühern Vorträgen ſind wenigſtens die Hauptpuncte berührt, von denen das Leben der Pflanzen, von deren Verſchieden- heit auf der Erde alſo auch die Verſchiedenheit der Vegetation ab- hängt. Das erklärliche Leben der Pflanze iſt Bildung organiſchen Stoffes aus unorganiſchen Verbindungen. Abhängig iſt alſo die Pflanze von der Bodenbeſchaffenheit im weitern Sinne des Wortes, von ihrem Nahrungsvorrath und von Allem was den chemiſchen Pro- ceß der Bildung ſelbſt bedingt, alſo vorzugsweiſe von einer beſtimm- ten Temperatur. Nachdem ich die Temperaturverhältniſſe im Vori- gen berührt, will ich hier noch kurz den Einfluß des Bodens näher betrachten. Man unterſcheidet zwar gewöhnlich ſehr verſchiedene ſo- genannte Standorte der Pflanzen, aber ohne dieſelben eigentlich nach phyſiologiſchen Grundlagen beſtimmt zu haben. Das allgemeine un- entbehrliche Nahrungsmittel der Pflanze und zugleich der Stoff, durch welchen alle übrigen in die Pflanze eingeführt werden, iſt das Waſſer. Ohne Waſſer giebt es keine Vegetation. Dies Element der Alten bietet ſich der Pflanze in drei verſchiedenen Formen dar und danach vor allen Dingen müſſen wir die Standorte der Pflanzen unterſchei- den. Die Orchideen der tropiſchen Wälder laſſen ihre eigenthümlich gebaute Wurzel von dem Aſt, auf dem ſie kleben, in die feuchtwarme Atmoſphäre hineinhängen und ſaugen das Waſſer in Dunſtform
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noch weiter in die mittlere Temperatur der einzelnen Monate aufzu-
löſen, denn die halbjährigen Abſchnitte ſind noch viel zu groß, um
eine genauere Vergleichung mit den Vegetationsperioden der Pflanze
zuzulaſſen. Sehr wahrſcheinlich wird es auch nicht allein darauf an-
kommen, welche Temperatur die Pflanze überhaupt während ihrer
Vegetationszeit empfängt, ſondern auch weſentlich darauf, wie dieſe
Temperatur auf die Zeit des Keimens, Wachſens, Blühens und
Früchtereifens vertheilt iſt. Hier wie überall ſieht der tiefer eindrin-
gende Naturforſcher noch unendliche Arbeit vor ſich und nur der un-
wiſſende Schwätzer glaubt ſchon etwas zu wiſſen, weil ſein blödes
Auge nicht weiter reicht als das Buch, aus welchem er ſo eben müh-
ſam ſein Krümchen Weisheit geſammelt. —
Schon in frühern Vorträgen ſind wenigſtens die Hauptpuncte
berührt, von denen das Leben der Pflanzen, von deren Verſchieden-
heit auf der Erde alſo auch die Verſchiedenheit der Vegetation ab-
hängt. Das erklärliche Leben der Pflanze iſt Bildung organiſchen
Stoffes aus unorganiſchen Verbindungen. Abhängig iſt alſo die
Pflanze von der Bodenbeſchaffenheit im weitern Sinne des Wortes,
von ihrem Nahrungsvorrath und von Allem was den chemiſchen Pro-
ceß der Bildung ſelbſt bedingt, alſo vorzugsweiſe von einer beſtimm-
ten Temperatur. Nachdem ich die Temperaturverhältniſſe im Vori-
gen berührt, will ich hier noch kurz den Einfluß des Bodens näher
betrachten. Man unterſcheidet zwar gewöhnlich ſehr verſchiedene ſo-
genannte Standorte der Pflanzen, aber ohne dieſelben eigentlich nach
phyſiologiſchen Grundlagen beſtimmt zu haben. Das allgemeine un-
entbehrliche Nahrungsmittel der Pflanze und zugleich der Stoff, durch
welchen alle übrigen in die Pflanze eingeführt werden, iſt das Waſſer.
Ohne Waſſer giebt es keine Vegetation. Dies Element der Alten
bietet ſich der Pflanze in drei verſchiedenen Formen dar und danach
vor allen Dingen müſſen wir die Standorte der Pflanzen unterſchei-
den. Die Orchideen der tropiſchen Wälder laſſen ihre eigenthümlich
gebaute Wurzel von dem Aſt, auf dem ſie kleben, in die feuchtwarme
Atmoſphäre hineinhängen und ſaugen das Waſſer in Dunſtform
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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