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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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rührung bringt. Große Blasen, schmerzhafte Geschwüre, ähnlich wie
bei unserm Giftsumach, nur noch gefährlicher, sind die unausbleib-
lichen Folgen. Dies ist der Antjar der Javaner, der Pohon Upas
(wörtlich Giftbaum) der Malayen, der Ypo auf Celebes und den
Philippinen (Antiaris toxicaria Lesch.). Von ihm stammt das ge-
wöhnliche Upas (deutsch Gift), welches besonders zum Vergiften der
Pfeile diente, ein Gebrauch, der über alle Sundainseln verbreitet ge-
wesen zu seyn scheint, sich jetzt aber nach Einführung des Feuerge-
wehrs nur noch bei den Wilden in den rauhern und unzugänglichen
Gebirgen des Innern der Inseln findet. Schauerlich und zugleich
großartig erhaben ist auch der Charakter dieser Gebirge, die wie die
ganzen Inseln den furchtbarsten vulkanischen Kräften ihren Ursprung
verdanken. Ueberall noch zeigen sich die Spuren der Thätigkeit des
unterirdischen Feuers, selbst in jenen Wäldern, besonders wenn man
beginnt in ihnen den Fuß der Gebirge allmälig hinanzusteigen. Die
höchsten Spitzen bilden die furchtbaren Vulcane, deren Schrecken
längst bekannt sind. Ihnen reihen sich die merkwürdigen Schlamm-
vulcane an, die ohne Feuer- und Lichterscheinung, oft ohne vorher-
gehende Warnung plötzlich hervorbrechen. So entlud sich am 8. und
12. Octbr. 1822 der Berg Galungung, indem er die Umgegend auf
40 engl. Quadratmeilen in eine Wüste umwandelte, 40--50 Fuß
tiefe Thäler ausfüllte, Flüsse abdämmte, 11,000 Menschen, unzählige
Zugochsen, 3000 Acker Reisfeld und 800,000 Kaffeebäume unter
seine schmutzigen Fluthen begrub. Endlich weiter unten am Fuß der
Gebirge zeigen sich Quellen aller Art, manche darunter sauer von
großen Mengen freier Schwefelsäure, andere mit aufgelöster Kiesel-
erde die benachbarten Bäume versteinernd, oder milchweiß erscheinend
von dem darin vertheilten feinen Schwefelpulver. An andern Orten
trifft man dicht aneinander gestellte Gruppen von 3--5 Fuß hohen
Gypskegeln, aus deren Gipfeln beständig heißes oder kaltes Wasser
sprudelt, welches durch seinen Absatz fortwährend die Kegel vergrößert.
Große Strecken sind durch die Wirkungen großer vulcanischer Phä-
nomene verödet. Ueberall aber sproßt neben der Zerstörung neues

rührung bringt. Große Blaſen, ſchmerzhafte Geſchwüre, ähnlich wie
bei unſerm Giftſumach, nur noch gefährlicher, ſind die unausbleib-
lichen Folgen. Dies iſt der Antjar der Javaner, der Pohon Upas
(wörtlich Giftbaum) der Malayen, der Ypo auf Celebes und den
Philippinen (Antiaris toxicaria Lesch.). Von ihm ſtammt das ge-
wöhnliche Upas (deutſch Gift), welches beſonders zum Vergiften der
Pfeile diente, ein Gebrauch, der über alle Sundainſeln verbreitet ge-
weſen zu ſeyn ſcheint, ſich jetzt aber nach Einführung des Feuerge-
wehrs nur noch bei den Wilden in den rauhern und unzugänglichen
Gebirgen des Innern der Inſeln findet. Schauerlich und zugleich
großartig erhaben iſt auch der Charakter dieſer Gebirge, die wie die
ganzen Inſeln den furchtbarſten vulkaniſchen Kräften ihren Urſprung
verdanken. Ueberall noch zeigen ſich die Spuren der Thätigkeit des
unterirdiſchen Feuers, ſelbſt in jenen Wäldern, beſonders wenn man
beginnt in ihnen den Fuß der Gebirge allmälig hinanzuſteigen. Die
höchſten Spitzen bilden die furchtbaren Vulcane, deren Schrecken
längſt bekannt ſind. Ihnen reihen ſich die merkwürdigen Schlamm-
vulcane an, die ohne Feuer- und Lichterſcheinung, oft ohne vorher-
gehende Warnung plötzlich hervorbrechen. So entlud ſich am 8. und
12. Octbr. 1822 der Berg Galungung, indem er die Umgegend auf
40 engl. Quadratmeilen in eine Wüſte umwandelte, 40—50 Fuß
tiefe Thäler ausfüllte, Flüſſe abdämmte, 11,000 Menſchen, unzählige
Zugochſen, 3000 Acker Reisfeld und 800,000 Kaffeebäume unter
ſeine ſchmutzigen Fluthen begrub. Endlich weiter unten am Fuß der
Gebirge zeigen ſich Quellen aller Art, manche darunter ſauer von
großen Mengen freier Schwefelſäure, andere mit aufgelöſter Kieſel-
erde die benachbarten Bäume verſteinernd, oder milchweiß erſcheinend
von dem darin vertheilten feinen Schwefelpulver. An andern Orten
trifft man dicht aneinander geſtellte Gruppen von 3—5 Fuß hohen
Gypskegeln, aus deren Gipfeln beſtändig heißes oder kaltes Waſſer
ſprudelt, welches durch ſeinen Abſatz fortwährend die Kegel vergrößert.
Große Strecken ſind durch die Wirkungen großer vulcaniſcher Phä-
nomene verödet. Ueberall aber ſproßt neben der Zerſtörung neues

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[190/0206] rührung bringt. Große Blaſen, ſchmerzhafte Geſchwüre, ähnlich wie bei unſerm Giftſumach, nur noch gefährlicher, ſind die unausbleib- lichen Folgen. Dies iſt der Antjar der Javaner, der Pohon Upas (wörtlich Giftbaum) der Malayen, der Ypo auf Celebes und den Philippinen (Antiaris toxicaria Lesch.). Von ihm ſtammt das ge- wöhnliche Upas (deutſch Gift), welches beſonders zum Vergiften der Pfeile diente, ein Gebrauch, der über alle Sundainſeln verbreitet ge- weſen zu ſeyn ſcheint, ſich jetzt aber nach Einführung des Feuerge- wehrs nur noch bei den Wilden in den rauhern und unzugänglichen Gebirgen des Innern der Inſeln findet. Schauerlich und zugleich großartig erhaben iſt auch der Charakter dieſer Gebirge, die wie die ganzen Inſeln den furchtbarſten vulkaniſchen Kräften ihren Urſprung verdanken. Ueberall noch zeigen ſich die Spuren der Thätigkeit des unterirdiſchen Feuers, ſelbſt in jenen Wäldern, beſonders wenn man beginnt in ihnen den Fuß der Gebirge allmälig hinanzuſteigen. Die höchſten Spitzen bilden die furchtbaren Vulcane, deren Schrecken längſt bekannt ſind. Ihnen reihen ſich die merkwürdigen Schlamm- vulcane an, die ohne Feuer- und Lichterſcheinung, oft ohne vorher- gehende Warnung plötzlich hervorbrechen. So entlud ſich am 8. und 12. Octbr. 1822 der Berg Galungung, indem er die Umgegend auf 40 engl. Quadratmeilen in eine Wüſte umwandelte, 40—50 Fuß tiefe Thäler ausfüllte, Flüſſe abdämmte, 11,000 Menſchen, unzählige Zugochſen, 3000 Acker Reisfeld und 800,000 Kaffeebäume unter ſeine ſchmutzigen Fluthen begrub. Endlich weiter unten am Fuß der Gebirge zeigen ſich Quellen aller Art, manche darunter ſauer von großen Mengen freier Schwefelſäure, andere mit aufgelöſter Kieſel- erde die benachbarten Bäume verſteinernd, oder milchweiß erſcheinend von dem darin vertheilten feinen Schwefelpulver. An andern Orten trifft man dicht aneinander geſtellte Gruppen von 3—5 Fuß hohen Gypskegeln, aus deren Gipfeln beſtändig heißes oder kaltes Waſſer ſprudelt, welches durch ſeinen Abſatz fortwährend die Kegel vergrößert. Große Strecken ſind durch die Wirkungen großer vulcaniſcher Phä- nomene verödet. Ueberall aber ſproßt neben der Zerſtörung neues

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/206>, abgerufen am 23.11.2024.