worden sind, eine reiche Auswahl der Gestalten. Eine genauere Be- trachtung dieser eigenthümlichen Familie möchte daher wie für den Naturfreund belehrend, so auch nicht ohne zeitgemäßes Interesse seyn.
Linne kannte von dieser ganzen Familie nur etwa ein Dutzend Arten, die er unter dem Namen Cactus vereinigte, gegenwärtig sind über 400 Arten bekannt, welche von den Botanikern in etwa 10 Geschlechter vertheilt sind. Die meisten derselben werden in Deutsch- land cultivirt. Die reichste Sammlung möchte wohl die des könig- lichen botanischen Gartens bei Berlin seyn, welche über 360 Arten besitzt; demnächst folgt ohne Zweifel die fürstlich Salm-Dyk-Reiffer- scheid'sche Collection. Der königlich botanische Garten zu München, der Garten des japanischen Palais zu Dresden möchten demnächst an Reichhaltigkeit die bedeutendsten seyn. In der Nähe sind die Samm- lungen von Haage in Erfurt und die im Breiterschen Garten in Leipzig die vollständigsten.
Alles an diesen Pflanzen ist wunderbar. Mit Ausnahme des Geschlechts Peireskia hat keine hierher gehörige Pflanze Blätter. Denn was man beim Cactus alatus und der indianischen Feige wohl Blätter zu nennen pflegt, sind nur platt ausgebreitete Sten- gel. Dagegen zeichnen sich alle durch einen außerordentlich fleischi- gen Stengel aus, der mit einer graugrünen, lederartigen Haut be- deckt und an den Stellen, wo gesetzmäßig die Blätter sitzen sollten, mit mannigfaltigen Haarbüscheln, Stacheln und Spitzen besetzt durch seine verschiedene Ausbildung den verschiedenen Charakter der Pflanzen bedingt. In vier- bis neunkantigen oft fast runden Säulen erheben sich die Fackeldisteln dreißig bis vierzig Fuß hoch, meist ast- los, zuweilen aber auf die seltsamste Weise Candelabern gleich ver- zweigt; niedriger sind die indianischen Feigen, deren ovale flache Aeste nach allen Seiten an einander gereiht eigne Gestalten hervor- rufen. Die niedrigsten und dicksten Fackeldisteln schließen sich an die runden mit hervorspringenden Rippen besetzten Echinocacten und Melonencacten an und führen so zu den fast ganz kugligen, mit län-
worden ſind, eine reiche Auswahl der Geſtalten. Eine genauere Be- trachtung dieſer eigenthümlichen Familie möchte daher wie für den Naturfreund belehrend, ſo auch nicht ohne zeitgemäßes Intereſſe ſeyn.
Linné kannte von dieſer ganzen Familie nur etwa ein Dutzend Arten, die er unter dem Namen Cactus vereinigte, gegenwärtig ſind über 400 Arten bekannt, welche von den Botanikern in etwa 10 Geſchlechter vertheilt ſind. Die meiſten derſelben werden in Deutſch- land cultivirt. Die reichſte Sammlung möchte wohl die des könig- lichen botaniſchen Gartens bei Berlin ſeyn, welche über 360 Arten beſitzt; demnächſt folgt ohne Zweifel die fürſtlich Salm-Dyk-Reiffer- ſcheid'ſche Collection. Der königlich botaniſche Garten zu München, der Garten des japaniſchen Palais zu Dresden möchten demnächſt an Reichhaltigkeit die bedeutendſten ſeyn. In der Nähe ſind die Samm- lungen von Haage in Erfurt und die im Breiterſchen Garten in Leipzig die vollſtändigſten.
Alles an dieſen Pflanzen iſt wunderbar. Mit Ausnahme des Geſchlechts Peireskia hat keine hierher gehörige Pflanze Blätter. Denn was man beim Cactus alatus und der indianiſchen Feige wohl Blätter zu nennen pflegt, ſind nur platt ausgebreitete Sten- gel. Dagegen zeichnen ſich alle durch einen außerordentlich fleiſchi- gen Stengel aus, der mit einer graugrünen, lederartigen Haut be- deckt und an den Stellen, wo geſetzmäßig die Blätter ſitzen ſollten, mit mannigfaltigen Haarbüſcheln, Stacheln und Spitzen beſetzt durch ſeine verſchiedene Ausbildung den verſchiedenen Charakter der Pflanzen bedingt. In vier- bis neunkantigen oft faſt runden Säulen erheben ſich die Fackeldiſteln dreißig bis vierzig Fuß hoch, meiſt aſt- los, zuweilen aber auf die ſeltſamſte Weiſe Candelabern gleich ver- zweigt; niedriger ſind die indianiſchen Feigen, deren ovale flache Aeſte nach allen Seiten an einander gereiht eigne Geſtalten hervor- rufen. Die niedrigſten und dickſten Fackeldiſteln ſchließen ſich an die runden mit hervorſpringenden Rippen beſetzten Echinocacten und Melonencacten an und führen ſo zu den faſt ganz kugligen, mit län-
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worden ſind, eine reiche Auswahl der Geſtalten. Eine genauere Be-
trachtung dieſer eigenthümlichen Familie möchte daher wie für den
Naturfreund belehrend, ſo auch nicht ohne zeitgemäßes Intereſſe ſeyn.
Linné kannte von dieſer ganzen Familie nur etwa ein Dutzend
Arten, die er unter dem Namen Cactus vereinigte, gegenwärtig
ſind über 400 Arten bekannt, welche von den Botanikern in etwa 10
Geſchlechter vertheilt ſind. Die meiſten derſelben werden in Deutſch-
land cultivirt. Die reichſte Sammlung möchte wohl die des könig-
lichen botaniſchen Gartens bei Berlin ſeyn, welche über 360 Arten
beſitzt; demnächſt folgt ohne Zweifel die fürſtlich Salm-Dyk-Reiffer-
ſcheid'ſche Collection. Der königlich botaniſche Garten zu München,
der Garten des japaniſchen Palais zu Dresden möchten demnächſt an
Reichhaltigkeit die bedeutendſten ſeyn. In der Nähe ſind die Samm-
lungen von Haage in Erfurt und die im Breiterſchen Garten in
Leipzig die vollſtändigſten.
Alles an dieſen Pflanzen iſt wunderbar. Mit Ausnahme des
Geſchlechts Peireskia hat keine hierher gehörige Pflanze Blätter.
Denn was man beim Cactus alatus und der indianiſchen Feige
wohl Blätter zu nennen pflegt, ſind nur platt ausgebreitete Sten-
gel. Dagegen zeichnen ſich alle durch einen außerordentlich fleiſchi-
gen Stengel aus, der mit einer graugrünen, lederartigen Haut be-
deckt und an den Stellen, wo geſetzmäßig die Blätter ſitzen ſollten,
mit mannigfaltigen Haarbüſcheln, Stacheln und Spitzen beſetzt
durch ſeine verſchiedene Ausbildung den verſchiedenen Charakter der
Pflanzen bedingt. In vier- bis neunkantigen oft faſt runden Säulen
erheben ſich die Fackeldiſteln dreißig bis vierzig Fuß hoch, meiſt aſt-
los, zuweilen aber auf die ſeltſamſte Weiſe Candelabern gleich ver-
zweigt; niedriger ſind die indianiſchen Feigen, deren ovale flache
Aeſte nach allen Seiten an einander gereiht eigne Geſtalten hervor-
rufen. Die niedrigſten und dickſten Fackeldiſteln ſchließen ſich an die
runden mit hervorſpringenden Rippen beſetzten Echinocacten und
Melonencacten an und führen ſo zu den faſt ganz kugligen, mit län-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/215>, abgerufen am 27.11.2024.
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