alcalische Salze stets die Galle begleiten, welche nach Liebigs An- sichten eine bedeutende Rolle in dem Athmungs- und Verbren- nungsproceß spielt, durch welchen die thierische Wärme unterhalten wird, so muß es uns natürlich überraschen, bei den Pflanzen ganz constant die stickstoffhaltigen Nahrungsmittel von phosphorsauren Salzen, die stickstofffreien Respirationsmittel von Alcalien begleitet zu finden. So hat die weise Fürsorge der Natur sogleich in der Pflanze vereint, was gerade in dieser gewissen Verbindung ander- weitig im Thiere nützlich werden soll.
Die Naturwissenschaft darf aber bei solchen teleologischen Be- trachtungen nicht stehen bleiben und unsere Aufgabe wird zunächst seyn, nachzuweisen, daß für die Pflanze selbst jene unorganischen Salze ganz bestimmte Bedeutung haben. Ja selbst wenn wir die- sen Nachweis noch nicht zu liefern im Stande sind, so müssen wir doch aus dem constanten Vorkommen bestimmter Mineralbestand- theile in bestimmten Pflanzen auf die Nothwendigkeit derselben für das Bestehen und Gedeihen der Pflanze schließen, wie zuerst Th. de Saussure in seinen unsterblichen Recherches sur la vegetation gethan hat. Auf diese Ansicht gestützt sprach nun Liebig aus: da die organischen Nahrungsmittel allen Pflanzen überall in gleichem Maße zu Gebote stehen, so kann in ihnen die Ursache der großen Verschiedenheit der Vegetation nicht gesucht werden, folglich muß dieselbe in den unorganischen Bestandtheilen liegen, und wenn wir den Dünger auf den Acker bringen, so ist es im Wesentlichen ganz dasselbe, wenn wir ihn erst verbrennen und nur die Asche auf den Boden streuen, denn nur in den Aschenbestandtheilen kann seine Wirksamkeit begründet seyn.
Es ist leicht einzusehen, daß dieser Grundsatz, auf den Land- bau angewendet, über alle Erscheinungen, um deren Erklärung man sich bisher vergebens abmühte, plötzlich ein neues helles Licht ausgießt. Nun können wir es leicht begreifen, warum eine Riesel- wiese jährlich ohne Düngung die großen Mengen von Heu liefern kann, wenn ihr im Quellwasser die nöthigen Quantitäten von
Schleiden, Pflanze. 11
alcaliſche Salze ſtets die Galle begleiten, welche nach Liebigs An- ſichten eine bedeutende Rolle in dem Athmungs- und Verbren- nungsproceß ſpielt, durch welchen die thieriſche Wärme unterhalten wird, ſo muß es uns natürlich überraſchen, bei den Pflanzen ganz conſtant die ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmittel von phosphorſauren Salzen, die ſtickſtofffreien Reſpirationsmittel von Alcalien begleitet zu finden. So hat die weiſe Fürſorge der Natur ſogleich in der Pflanze vereint, was gerade in dieſer gewiſſen Verbindung ander- weitig im Thiere nützlich werden ſoll.
Die Naturwiſſenſchaft darf aber bei ſolchen teleologiſchen Be- trachtungen nicht ſtehen bleiben und unſere Aufgabe wird zunächſt ſeyn, nachzuweiſen, daß für die Pflanze ſelbſt jene unorganiſchen Salze ganz beſtimmte Bedeutung haben. Ja ſelbſt wenn wir die- ſen Nachweis noch nicht zu liefern im Stande ſind, ſo müſſen wir doch aus dem conſtanten Vorkommen beſtimmter Mineralbeſtand- theile in beſtimmten Pflanzen auf die Nothwendigkeit derſelben für das Beſtehen und Gedeihen der Pflanze ſchließen, wie zuerſt Th. de Sauſſure in ſeinen unſterblichen Recherches sur la végétation gethan hat. Auf dieſe Anſicht geſtützt ſprach nun Liebig aus: da die organiſchen Nahrungsmittel allen Pflanzen überall in gleichem Maße zu Gebote ſtehen, ſo kann in ihnen die Urſache der großen Verſchiedenheit der Vegetation nicht geſucht werden, folglich muß dieſelbe in den unorganiſchen Beſtandtheilen liegen, und wenn wir den Dünger auf den Acker bringen, ſo iſt es im Weſentlichen ganz daſſelbe, wenn wir ihn erſt verbrennen und nur die Aſche auf den Boden ſtreuen, denn nur in den Aſchenbeſtandtheilen kann ſeine Wirkſamkeit begründet ſeyn.
Es iſt leicht einzuſehen, daß dieſer Grundſatz, auf den Land- bau angewendet, über alle Erſcheinungen, um deren Erklärung man ſich bisher vergebens abmühte, plötzlich ein neues helles Licht ausgießt. Nun können wir es leicht begreifen, warum eine Rieſel- wieſe jährlich ohne Düngung die großen Mengen von Heu liefern kann, wenn ihr im Quellwaſſer die nöthigen Quantitäten von
Schleiden, Pflanze. 11
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alcaliſche Salze ſtets die Galle begleiten, welche nach Liebigs An-
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wird, ſo muß es uns natürlich überraſchen, bei den Pflanzen ganz
conſtant die ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmittel von phosphorſauren
Salzen, die ſtickſtofffreien Reſpirationsmittel von Alcalien begleitet
zu finden. So hat die weiſe Fürſorge der Natur ſogleich in der
Pflanze vereint, was gerade in dieſer gewiſſen Verbindung ander-
weitig im Thiere nützlich werden ſoll.
Die Naturwiſſenſchaft darf aber bei ſolchen teleologiſchen Be-
trachtungen nicht ſtehen bleiben und unſere Aufgabe wird zunächſt
ſeyn, nachzuweiſen, daß für die Pflanze ſelbſt jene unorganiſchen
Salze ganz beſtimmte Bedeutung haben. Ja ſelbſt wenn wir die-
ſen Nachweis noch nicht zu liefern im Stande ſind, ſo müſſen wir
doch aus dem conſtanten Vorkommen beſtimmter Mineralbeſtand-
theile in beſtimmten Pflanzen auf die Nothwendigkeit derſelben für
das Beſtehen und Gedeihen der Pflanze ſchließen, wie zuerſt Th.
de Sauſſure in ſeinen unſterblichen Recherches sur la végétation
gethan hat. Auf dieſe Anſicht geſtützt ſprach nun Liebig aus: da die
organiſchen Nahrungsmittel allen Pflanzen überall in gleichem
Maße zu Gebote ſtehen, ſo kann in ihnen die Urſache der großen
Verſchiedenheit der Vegetation nicht geſucht werden, folglich muß
dieſelbe in den unorganiſchen Beſtandtheilen liegen, und wenn wir
den Dünger auf den Acker bringen, ſo iſt es im Weſentlichen ganz
daſſelbe, wenn wir ihn erſt verbrennen und nur die Aſche auf den
Boden ſtreuen, denn nur in den Aſchenbeſtandtheilen kann ſeine
Wirkſamkeit begründet ſeyn.
Es iſt leicht einzuſehen, daß dieſer Grundſatz, auf den Land-
bau angewendet, über alle Erſcheinungen, um deren Erklärung
man ſich bisher vergebens abmühte, plötzlich ein neues helles Licht
ausgießt. Nun können wir es leicht begreifen, warum eine Rieſel-
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kann, wenn ihr im Quellwaſſer die nöthigen Quantitäten von
Schleiden, Pflanze. 11
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/177>, abgerufen am 16.02.2025.
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