auf den Sandflächen der norddeutschen Ebene ausgebreitet; dann aber überspringt sie die Granite, Thonschiefer und Gypse des Harzes, die Porphyre und Muschelkalke Thüringens und erscheint erst jenseit des Mains wieder auf der Keupersandebene, welche das ehrwürdige Nürnberg umgiebt. Weiter steigt sie herab durch die Pfalz nach Süden, bis ihr abermals der Muschelkalk der schwäbischen Alpe eine Grenze setzt; aber sie überspringt diesen und die ganzen reichen Alpen, um endlich im nördlichen Italien wieder auf Sandboden zu erscheinen. Wie kommt es nun, daß die genannten Pflanzen überall den üppig- sten Boden in ihrem geographischen Verbreitungsbezirk verschmähen, und nur auf ganz bestimmte Gebirgsarten beschränkt sind? Sollte hier nicht der Kalk, das Salz, der Sand oder vielmehr die Kieselerde den entschiedensten Antheil daran haben?
Und man kann noch weiter fragen: Weshalb kann ein und der- selbe Boden die eine Pflanze zur höchsten Stufe ihrer Entwicklung bringen, während eine andere auf ihm nicht im Stande ist, ihr Leben zu fristen? Warum endlich sehen wir das Leben und gesunde Gedei- hen unserer meisten Culturpflanzen so entschieden an die Düngung des Bodens mit organischen Substanzen gebunden? Diese Frage hat nun zuerst Liebig auf eine gründliche und ächt wissenschaftliche Weise beantwortet. Weshalb, fragt er dagegen, gedeiht in dem humus- reichsten Boden, in reiner Baumerde, kein Weizen? Weil der Weizen einen Stoff, die Kieselerde, enthält, ohne den er nicht bestehen kann und den er gleichwohl in der Baumerde nicht findet. Wenn wir eine Pflanze, sey es, welche es wolle, verbrennen, so erhalten wir als Rückstand, der sich nicht mit den Verbrennungsproducten verflüchtigt, eine größere oder geringere Quantität Asche. Kalk, Kieselerde, Soda und Pottasche, Kochsalz und eine Verbindung von kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk (sogen. Knochenerde, weil sie den unverbrenn- lichen Theil der thierischen Knochen bildet), Gyps und einige andere Bestandtheile sind die Substanzen, aus welchen gewöhnlich die Asche gemischt ist. Vergleichen wir aber die Resultate der Untersuchung der Asche einer größern Reihe von Pflanzen unter einander, so kommen
auf den Sandflächen der norddeutſchen Ebene ausgebreitet; dann aber überſpringt ſie die Granite, Thonſchiefer und Gypſe des Harzes, die Porphyre und Muſchelkalke Thüringens und erſcheint erſt jenſeit des Mains wieder auf der Keuperſandebene, welche das ehrwürdige Nürnberg umgiebt. Weiter ſteigt ſie herab durch die Pfalz nach Süden, bis ihr abermals der Muſchelkalk der ſchwäbiſchen Alpe eine Grenze ſetzt; aber ſie überſpringt dieſen und die ganzen reichen Alpen, um endlich im nördlichen Italien wieder auf Sandboden zu erſcheinen. Wie kommt es nun, daß die genannten Pflanzen überall den üppig- ſten Boden in ihrem geographiſchen Verbreitungsbezirk verſchmähen, und nur auf ganz beſtimmte Gebirgsarten beſchränkt ſind? Sollte hier nicht der Kalk, das Salz, der Sand oder vielmehr die Kieſelerde den entſchiedenſten Antheil daran haben?
Und man kann noch weiter fragen: Weshalb kann ein und der- ſelbe Boden die eine Pflanze zur höchſten Stufe ihrer Entwicklung bringen, während eine andere auf ihm nicht im Stande iſt, ihr Leben zu friſten? Warum endlich ſehen wir das Leben und geſunde Gedei- hen unſerer meiſten Culturpflanzen ſo entſchieden an die Düngung des Bodens mit organiſchen Subſtanzen gebunden? Dieſe Frage hat nun zuerſt Liebig auf eine gründliche und ächt wiſſenſchaftliche Weiſe beantwortet. Weshalb, fragt er dagegen, gedeiht in dem humus- reichſten Boden, in reiner Baumerde, kein Weizen? Weil der Weizen einen Stoff, die Kieſelerde, enthält, ohne den er nicht beſtehen kann und den er gleichwohl in der Baumerde nicht findet. Wenn wir eine Pflanze, ſey es, welche es wolle, verbrennen, ſo erhalten wir als Rückſtand, der ſich nicht mit den Verbrennungsproducten verflüchtigt, eine größere oder geringere Quantität Aſche. Kalk, Kieſelerde, Soda und Pottaſche, Kochſalz und eine Verbindung von kohlenſaurem und phosphorſaurem Kalk (ſogen. Knochenerde, weil ſie den unverbrenn- lichen Theil der thieriſchen Knochen bildet), Gyps und einige andere Beſtandtheile ſind die Subſtanzen, aus welchen gewöhnlich die Aſche gemiſcht iſt. Vergleichen wir aber die Reſultate der Unterſuchung der Aſche einer größern Reihe von Pflanzen unter einander, ſo kommen
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[154/0170]
auf den Sandflächen der norddeutſchen Ebene ausgebreitet; dann
aber überſpringt ſie die Granite, Thonſchiefer und Gypſe des Harzes,
die Porphyre und Muſchelkalke Thüringens und erſcheint erſt jenſeit
des Mains wieder auf der Keuperſandebene, welche das ehrwürdige
Nürnberg umgiebt. Weiter ſteigt ſie herab durch die Pfalz nach
Süden, bis ihr abermals der Muſchelkalk der ſchwäbiſchen Alpe eine
Grenze ſetzt; aber ſie überſpringt dieſen und die ganzen reichen Alpen,
um endlich im nördlichen Italien wieder auf Sandboden zu erſcheinen.
Wie kommt es nun, daß die genannten Pflanzen überall den üppig-
ſten Boden in ihrem geographiſchen Verbreitungsbezirk verſchmähen,
und nur auf ganz beſtimmte Gebirgsarten beſchränkt ſind? Sollte
hier nicht der Kalk, das Salz, der Sand oder vielmehr die Kieſelerde
den entſchiedenſten Antheil daran haben?
Und man kann noch weiter fragen: Weshalb kann ein und der-
ſelbe Boden die eine Pflanze zur höchſten Stufe ihrer Entwicklung
bringen, während eine andere auf ihm nicht im Stande iſt, ihr Leben
zu friſten? Warum endlich ſehen wir das Leben und geſunde Gedei-
hen unſerer meiſten Culturpflanzen ſo entſchieden an die Düngung
des Bodens mit organiſchen Subſtanzen gebunden? Dieſe Frage hat
nun zuerſt Liebig auf eine gründliche und ächt wiſſenſchaftliche Weiſe
beantwortet. Weshalb, fragt er dagegen, gedeiht in dem humus-
reichſten Boden, in reiner Baumerde, kein Weizen? Weil der Weizen
einen Stoff, die Kieſelerde, enthält, ohne den er nicht beſtehen kann
und den er gleichwohl in der Baumerde nicht findet. Wenn wir eine
Pflanze, ſey es, welche es wolle, verbrennen, ſo erhalten wir als
Rückſtand, der ſich nicht mit den Verbrennungsproducten verflüchtigt,
eine größere oder geringere Quantität Aſche. Kalk, Kieſelerde, Soda
und Pottaſche, Kochſalz und eine Verbindung von kohlenſaurem und
phosphorſaurem Kalk (ſogen. Knochenerde, weil ſie den unverbrenn-
lichen Theil der thieriſchen Knochen bildet), Gyps und einige andere
Beſtandtheile ſind die Subſtanzen, aus welchen gewöhnlich die Aſche
gemiſcht iſt. Vergleichen wir aber die Reſultate der Unterſuchung der
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/170>, abgerufen am 21.11.2024.
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