Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom indogerman. sprachstamme.
die sprache der achämenidischen keilinschriften (westeranisch).
Zu diser familie gehört ferner das armenische, welches wir
erst auß späterer zeit kennen und-das sich frühe schon von der
eranischen grundsprache ab gesezt haben muß.

2. die südwestliche europäische abteilung, beste-
hend auß griechisch, dem wol das nur in späterer sprach-
form erhaltene albanesische zunächst zu stellen ist, italisch
(die ältesten bekanten formen diser familie sind das lateinische,
besonders wichtig für uns ist das altlateinische vor einfürung
der unter griechischem einfluße gebildeten correcten schrift-
sprache, das umbrische und oskische), keltisch (die am
besten erhaltene -- aber dennoch schon ser zersezte -- sprache
der keltischen familie ist das altirische, etwa vom 7ten jarh.
unserer zeitrechnung an zugänglich). Italisch und keltisch sind
einander änlicher als dem griechischen.

3. die nördliche europäische abteilung, bestehend auß
der slawischen familie mit der ser nahe verwanten litaui-
schen
(die wir von der wichtigsten sprache derselben benen-
nen) und der von beiden weiter ab stehenden deutschen.
Älteste sprachformen diser abteilung sind das altbulgarische
(altkirchenslawische, in datierten handschriften erst auß d. 11.
jarh.), das litauische (und zwar das hochlitauische, südlitaui-
sche, preußisch litauische) erst seit 3 jarhunderten zugänglich,
aber noch immer auf ser alter lautstufe verharrend *) und das
gotische (auß dem 4. jarh.). Neben dem gotischen sind jedoch
die altertümlichsten vertreter des deutschen und des nordischen,
das althochdeutsche und altnordische, da, wo sie ältere
formen bieten als das gotische, bei zu ziehen.

Am meisten altertümliches in den lauten und im bau der
sprache ist erhalten in der asiatischen abteilung und hier wider
im altindischen; dann folgt in bezug auf altertümlichkeit (d. h.
bewarung von änlichkeit mit der ursprache bei weniger stark
entwickelten eigentümlichen formen) die südliche europäische

*) das preußische (altpreußische) dem litauischen ser nahe stehend,
ist nur in wenig umfangreicher und in jeder beziehung verwarloster auf-
zeichnung erhalten, das lettische zeigt eine jüngere sprachform.

Vom indogerman. sprachstamme.
die sprache der achämenidischen keilinschriften (westeranisch).
Zu diser familie gehört ferner das armenische, welches wir
erst auß späterer zeit kennen und-das sich frühe schon von der
eranischen grundsprache ab gesezt haben muß.

2. die südwestliche europäische abteilung, beste-
hend auß griechisch, dem wol das nur in späterer sprach-
form erhaltene albanesische zunächst zu stellen ist, italisch
(die ältesten bekanten formen diser familie sind das lateinische,
besonders wichtig für uns ist das altlateinische vor einfürung
der unter griechischem einfluße gebildeten correcten schrift-
sprache, das umbrische und oskische), keltisch (die am
besten erhaltene — aber dennoch schon ser zersezte — sprache
der keltischen familie ist das altirische, etwa vom 7ten jarh.
unserer zeitrechnung an zugänglich). Italisch und keltisch sind
einander änlicher als dem griechischen.

3. die nördliche europäische abteilung, bestehend auß
der slawischen familie mit der ser nahe verwanten litaui-
schen
(die wir von der wichtigsten sprache derselben benen-
nen) und der von beiden weiter ab stehenden deutschen.
Älteste sprachformen diser abteilung sind das altbulgarische
(altkirchenslawische, in datierten handschriften erst auß d. 11.
jarh.), das litauische (und zwar das hochlitauische, südlitaui-
sche, preußisch litauische) erst seit 3 jarhunderten zugänglich,
aber noch immer auf ser alter lautstufe verharrend *) und das
gotische (auß dem 4. jarh.). Neben dem gotischen sind jedoch
die altertümlichsten vertreter des deutschen und des nordischen,
das althochdeutsche und altnordische, da, wo sie ältere
formen bieten als das gotische, bei zu ziehen.

Am meisten altertümliches in den lauten und im bau der
sprache ist erhalten in der asiatischen abteilung und hier wider
im altindischen; dann folgt in bezug auf altertümlichkeit (d. h.
bewarung von änlichkeit mit der ursprache bei weniger stark
entwickelten eigentümlichen formen) die südliche europäische

*) das preußische (altpreußische) dem litauischen ser nahe stehend,
ist nur in wenig umfangreicher und in jeder beziehung verwarloster auf-
zeichnung erhalten, das lettische zeigt eine jüngere sprachform.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="5"/><fw place="top" type="header">Vom indogerman. sprachstamme.</fw><lb/>
die sprache der achämenidischen keilinschriften (westeranisch).<lb/>
Zu diser familie gehört ferner das <hi rendition="#g">armenische</hi>, welches wir<lb/>
erst auß späterer zeit kennen und-das sich frühe schon von der<lb/>
eranischen grundsprache ab gesezt haben muß.</p><lb/>
        <p>2. die <hi rendition="#g">südwestliche europäische abteilung</hi>, beste-<lb/>
hend auß <hi rendition="#g">griechisch</hi>, dem wol das nur in späterer sprach-<lb/>
form erhaltene <hi rendition="#g">albanesische</hi> zunächst zu stellen ist, <hi rendition="#g">italisch</hi><lb/>
(die ältesten bekanten formen diser familie sind das <hi rendition="#g">lateinische</hi>,<lb/>
besonders wichtig für uns ist das altlateinische vor einfürung<lb/>
der unter griechischem einfluße gebildeten correcten schrift-<lb/>
sprache, das <hi rendition="#g">umbrische</hi> und <hi rendition="#g">oskische</hi>), <hi rendition="#g">keltisch</hi> (die am<lb/>
besten erhaltene &#x2014; aber dennoch schon ser zersezte &#x2014; sprache<lb/>
der keltischen familie ist das <hi rendition="#g">altirische</hi>, etwa vom 7ten jarh.<lb/>
unserer zeitrechnung an zugänglich). Italisch und keltisch sind<lb/>
einander änlicher als dem griechischen.</p><lb/>
        <p>3. die <hi rendition="#g">nördliche europäische</hi> abteilung, bestehend auß<lb/>
der <hi rendition="#g">slawischen</hi> familie mit der ser nahe verwanten <hi rendition="#g">litaui-<lb/>
schen</hi> (die wir von der wichtigsten sprache derselben benen-<lb/>
nen) und der von beiden weiter ab stehenden <hi rendition="#g">deutschen</hi>.<lb/>
Älteste sprachformen diser abteilung sind das <hi rendition="#g">altbulgarische</hi><lb/>
(altkirchenslawische, in datierten handschriften erst auß d. 11.<lb/>
jarh.), das <hi rendition="#g">litauische</hi> (und zwar das hochlitauische, südlitaui-<lb/>
sche, preußisch litauische) erst seit 3 jarhunderten zugänglich,<lb/>
aber noch immer auf ser alter lautstufe verharrend <note place="foot" n="*)">das <hi rendition="#g">preußische</hi> (altpreußische) dem litauischen ser nahe stehend,<lb/>
ist nur in wenig umfangreicher und in jeder beziehung verwarloster auf-<lb/>
zeichnung erhalten, das <hi rendition="#g">lettische</hi> zeigt eine jüngere sprachform.</note> und das<lb/><hi rendition="#g">gotische</hi> (auß dem 4. jarh.). Neben dem gotischen sind jedoch<lb/>
die altertümlichsten vertreter des deutschen und des nordischen,<lb/>
das <hi rendition="#g">althochdeutsche</hi> und <hi rendition="#g">altnordische</hi>, da, wo sie ältere<lb/>
formen bieten als das gotische, bei zu ziehen.</p><lb/>
        <p>Am meisten altertümliches in den lauten und im bau der<lb/>
sprache ist erhalten in der asiatischen abteilung und hier wider<lb/>
im altindischen; dann folgt in bezug auf altertümlichkeit (d. h.<lb/>
bewarung von änlichkeit mit der ursprache bei weniger stark<lb/>
entwickelten eigentümlichen formen) die südliche europäische<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[5/0019] Vom indogerman. sprachstamme. die sprache der achämenidischen keilinschriften (westeranisch). Zu diser familie gehört ferner das armenische, welches wir erst auß späterer zeit kennen und-das sich frühe schon von der eranischen grundsprache ab gesezt haben muß. 2. die südwestliche europäische abteilung, beste- hend auß griechisch, dem wol das nur in späterer sprach- form erhaltene albanesische zunächst zu stellen ist, italisch (die ältesten bekanten formen diser familie sind das lateinische, besonders wichtig für uns ist das altlateinische vor einfürung der unter griechischem einfluße gebildeten correcten schrift- sprache, das umbrische und oskische), keltisch (die am besten erhaltene — aber dennoch schon ser zersezte — sprache der keltischen familie ist das altirische, etwa vom 7ten jarh. unserer zeitrechnung an zugänglich). Italisch und keltisch sind einander änlicher als dem griechischen. 3. die nördliche europäische abteilung, bestehend auß der slawischen familie mit der ser nahe verwanten litaui- schen (die wir von der wichtigsten sprache derselben benen- nen) und der von beiden weiter ab stehenden deutschen. Älteste sprachformen diser abteilung sind das altbulgarische (altkirchenslawische, in datierten handschriften erst auß d. 11. jarh.), das litauische (und zwar das hochlitauische, südlitaui- sche, preußisch litauische) erst seit 3 jarhunderten zugänglich, aber noch immer auf ser alter lautstufe verharrend *) und das gotische (auß dem 4. jarh.). Neben dem gotischen sind jedoch die altertümlichsten vertreter des deutschen und des nordischen, das althochdeutsche und altnordische, da, wo sie ältere formen bieten als das gotische, bei zu ziehen. Am meisten altertümliches in den lauten und im bau der sprache ist erhalten in der asiatischen abteilung und hier wider im altindischen; dann folgt in bezug auf altertümlichkeit (d. h. bewarung von änlichkeit mit der ursprache bei weniger stark entwickelten eigentümlichen formen) die südliche europäische *) das preußische (altpreußische) dem litauischen ser nahe stehend, ist nur in wenig umfangreicher und in jeder beziehung verwarloster auf- zeichnung erhalten, das lettische zeigt eine jüngere sprachform.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/19
Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/19>, abgerufen am 12.12.2024.