breitet, und das übrige Europa hat seinen reichlichen Antheil an die- sem neuen Getränke gefordert.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts wurden einer russischen Ge- sandtschaft nach China für ihre prachtvollen Zobelpelze sorgfältig ver- packte getrocknete grüne Blätter als Gegengeschenk gegeben, und selbst trotz ihres Protestirens gegen so unnütze Waare aufgedrungen. Aber als sie dieselbe nach Moskau brachten und vorschriftsmäßig bereiten ließen, fand der Thee, denn das war es, gleich großen Beifall. Fast um dieselbe Zeit versuchte die holländisch-ostindische Compagnie Salbey, den man damals ähnlich wie jetzt den Thee genoß, nach China zu verhandeln, und erhielt dafür als Aequivalent chinesischen Thee. 1664 glaubte die englisch-ostindische Compagnie dem Könige von England mit 2 Pfund Thee ein glänzendes Geschenk zu machen. Der Gebrauch des Thees als Getränk verliert sich in China in die frühesten Zeiten und die Sagen erzählen schon im 3. Jahrhundert mit Bestimmtheit davon. Die älteste chinesische Sage erinnert auf- fallend an den Grund der Einführung des Caffeetrinkens in Arabien. Sie erzählt: Ein frommer Eremit, der bei Wachen und Gebet oftmals vom Schlafe überrascht worden war, so daß ihm die Augen zufielen, schnitt sich, in heiligem Eifer gegen das schwache Fleisch zürnend, die Augenlider ab und warf sie auf die Erde. Aber ein Gott ließ aus denselben den Theestrauch aufwachsen, dessen Blätter noch die Form eines mit Wimpern besetzten Augenlides zeigen und die Gabe besitzen, den Schlaf zu verscheuchen. -- Als die Europäer ihn kennen lernten, war er schon im ganzen südöstlichen Asien allgemein verbreitet, und Europa blieb nicht lange hinter seinen Lehrmeistern zurück. Zur See werden jetzt jährlich etwa 50 Mill. Pfund aus China ausgeführt, über Kiächta gegen 10 Mill., nach Thübet, Indien etc. zu kommen vielleicht nahe an 30 Mill. In China und Japan selbst werden sicher 400 Mill. Pfund consumirt, so daß die Gesammtproduction mit 500 Mill. Pfund gewiß nicht allzu hoch angeschlagen ist.
Mit derselben Leidenschaft, mit welcher der Chinese seinen Thee genießt, erfreut sich der Brasilianer und fast die ganze Bevölkerung von
breitet, und das übrige Europa hat ſeinen reichlichen Antheil an die- ſem neuen Getränke gefordert.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts wurden einer ruſſiſchen Ge- ſandtſchaft nach China für ihre prachtvollen Zobelpelze ſorgfältig ver- packte getrocknete grüne Blätter als Gegengeſchenk gegeben, und ſelbſt trotz ihres Proteſtirens gegen ſo unnütze Waare aufgedrungen. Aber als ſie dieſelbe nach Moskau brachten und vorſchriftsmäßig bereiten ließen, fand der Thee, denn das war es, gleich großen Beifall. Faſt um dieſelbe Zeit verſuchte die holländiſch-oſtindiſche Compagnie Salbey, den man damals ähnlich wie jetzt den Thee genoß, nach China zu verhandeln, und erhielt dafür als Aequivalent chineſiſchen Thee. 1664 glaubte die engliſch-oſtindiſche Compagnie dem Könige von England mit 2 Pfund Thee ein glänzendes Geſchenk zu machen. Der Gebrauch des Thees als Getränk verliert ſich in China in die früheſten Zeiten und die Sagen erzählen ſchon im 3. Jahrhundert mit Beſtimmtheit davon. Die älteſte chineſiſche Sage erinnert auf- fallend an den Grund der Einführung des Caffeetrinkens in Arabien. Sie erzählt: Ein frommer Eremit, der bei Wachen und Gebet oftmals vom Schlafe überraſcht worden war, ſo daß ihm die Augen zufielen, ſchnitt ſich, in heiligem Eifer gegen das ſchwache Fleiſch zürnend, die Augenlider ab und warf ſie auf die Erde. Aber ein Gott ließ aus denſelben den Theeſtrauch aufwachſen, deſſen Blätter noch die Form eines mit Wimpern beſetzten Augenlides zeigen und die Gabe beſitzen, den Schlaf zu verſcheuchen. — Als die Europäer ihn kennen lernten, war er ſchon im ganzen ſüdöſtlichen Aſien allgemein verbreitet, und Europa blieb nicht lange hinter ſeinen Lehrmeiſtern zurück. Zur See werden jetzt jährlich etwa 50 Mill. Pfund aus China ausgeführt, über Kiächta gegen 10 Mill., nach Thübet, Indien ꝛc. zu kommen vielleicht nahe an 30 Mill. In China und Japan ſelbſt werden ſicher 400 Mill. Pfund conſumirt, ſo daß die Geſammtproduction mit 500 Mill. Pfund gewiß nicht allzu hoch angeſchlagen iſt.
Mit derſelben Leidenſchaft, mit welcher der Chineſe ſeinen Thee genießt, erfreut ſich der Braſilianer und faſt die ganze Bevölkerung von
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breitet, und das übrige Europa hat ſeinen reichlichen Antheil an die-
ſem neuen Getränke gefordert.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts wurden einer ruſſiſchen Ge-
ſandtſchaft nach China für ihre prachtvollen Zobelpelze ſorgfältig ver-
packte getrocknete grüne Blätter als Gegengeſchenk gegeben, und ſelbſt
trotz ihres Proteſtirens gegen ſo unnütze Waare aufgedrungen. Aber
als ſie dieſelbe nach Moskau brachten und vorſchriftsmäßig bereiten
ließen, fand der Thee, denn das war es, gleich großen Beifall.
Faſt um dieſelbe Zeit verſuchte die holländiſch-oſtindiſche Compagnie
Salbey, den man damals ähnlich wie jetzt den Thee genoß, nach
China zu verhandeln, und erhielt dafür als Aequivalent chineſiſchen
Thee. 1664 glaubte die engliſch-oſtindiſche Compagnie dem Könige
von England mit 2 Pfund Thee ein glänzendes Geſchenk zu machen.
Der Gebrauch des Thees als Getränk verliert ſich in China in die
früheſten Zeiten und die Sagen erzählen ſchon im 3. Jahrhundert
mit Beſtimmtheit davon. Die älteſte chineſiſche Sage erinnert auf-
fallend an den Grund der Einführung des Caffeetrinkens in Arabien.
Sie erzählt: Ein frommer Eremit, der bei Wachen und Gebet oftmals
vom Schlafe überraſcht worden war, ſo daß ihm die Augen zufielen,
ſchnitt ſich, in heiligem Eifer gegen das ſchwache Fleiſch zürnend, die
Augenlider ab und warf ſie auf die Erde. Aber ein Gott ließ aus
denſelben den Theeſtrauch aufwachſen, deſſen Blätter noch die Form
eines mit Wimpern beſetzten Augenlides zeigen und die Gabe beſitzen,
den Schlaf zu verſcheuchen. — Als die Europäer ihn kennen lernten,
war er ſchon im ganzen ſüdöſtlichen Aſien allgemein verbreitet, und
Europa blieb nicht lange hinter ſeinen Lehrmeiſtern zurück. Zur See
werden jetzt jährlich etwa 50 Mill. Pfund aus China ausgeführt,
über Kiächta gegen 10 Mill., nach Thübet, Indien ꝛc. zu kommen
vielleicht nahe an 30 Mill. In China und Japan ſelbſt werden ſicher
400 Mill. Pfund conſumirt, ſo daß die Geſammtproduction mit
500 Mill. Pfund gewiß nicht allzu hoch angeſchlagen iſt.
Mit derſelben Leidenſchaft, mit welcher der Chineſe ſeinen Thee
genießt, erfreut ſich der Braſilianer und faſt die ganze Bevölkerung von
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/151>, abgerufen am 21.11.2024.
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