eröffnet sich uns ein neues Gebiet aber fast ein unbegrenztes. Soll ich die Gewerbe sämmtlich aufzählen, die ihr zu verarbeitendes Material dem Pflanzenreich entnehmen? Jeder mag nur in seinem Zimmer, in seinem Haushalt um sich blicken, um alsbald zu gewahren, wie zahlreicher Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens er entbehren müßte, wenn die Pflanzenwelt aufhörte ihm ihren Tribut zu entrichten. -- Sollen wir noch dazu die vielen Fächer und Büchsen der Officinen öffnen und sehen, welch' einen großen Schatz von Mitteln auch hier die irdische Vegetation beisteuert? Ein vollständiger Ueberblick gäbe nur ein trocknes Namenregister, eine ausführliche Betrachtung aller ein bändereiches Werk für sich. Wir lassen uns daher hier an einem Beispiele genügen, indem wir den Milchsaft der Pflanzen einmal näher in's Auge fassen. (VIII.)
Nicht an eine, nicht an wenige unter sich verwandte Pflanzen ist die Bildung des Milchsaftes geknüpft, sondern wir finden wenigstens drei größere Gruppen, welche vorzugsweise uns mit diesem interes- santen Stoffe versorgen. Die Zahl der einzelnen Arten von Pflanzen ist nämlich so groß, (vielleicht nach Schätzung einiger Gelehrten 200,000) daß man zur Ueberblickung dieser Masse wissenschaftliche Hülfsmittel, nämlich systematische Anordnung der einzelnen Gattun- gen nöthig hat. Zum Glück kommt uns die Natur auf halbem Wege entgegen. In der ganzen äußeren Erscheinungsweise, in der Zahl, der Anordnung und dem Bau der einzelnen Theile, in den Ge- setzen, nach denen die Entwicklung vor sich geht, zeigen nämlich größere Gruppen von Pflanzenarten eine große Uebereinstimmung in sich und unterscheiden sich eben dadurch von anderen Gruppen. Wer kann aufmerksam zur Zeit der Blüthe eine Mohrrübenpflanze, den Schier- ling, die Petersilie, den Kerbel, Anis, Till und andere anschauen, ohne von der merkwürdigen Uebereinstimmung im ganzen Bau dieser Pflanzen überrascht zu werden; wem würde nicht auf ähnliche Weise die innere Beziehung klar, welche zwischen den Kohlarten, dem Senf, dem Meerrettig, dem Radies, der Rübe und dergleichen Pflanzen mehr stattfindet? Wem sollte bei genauerer Untersuchung entgehen, daß
eröffnet ſich uns ein neues Gebiet aber faſt ein unbegrenztes. Soll ich die Gewerbe ſämmtlich aufzählen, die ihr zu verarbeitendes Material dem Pflanzenreich entnehmen? Jeder mag nur in ſeinem Zimmer, in ſeinem Haushalt um ſich blicken, um alsbald zu gewahren, wie zahlreicher Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens er entbehren müßte, wenn die Pflanzenwelt aufhörte ihm ihren Tribut zu entrichten. — Sollen wir noch dazu die vielen Fächer und Büchſen der Officinen öffnen und ſehen, welch' einen großen Schatz von Mitteln auch hier die irdiſche Vegetation beiſteuert? Ein vollſtändiger Ueberblick gäbe nur ein trocknes Namenregiſter, eine ausführliche Betrachtung aller ein bändereiches Werk für ſich. Wir laſſen uns daher hier an einem Beiſpiele genügen, indem wir den Milchſaft der Pflanzen einmal näher in's Auge faſſen. (VIII.)
Nicht an eine, nicht an wenige unter ſich verwandte Pflanzen iſt die Bildung des Milchſaftes geknüpft, ſondern wir finden wenigſtens drei größere Gruppen, welche vorzugsweiſe uns mit dieſem intereſ- ſanten Stoffe verſorgen. Die Zahl der einzelnen Arten von Pflanzen iſt nämlich ſo groß, (vielleicht nach Schätzung einiger Gelehrten 200,000) daß man zur Ueberblickung dieſer Maſſe wiſſenſchaftliche Hülfsmittel, nämlich ſyſtematiſche Anordnung der einzelnen Gattun- gen nöthig hat. Zum Glück kommt uns die Natur auf halbem Wege entgegen. In der ganzen äußeren Erſcheinungsweiſe, in der Zahl, der Anordnung und dem Bau der einzelnen Theile, in den Ge- ſetzen, nach denen die Entwicklung vor ſich geht, zeigen nämlich größere Gruppen von Pflanzenarten eine große Uebereinſtimmung in ſich und unterſcheiden ſich eben dadurch von anderen Gruppen. Wer kann aufmerkſam zur Zeit der Blüthe eine Mohrrübenpflanze, den Schier- ling, die Peterſilie, den Kerbel, Anis, Till und andere anſchauen, ohne von der merkwürdigen Uebereinſtimmung im ganzen Bau dieſer Pflanzen überraſcht zu werden; wem würde nicht auf ähnliche Weiſe die innere Beziehung klar, welche zwiſchen den Kohlarten, dem Senf, dem Meerrettig, dem Radies, der Rübe und dergleichen Pflanzen mehr ſtattfindet? Wem ſollte bei genauerer Unterſuchung entgehen, daß
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eröffnet ſich uns ein neues Gebiet aber faſt ein unbegrenztes. Soll ich die
Gewerbe ſämmtlich aufzählen, die ihr zu verarbeitendes Material dem
Pflanzenreich entnehmen? Jeder mag nur in ſeinem Zimmer, in ſeinem
Haushalt um ſich blicken, um alsbald zu gewahren, wie zahlreicher
Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens er entbehren müßte,
wenn die Pflanzenwelt aufhörte ihm ihren Tribut zu entrichten. —
Sollen wir noch dazu die vielen Fächer und Büchſen der Officinen
öffnen und ſehen, welch' einen großen Schatz von Mitteln auch hier
die irdiſche Vegetation beiſteuert? Ein vollſtändiger Ueberblick gäbe
nur ein trocknes Namenregiſter, eine ausführliche Betrachtung aller
ein bändereiches Werk für ſich. Wir laſſen uns daher hier an einem
Beiſpiele genügen, indem wir den Milchſaft der Pflanzen einmal
näher in's Auge faſſen. (VIII.)
Nicht an eine, nicht an wenige unter ſich verwandte Pflanzen iſt
die Bildung des Milchſaftes geknüpft, ſondern wir finden wenigſtens
drei größere Gruppen, welche vorzugsweiſe uns mit dieſem intereſ-
ſanten Stoffe verſorgen. Die Zahl der einzelnen Arten von Pflanzen
iſt nämlich ſo groß, (vielleicht nach Schätzung einiger Gelehrten
200,000) daß man zur Ueberblickung dieſer Maſſe wiſſenſchaftliche
Hülfsmittel, nämlich ſyſtematiſche Anordnung der einzelnen Gattun-
gen nöthig hat. Zum Glück kommt uns die Natur auf halbem
Wege entgegen. In der ganzen äußeren Erſcheinungsweiſe, in der
Zahl, der Anordnung und dem Bau der einzelnen Theile, in den Ge-
ſetzen, nach denen die Entwicklung vor ſich geht, zeigen nämlich größere
Gruppen von Pflanzenarten eine große Uebereinſtimmung in ſich und
unterſcheiden ſich eben dadurch von anderen Gruppen. Wer kann
aufmerkſam zur Zeit der Blüthe eine Mohrrübenpflanze, den Schier-
ling, die Peterſilie, den Kerbel, Anis, Till und andere anſchauen,
ohne von der merkwürdigen Uebereinſtimmung im ganzen Bau dieſer
Pflanzen überraſcht zu werden; wem würde nicht auf ähnliche Weiſe
die innere Beziehung klar, welche zwiſchen den Kohlarten, dem Senf,
dem Meerrettig, dem Radies, der Rübe und dergleichen Pflanzen mehr
ſtattfindet? Wem ſollte bei genauerer Unterſuchung entgehen, daß
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/23>, abgerufen am 24.11.2024.
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