gesteigert wird. In den Wäldern der englischen Guyana wächst ein Baum, den die Eingebornen Hya-Hya nennen (Tabernaemontana utilis Arn.). Seine Rinde und sein Mark sind so reich an Milch, daß ein nur mäßiger Stamm, den Arnott und seine Gefährten am Ufer eines starken Waldbachs fällten, das Wasser desselben in Zeit einer Stunde ganz weiß und milchig färbte. Diese Milch ist völlig unschädlich, von angenehmem Geschmack, und wird von den Wilden als erquickendes Getränk genossen. Noch schöner soll der Geschmack der Milch des Ceylon'schen Kuhbaums, der Kiriaghuma (Gymneura lactiferum Rob. Br.) seyn, dessen sich die Cingalesen nach Bur- mann's Erzählung ganz wie wir unserer Milch bedienen.
Furchtbar dagegen sind die Wirkungen des unter geheimnißvollen Zaubersprüchen von den Anwohnern des Orinoco gebrauten so schreck- lichen Woorareegiftes, zu welchem der Saft einer hierhergehörigen Pflanze (Echites suberecta) und die Rinde einiger andern ebenfalls der Familie der Apocyneen zugezählten Bäume (Strychnos gyanensis Mart. und Str. toxifera Schomb.) die Hauptingredienzien liefern. Eine höchst poetische Schilderung von der Bereitung dieses Giftes hat uns in neuester Zeit Schomburgk in seinen so reichhaltigen Reiseberichten geliefert, welche bis jetzt leider nur noch bruchstück- weise in einzelnen Zeitschriften erschienen sind.
Pöppig hat auf seinen romantischen Wanderungen durch Süd- amerika oft genug Gelegenheit gehabt, die furchtbaren Wirkungen des Wooraree kennen zu lernen. Ein großes langes Rohr wird von den Indianern ausgehöhlt und mit vieler Sorgfalt geglättet. Von sehr hartem Holze schnitzen sie dann etwa fußlange Pfeile, deren Spitze in jenes Gift getaucht, deren anderes Ende mit Baumwolle umwickelt wird, so daß es genau jenes Rohr ausfüllt. Mit dieser furchtbaren Waffe versehen, beschleicht der Wilde den arglosen Feind, der vielleicht gerade beschäftigt ist, sich den eben gejagten Hirsch zum leckern Mahle zu bereiten. Kein Geräusch verräth den geübten, leise dahingleitenden Fuß, kein Auge erkennt im dichten Gebüsch das ge-
geſteigert wird. In den Wäldern der engliſchen Guyana wächſt ein Baum, den die Eingebornen Hya-Hya nennen (Tabernaemontana utilis Arn.). Seine Rinde und ſein Mark ſind ſo reich an Milch, daß ein nur mäßiger Stamm, den Arnott und ſeine Gefährten am Ufer eines ſtarken Waldbachs fällten, das Waſſer deſſelben in Zeit einer Stunde ganz weiß und milchig färbte. Dieſe Milch iſt völlig unſchädlich, von angenehmem Geſchmack, und wird von den Wilden als erquickendes Getränk genoſſen. Noch ſchöner ſoll der Geſchmack der Milch des Ceylon'ſchen Kuhbaums, der Kiriaghuma (Gymneura lactiferum Rob. Br.) ſeyn, deſſen ſich die Cingaleſen nach Bur- mann's Erzählung ganz wie wir unſerer Milch bedienen.
Furchtbar dagegen ſind die Wirkungen des unter geheimnißvollen Zauberſprüchen von den Anwohnern des Orinoco gebrauten ſo ſchreck- lichen Woorareegiftes, zu welchem der Saft einer hierhergehörigen Pflanze (Echites suberecta) und die Rinde einiger andern ebenfalls der Familie der Apocyneen zugezählten Bäume (Strychnos gyanensis Mart. und Str. toxifera Schomb.) die Hauptingredienzien liefern. Eine höchſt poetiſche Schilderung von der Bereitung dieſes Giftes hat uns in neueſter Zeit Schomburgk in ſeinen ſo reichhaltigen Reiſeberichten geliefert, welche bis jetzt leider nur noch bruchſtück- weiſe in einzelnen Zeitſchriften erſchienen ſind.
Pöppig hat auf ſeinen romantiſchen Wanderungen durch Süd- amerika oft genug Gelegenheit gehabt, die furchtbaren Wirkungen des Wooraree kennen zu lernen. Ein großes langes Rohr wird von den Indianern ausgehöhlt und mit vieler Sorgfalt geglättet. Von ſehr hartem Holze ſchnitzen ſie dann etwa fußlange Pfeile, deren Spitze in jenes Gift getaucht, deren anderes Ende mit Baumwolle umwickelt wird, ſo daß es genau jenes Rohr ausfüllt. Mit dieſer furchtbaren Waffe verſehen, beſchleicht der Wilde den argloſen Feind, der vielleicht gerade beſchäftigt iſt, ſich den eben gejagten Hirſch zum leckern Mahle zu bereiten. Kein Geräuſch verräth den geübten, leiſe dahingleitenden Fuß, kein Auge erkennt im dichten Gebüſch das ge-
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geſteigert wird. In den Wäldern der engliſchen Guyana wächſt ein
Baum, den die Eingebornen Hya-Hya nennen (Tabernaemontana
utilis Arn.). Seine Rinde und ſein Mark ſind ſo reich an Milch,
daß ein nur mäßiger Stamm, den Arnott und ſeine Gefährten am
Ufer eines ſtarken Waldbachs fällten, das Waſſer deſſelben in Zeit
einer Stunde ganz weiß und milchig färbte. Dieſe Milch iſt völlig
unſchädlich, von angenehmem Geſchmack, und wird von den Wilden
als erquickendes Getränk genoſſen. Noch ſchöner ſoll der Geſchmack der
Milch des Ceylon'ſchen Kuhbaums, der Kiriaghuma (Gymneura
lactiferum Rob. Br.) ſeyn, deſſen ſich die Cingaleſen nach Bur-
mann's Erzählung ganz wie wir unſerer Milch bedienen.
Furchtbar dagegen ſind die Wirkungen des unter geheimnißvollen
Zauberſprüchen von den Anwohnern des Orinoco gebrauten ſo ſchreck-
lichen Woorareegiftes, zu welchem der Saft einer hierhergehörigen
Pflanze (Echites suberecta) und die Rinde einiger andern ebenfalls
der Familie der Apocyneen zugezählten Bäume (Strychnos gyanensis
Mart. und Str. toxifera Schomb.) die Hauptingredienzien liefern.
Eine höchſt poetiſche Schilderung von der Bereitung dieſes Giftes
hat uns in neueſter Zeit Schomburgk in ſeinen ſo reichhaltigen
Reiſeberichten geliefert, welche bis jetzt leider nur noch bruchſtück-
weiſe in einzelnen Zeitſchriften erſchienen ſind.
Pöppig hat auf ſeinen romantiſchen Wanderungen durch Süd-
amerika oft genug Gelegenheit gehabt, die furchtbaren Wirkungen
des Wooraree kennen zu lernen. Ein großes langes Rohr wird von
den Indianern ausgehöhlt und mit vieler Sorgfalt geglättet. Von
ſehr hartem Holze ſchnitzen ſie dann etwa fußlange Pfeile, deren
Spitze in jenes Gift getaucht, deren anderes Ende mit Baumwolle
umwickelt wird, ſo daß es genau jenes Rohr ausfüllt. Mit dieſer
furchtbaren Waffe verſehen, beſchleicht der Wilde den argloſen Feind,
der vielleicht gerade beſchäftigt iſt, ſich den eben gejagten Hirſch zum
leckern Mahle zu bereiten. Kein Geräuſch verräth den geübten, leiſe
dahingleitenden Fuß, kein Auge erkennt im dichten Gebüſch das ge-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/197>, abgerufen am 21.11.2024.
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