den Krallen der Katzen nur in minderem Grade beweglich. In der Höhle des Kiefers liegt unter jedem Zahn eine kleine Drüse, in wel- cher das Gift bereitet wird, und der Ausführungsgang dieser Drüse verläuft in dem erwähnten Zahnkanal und öffnet sich an seiner Spitze. Beim Beißen wird nun durch den Widerstand des gebissenen Körpers der Zahn zurückgeschoben, drückt so auf die Giftdrüse und preßt aus derselben den ätzenden Saft heraus und in die gemachte Wunde. Betrachten wir daneben die Haare auf den Blättern der Nesseln, so finden wir eine wunderbare Uebereinstimmung. Eine einzelne Zelle
[Abbildung]
bildet das stechende Haar, oben in ein kleines Knöpfchen geendet. Nach unten erweitert sich die Zelle in ein Säckchen, welches das ätzende Gift enthält. (Man ver- gleiche den Holzschnitt.) Bei der leisesten Berührung bricht die spröde Spitze mit dem Knöpfchen ab, dadurch wird das Haar zu einem vorn offenen Canal, dieser dringt dann in weichere Theile ein und in Folge des Drucks, der durch den Widerstand beim Eindringen auf das Säckchen ausgeübt wird, spritzt ein Theil des Giftsaftes heraus in die ge- machte Wunde. Das Gift unserer einheimischen Nesseln und Schlan- gen ist nur unbedeutend, aber je mehr wir uns den Tropen nähern, desto häufiger und gefährlicher werden beide. Wo die glühende Sonne Indiens das Gift der furchtbaren Brillenschlange kocht, da wachsen auch die gefährlichsten Nesseln. Wer hätte nicht schon bei uns die kleinen, aber empfindlichen Stiche der Nessel gefühlt, welche sie durch die feinen, giftgefüllten Haare hervorbringt; aber keine Ahnung haben wir von den Qualen, welche ihre Nächstverwandten (Urtica stimu-
den Krallen der Katzen nur in minderem Grade beweglich. In der Höhle des Kiefers liegt unter jedem Zahn eine kleine Drüſe, in wel- cher das Gift bereitet wird, und der Ausführungsgang dieſer Drüſe verläuft in dem erwähnten Zahnkanal und öffnet ſich an ſeiner Spitze. Beim Beißen wird nun durch den Widerſtand des gebiſſenen Körpers der Zahn zurückgeſchoben, drückt ſo auf die Giftdrüſe und preßt aus derſelben den ätzenden Saft heraus und in die gemachte Wunde. Betrachten wir daneben die Haare auf den Blättern der Neſſeln, ſo finden wir eine wunderbare Uebereinſtimmung. Eine einzelne Zelle
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bildet das ſtechende Haar, oben in ein kleines Knöpfchen geendet. Nach unten erweitert ſich die Zelle in ein Säckchen, welches das ätzende Gift enthält. (Man ver- gleiche den Holzſchnitt.) Bei der leiſeſten Berührung bricht die ſpröde Spitze mit dem Knöpfchen ab, dadurch wird das Haar zu einem vorn offenen Canal, dieſer dringt dann in weichere Theile ein und in Folge des Drucks, der durch den Widerſtand beim Eindringen auf das Säckchen ausgeübt wird, ſpritzt ein Theil des Giftſaftes heraus in die ge- machte Wunde. Das Gift unſerer einheimiſchen Neſſeln und Schlan- gen iſt nur unbedeutend, aber je mehr wir uns den Tropen nähern, deſto häufiger und gefährlicher werden beide. Wo die glühende Sonne Indiens das Gift der furchtbaren Brillenſchlange kocht, da wachſen auch die gefährlichſten Neſſeln. Wer hätte nicht ſchon bei uns die kleinen, aber empfindlichen Stiche der Neſſel gefühlt, welche ſie durch die feinen, giftgefüllten Haare hervorbringt; aber keine Ahnung haben wir von den Qualen, welche ihre Nächſtverwandten (Urtica stimu-
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[185/0201]
den Krallen der Katzen nur in minderem Grade beweglich. In der
Höhle des Kiefers liegt unter jedem Zahn eine kleine Drüſe, in wel-
cher das Gift bereitet wird, und der Ausführungsgang dieſer Drüſe
verläuft in dem erwähnten Zahnkanal und öffnet ſich an ſeiner Spitze.
Beim Beißen wird nun durch den Widerſtand des gebiſſenen Körpers
der Zahn zurückgeſchoben, drückt ſo auf die Giftdrüſe und preßt aus
derſelben den ätzenden Saft heraus und in die gemachte Wunde.
Betrachten wir daneben die Haare auf den Blättern der Neſſeln, ſo
finden wir eine wunderbare Uebereinſtimmung. Eine einzelne Zelle
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bildet das ſtechende Haar, oben
in ein kleines Knöpfchen geendet.
Nach unten erweitert ſich die Zelle
in ein Säckchen, welches das
ätzende Gift enthält. (Man ver-
gleiche den Holzſchnitt.) Bei der
leiſeſten Berührung bricht die
ſpröde Spitze mit dem Knöpfchen
ab, dadurch wird das Haar zu
einem vorn offenen Canal, dieſer
dringt dann in weichere Theile
ein und in Folge des Drucks,
der durch den Widerſtand beim
Eindringen auf das Säckchen
ausgeübt wird, ſpritzt ein Theil
des Giftſaftes heraus in die ge-
machte Wunde. Das Gift unſerer einheimiſchen Neſſeln und Schlan-
gen iſt nur unbedeutend, aber je mehr wir uns den Tropen nähern,
deſto häufiger und gefährlicher werden beide. Wo die glühende Sonne
Indiens das Gift der furchtbaren Brillenſchlange kocht, da wachſen
auch die gefährlichſten Neſſeln. Wer hätte nicht ſchon bei uns die
kleinen, aber empfindlichen Stiche der Neſſel gefühlt, welche ſie durch
die feinen, giftgefüllten Haare hervorbringt; aber keine Ahnung haben
wir von den Qualen, welche ihre Nächſtverwandten (Urtica stimu-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/201>, abgerufen am 22.11.2024.
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