1 Million Pf. Stickstoff aus. Sie entnehmen dieselben durch die Kühe ihren Wiesen, die niemals anders, als von dem darauf wei- denden Viehe gedüngt werden. Dadurch erhalten die Wiesen aber keinen Ersatz, denn Alles, was die Kühe produciren, stammt ja von den Wiesen her. Woher nun diese enormen Massen von Stickstoff? Vielleicht der Vesuv oder Aetna, oder die großen Feuerschlünde der Cordilleren hauchten die Menge des kohlensauren Ammoniaks aus, welches den Pflanzen der holländischen Wiesen durch die Luftströ- mungen zugeführt und von diesen durch die Kühe endlich als Käsestoff zum Gegenstande des Handels und der Gaumenlust gemacht wurde.
Diese und unzähliche ähnliche Thatsachen zusammengenommen geben uns nun schon einen sehr sichern Abschluß, welcher endlich durch die Versuche Boussingaults, die großartigsten und fast die einzi- gen wahrhaft wissenschaftlichen, welche je in landwirthschaftlicher Be- ziehung angestellt sind, über allen Zweifel erhoben wird. Boussingault bestimmte auf seinem Gute Bechelbronn im Elsaß 4 Hectaren Landes (genau 16 hessische Morgen) zu Versuchen, die mit derselben Genauigkeit viele Jahre fortgesetzt wurden. Die Länge der Zeit, die Größe des benutzten Areals vernichten alle Einwürfe, welche sonst bei Versuchen im Kleinen gemacht werden können. Boussingault ließ jene 16 Morgen während 21 Versuchsjahren ganz auf die im Elsaß gebräuchliche Weise bestellen. Es wurde aber genau der Dünger ge- wogen, welcher aufgefahren, ebenso alles das, was jedes Jahr ge- erntet wurde, und von beiden wurde stets durch genaue chemische Untersuchungen die darin enthaltene Menge von Kohlenstoff, Wasser- stoff, Sauerstoff, Stickstoff und Aschenbestandtheilen bestimmt. Das Resultat dieser Versuche war, daß durchschnittlich im Jahre mit der Ernte zweimal so viel Stickstoff, dreimal so viel Kohlenstoff und Wasserstoff und viermal so viel Sauerstoff vom Boden gewonnen, als mit dem Dünger darauf gebracht wird, wobei noch vorausgesetzt ist, daß der sämmtliche Gehalt des Düngers den Pflanzen zu Gute kommt, was doch in der That nicht der Fall seyn kann.
Ist nun Kohlensäure, Ammoniak und Wasser die Nahrung der
1 Million Pf. Stickſtoff aus. Sie entnehmen dieſelben durch die Kühe ihren Wieſen, die niemals anders, als von dem darauf wei- denden Viehe gedüngt werden. Dadurch erhalten die Wieſen aber keinen Erſatz, denn Alles, was die Kühe produciren, ſtammt ja von den Wieſen her. Woher nun dieſe enormen Maſſen von Stickſtoff? Vielleicht der Veſuv oder Aetna, oder die großen Feuerſchlünde der Cordilleren hauchten die Menge des kohlenſauren Ammoniaks aus, welches den Pflanzen der holländiſchen Wieſen durch die Luftſtrö- mungen zugeführt und von dieſen durch die Kühe endlich als Käſeſtoff zum Gegenſtande des Handels und der Gaumenluſt gemacht wurde.
Dieſe und unzähliche ähnliche Thatſachen zuſammengenommen geben uns nun ſchon einen ſehr ſichern Abſchluß, welcher endlich durch die Verſuche Bouſſingaults, die großartigſten und faſt die einzi- gen wahrhaft wiſſenſchaftlichen, welche je in landwirthſchaftlicher Be- ziehung angeſtellt ſind, über allen Zweifel erhoben wird. Bouſſingault beſtimmte auf ſeinem Gute Bechelbronn im Elſaß 4 Hectaren Landes (genau 16 heſſiſche Morgen) zu Verſuchen, die mit derſelben Genauigkeit viele Jahre fortgeſetzt wurden. Die Länge der Zeit, die Größe des benutzten Areals vernichten alle Einwürfe, welche ſonſt bei Verſuchen im Kleinen gemacht werden können. Bouſſingault ließ jene 16 Morgen während 21 Verſuchsjahren ganz auf die im Elſaß gebräuchliche Weiſe beſtellen. Es wurde aber genau der Dünger ge- wogen, welcher aufgefahren, ebenſo alles das, was jedes Jahr ge- erntet wurde, und von beiden wurde ſtets durch genaue chemiſche Unterſuchungen die darin enthaltene Menge von Kohlenſtoff, Waſſer- ſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff und Aſchenbeſtandtheilen beſtimmt. Das Reſultat dieſer Verſuche war, daß durchſchnittlich im Jahre mit der Ernte zweimal ſo viel Stickſtoff, dreimal ſo viel Kohlenſtoff und Waſſerſtoff und viermal ſo viel Sauerſtoff vom Boden gewonnen, als mit dem Dünger darauf gebracht wird, wobei noch vorausgeſetzt iſt, daß der ſämmtliche Gehalt des Düngers den Pflanzen zu Gute kommt, was doch in der That nicht der Fall ſeyn kann.
Iſt nun Kohlenſäure, Ammoniak und Waſſer die Nahrung der
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1 Million Pf. Stickſtoff aus. Sie entnehmen dieſelben durch die
Kühe ihren Wieſen, die niemals anders, als von dem darauf wei-
denden Viehe gedüngt werden. Dadurch erhalten die Wieſen aber
keinen Erſatz, denn Alles, was die Kühe produciren, ſtammt ja von
den Wieſen her. Woher nun dieſe enormen Maſſen von Stickſtoff?
Vielleicht der Veſuv oder Aetna, oder die großen Feuerſchlünde der
Cordilleren hauchten die Menge des kohlenſauren Ammoniaks aus,
welches den Pflanzen der holländiſchen Wieſen durch die Luftſtrö-
mungen zugeführt und von dieſen durch die Kühe endlich als Käſeſtoff
zum Gegenſtande des Handels und der Gaumenluſt gemacht wurde.
Dieſe und unzähliche ähnliche Thatſachen zuſammengenommen
geben uns nun ſchon einen ſehr ſichern Abſchluß, welcher endlich durch
die Verſuche Bouſſingaults, die großartigſten und faſt die einzi-
gen wahrhaft wiſſenſchaftlichen, welche je in landwirthſchaftlicher Be-
ziehung angeſtellt ſind, über allen Zweifel erhoben wird. Bouſſingault
beſtimmte auf ſeinem Gute Bechelbronn im Elſaß 4 Hectaren
Landes (genau 16 heſſiſche Morgen) zu Verſuchen, die mit derſelben
Genauigkeit viele Jahre fortgeſetzt wurden. Die Länge der Zeit, die
Größe des benutzten Areals vernichten alle Einwürfe, welche ſonſt
bei Verſuchen im Kleinen gemacht werden können. Bouſſingault ließ
jene 16 Morgen während 21 Verſuchsjahren ganz auf die im Elſaß
gebräuchliche Weiſe beſtellen. Es wurde aber genau der Dünger ge-
wogen, welcher aufgefahren, ebenſo alles das, was jedes Jahr ge-
erntet wurde, und von beiden wurde ſtets durch genaue chemiſche
Unterſuchungen die darin enthaltene Menge von Kohlenſtoff, Waſſer-
ſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff und Aſchenbeſtandtheilen beſtimmt. Das
Reſultat dieſer Verſuche war, daß durchſchnittlich im Jahre mit der
Ernte zweimal ſo viel Stickſtoff, dreimal ſo viel Kohlenſtoff und
Waſſerſtoff und viermal ſo viel Sauerſtoff vom Boden gewonnen,
als mit dem Dünger darauf gebracht wird, wobei noch vorausgeſetzt
iſt, daß der ſämmtliche Gehalt des Düngers den Pflanzen zu Gute
kommt, was doch in der That nicht der Fall ſeyn kann.
Iſt nun Kohlenſäure, Ammoniak und Waſſer die Nahrung der
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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