bessern Rasen fesselte eine freundliche Erinnerung an die ferne Hei- math, die einzige in diesem fremdartigen Lande, meine Blicke und eben bückte ich mich um dankbar das einsame kleine Marienblümchen zu pflücken, als ein lauter Hülferuf mit Geschrei und Flüchen gemischt, mein Ohr traf. Ich eilte nach dem Orte hin, woher die in dieser Wildniß überraschenden Töne zu kommen schienen und war nicht wenig erstaunt über das was ich entdeckte. In der Mitte eines Was- sertümpfels stand ein feister männlicher Känguruh 7 Fuß hoch auf- recht auf seinen Hinterfüßen und am Ufer vor ihm lag ein zerfleisch- ter, aus vielen Wunden blutender Hund. Ich griff zur Flinte und legte an, als meine Aufmerksamkeit abgelenkt wurde durch das Antlitz eines Menschen, welcher zerkratzt und blutig sich zwischen den Binsen des Ufers zeigte. Sogleich sprang ich zu Hülfe, aber während ich den Menschen aus dem Schlamm hervorzog hatte der "alte Mann*)" sein Heil in der Flucht gesucht und war unsern Blicken entschwunden. Die Wunden des unglücklichen Jägers waren zum Glück weniger ge- fährlich als sie aussahen und er hatte sich bald erholt, so daß er mir seine Abentheuer erzählen konnte. Frühmorgens hatte er sich ohne Flinte, nur von seinen Hunden begleitet, auf die Känguruhjagd bege- ben. Bald hatten die Hunde ein Rudel aufgespürt und verfolgt, aber nur einer derselben war zu seinem Herrn zurückgekehrt. Nichtsdesto- weniger hatte er seinen Waidgang fortgesetzt und bald den "alten Mann" aufgetrieben, auf den er seinen Hund anhetzte. Das alte kluge Thier aber statt zu fliehen, stellte sich an jener Lache und hielt sich mit den Vorderpfoten den Hund vom Leibe. Um nicht müssig zu seyn versuchte der Jäger einen Angriff von Hinten durchs Wasser, aber das einmal gereizte Thier wendete sich auch gegen ihn, zerkratzte ihm das Gesicht und warf ihn rücklings in die Lache. -- Jedesmal, wenn er versucht hatte sich wieder zu erheben, drückte ihn der "alte Mann" wieder mit dem Kopf unter das Wasser, so daß er ohne meine Dazwischenkunft rettungslos ertrunken wäre. Inzwischen hatte das Thier wahrscheinlich den Hund bei einem erneuerten Angriff
*)Old man wird das männliche Känguruh von den Ansiedlern genannt.
beſſern Raſen feſſelte eine freundliche Erinnerung an die ferne Hei- math, die einzige in dieſem fremdartigen Lande, meine Blicke und eben bückte ich mich um dankbar das einſame kleine Marienblümchen zu pflücken, als ein lauter Hülferuf mit Geſchrei und Flüchen gemiſcht, mein Ohr traf. Ich eilte nach dem Orte hin, woher die in dieſer Wildniß überraſchenden Töne zu kommen ſchienen und war nicht wenig erſtaunt über das was ich entdeckte. In der Mitte eines Waſ- ſertümpfels ſtand ein feiſter männlicher Känguruh 7 Fuß hoch auf- recht auf ſeinen Hinterfüßen und am Ufer vor ihm lag ein zerfleiſch- ter, aus vielen Wunden blutender Hund. Ich griff zur Flinte und legte an, als meine Aufmerkſamkeit abgelenkt wurde durch das Antlitz eines Menſchen, welcher zerkratzt und blutig ſich zwiſchen den Binſen des Ufers zeigte. Sogleich ſprang ich zu Hülfe, aber während ich den Menſchen aus dem Schlamm hervorzog hatte der „alte Mann*)“ ſein Heil in der Flucht geſucht und war unſern Blicken entſchwunden. Die Wunden des unglücklichen Jägers waren zum Glück weniger ge- fährlich als ſie ausſahen und er hatte ſich bald erholt, ſo daß er mir ſeine Abentheuer erzählen konnte. Frühmorgens hatte er ſich ohne Flinte, nur von ſeinen Hunden begleitet, auf die Känguruhjagd bege- ben. Bald hatten die Hunde ein Rudel aufgeſpürt und verfolgt, aber nur einer derſelben war zu ſeinem Herrn zurückgekehrt. Nichtsdeſto- weniger hatte er ſeinen Waidgang fortgeſetzt und bald den „alten Mann“ aufgetrieben, auf den er ſeinen Hund anhetzte. Das alte kluge Thier aber ſtatt zu fliehen, ſtellte ſich an jener Lache und hielt ſich mit den Vorderpfoten den Hund vom Leibe. Um nicht müſſig zu ſeyn verſuchte der Jäger einen Angriff von Hinten durchs Waſſer, aber das einmal gereizte Thier wendete ſich auch gegen ihn, zerkratzte ihm das Geſicht und warf ihn rücklings in die Lache. — Jedesmal, wenn er verſucht hatte ſich wieder zu erheben, drückte ihn der „alte Mann“ wieder mit dem Kopf unter das Waſſer, ſo daß er ohne meine Dazwiſchenkunft rettungslos ertrunken wäre. Inzwiſchen hatte das Thier wahrſcheinlich den Hund bei einem erneuerten Angriff
*)Old man wird das männliche Känguruh von den Anſiedlern genannt.
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beſſern Raſen feſſelte eine freundliche Erinnerung an die ferne Hei-
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bückte ich mich um dankbar das einſame kleine Marienblümchen zu
pflücken, als ein lauter Hülferuf mit Geſchrei und Flüchen gemiſcht,
mein Ohr traf. Ich eilte nach dem Orte hin, woher die in dieſer
Wildniß überraſchenden Töne zu kommen ſchienen und war nicht
wenig erſtaunt über das was ich entdeckte. In der Mitte eines Waſ-
ſertümpfels ſtand ein feiſter männlicher Känguruh 7 Fuß hoch auf-
recht auf ſeinen Hinterfüßen und am Ufer vor ihm lag ein zerfleiſch-
ter, aus vielen Wunden blutender Hund. Ich griff zur Flinte und
legte an, als meine Aufmerkſamkeit abgelenkt wurde durch das Antlitz
eines Menſchen, welcher zerkratzt und blutig ſich zwiſchen den Binſen
des Ufers zeigte. Sogleich ſprang ich zu Hülfe, aber während ich
den Menſchen aus dem Schlamm hervorzog hatte der „alte Mann *)“
ſein Heil in der Flucht geſucht und war unſern Blicken entſchwunden.
Die Wunden des unglücklichen Jägers waren zum Glück weniger ge-
fährlich als ſie ausſahen und er hatte ſich bald erholt, ſo daß er mir
ſeine Abentheuer erzählen konnte. Frühmorgens hatte er ſich ohne
Flinte, nur von ſeinen Hunden begleitet, auf die Känguruhjagd bege-
ben. Bald hatten die Hunde ein Rudel aufgeſpürt und verfolgt, aber
nur einer derſelben war zu ſeinem Herrn zurückgekehrt. Nichtsdeſto-
weniger hatte er ſeinen Waidgang fortgeſetzt und bald den „alten
Mann“ aufgetrieben, auf den er ſeinen Hund anhetzte. Das alte
kluge Thier aber ſtatt zu fliehen, ſtellte ſich an jener Lache und hielt
ſich mit den Vorderpfoten den Hund vom Leibe. Um nicht müſſig zu
ſeyn verſuchte der Jäger einen Angriff von Hinten durchs Waſſer,
aber das einmal gereizte Thier wendete ſich auch gegen ihn, zerkratzte
ihm das Geſicht und warf ihn rücklings in die Lache. — Jedesmal,
wenn er verſucht hatte ſich wieder zu erheben, drückte ihn der „alte
Mann“ wieder mit dem Kopf unter das Waſſer, ſo daß er ohne
meine Dazwiſchenkunft rettungslos ertrunken wäre. Inzwiſchen hatte
das Thier wahrſcheinlich den Hund bei einem erneuerten Angriff
*) Old man wird das männliche Känguruh von den Anſiedlern genannt.
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/231>, abgerufen am 23.11.2024.
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