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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Gotisch. Vocalische lautgesetze. Außlautsgesetz.
b. in hvaz-u-h quisque, grundf. kas-ka u. a.). Daß auch außer-
dem, namentlich bei i, auch in gotischen worten (in fremdwor-
ten ist ai = e, au = o), die wandlung des einfachen lautes in
den 'gebrochenen' (Grimm) statt finde, ist warscheinlich, z. b.
baitrs, vgl. ahd. pitar (amarus); vaila, vgl. ahd. wela (bene) wurz.
var; jains, vgl. ahd. jener (ille). Darf man den reduplications-
vocal ai hierher rechnen?

Diß gesetz der wandlung von i, u zu ai, au ist ser jung
und dem gotischen eigentümlich.

2. Nicht bloß in auß lautenden silben (§. 113, 4), sondern
auch in in lautenden ist bisweilen ja, ja zu ei geworden, z. b.
mahteigs (potens) auß *mahtjags, mahti + ag-s von stamm mahti
(potentia) mit suffix aga (vgl. gredags, audags); bereima 1. pl.
opt. perf. auß *babar-ja-ma wie bereis 2. sg. perf. opt. auß
*babarjas; beri 3. sg. perf. opt. auß *babarjat; hier ist im auß-
laute ja zu i geworden (s. u. §. 113, 4).

Einschiebung eines hilfsvocales u findet nicht sel-§. 112.
ten statt; so bei antritt der partikel h auß ka (que); nach dem
außlautsgesetze (s. d. flg. paragr.) fält das a hinweg, nach dem
gesetze der consonantenvertretung (lautverschiebung) wird k zu
h, z. b. hvaz-u-h auß urspr. kas-ka (vgl. sa-h auß sa-ka); im
perfectum, welche tempusform, wie im gotischen der optativ
deutlich beweist, die endungen an die wurzel unmittelbar sezt,
auß bhabar-masi z. b. ward *bar-mas dann *bar-m und endlich
*bar-um, d. i. gotisch berum. Nach diser analogie ward dann
auch z. b. saisoum 1. pl. perf. zu wurz. sa (serere) mit unnöti-
gem u gebildet; man hätte *saiso-m erwartet.

Anm. 1. Nach der analogie von formen wie hvaz-uh wird auch
thammuh für das zu erwartende *thammeh grundf. tasmai-ka
gebildet.
Anm. 2. -uh nicht -auh, wie man nach §. 111, 1 zu erwarten
hat, warscheinlich deshalb, weil u hier nur hilfsvocal ist.

Außlautsgesetz*). In den ursprüngl. endsilben mer§. 113.
als einsilbiger worte fält urspr. a und i ab und auß (wenn ein

*) Zuerst entwickelt von Westphal in Kuhns Ztschr. II, p. 161 flg.
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Gotisch. Vocalische lautgesetze. Außlautsgesetz.
b. in hvaz-u-h quisque, grundf. kas-ka u. a.). Daß auch außer-
dem, namentlich bei i, auch in gotischen worten (in fremdwor-
ten ist = ε, aú = ο), die wandlung des einfachen lautes in
den ‘gebrochenen’ (Grimm) statt finde, ist warscheinlich, z. b.
baitrs, vgl. ahd. pitar (amarus); vaila, vgl. ahd. wëla (bene) wurz.
var; jains, vgl. ahd. jënêr (ille). Darf man den reduplications-
vocal ai hierher rechnen?

Diß gesetz der wandlung von i, u zu aí, aú ist ser jung
und dem gotischen eigentümlich.

2. Nicht bloß in auß lautenden silben (§. 113, 4), sondern
auch in in lautenden ist bisweilen ja, zu ei geworden, z. b.
mahteigs (potens) auß *mahtjags, mahti + ag-s von stamm mahti
(potentia) mit suffix aga (vgl. grêdags, audags); bêreima 1. pl.
opt. perf. auß *babâr-jâ-ma wie bêreis 2. sg. perf. opt. auß
*babârjâs; bêri 3. sg. perf. opt. auß *babârjât; hier ist im auß-
laute zu i geworden (s. u. §. 113, 4).

Einschiebung eines hilfsvocales u findet nicht sel-§. 112.
ten statt; so bei antritt der partikel h auß ka (que); nach dem
außlautsgesetze (s. d. flg. paragr.) fält das a hinweg, nach dem
gesetze der consonantenvertretung (lautverschiebung) wird k zu
h, z. b. hvaz-u-h auß urspr. kas-ka (vgl. sa-h auß sa-ka); im
perfectum, welche tempusform, wie im gotischen der optativ
deutlich beweist, die endungen an die wurzel unmittelbar sezt,
auß bhabâr-masi z. b. ward *bâr-mas dann *bâr-m und endlich
*bâr-um, d. i. gotisch bêrum. Nach diser analogie ward dann
auch z. b. saisôum 1. pl. perf. zu wurz. sa (serere) mit unnöti-
gem u gebildet; man hätte *saisô-m erwartet.

Anm. 1. Nach der analogie von formen wie hvaz-uh wird auch
thammuh für das zu erwartende *thammêh grundf. tasmâi-ka
gebildet.
Anm. 2. -uh nicht -aúh, wie man nach §. 111, 1 zu erwarten
hat, warscheinlich deshalb, weil u hier nur hilfsvocal ist.

Außlautsgesetz*). In den ursprüngl. endsilben mer§. 113.
als einsilbiger worte fält urspr. a und i ab und auß (wenn ein

*) Zuerst entwickelt von Westphal in Kuhns Ztschr. II, p. 161 flg.
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[131/0145] Gotisch. Vocalische lautgesetze. Außlautsgesetz. b. in hvaz-u-h quisque, grundf. kas-ka u. a.). Daß auch außer- dem, namentlich bei i, auch in gotischen worten (in fremdwor- ten ist aí = ε, aú = ο), die wandlung des einfachen lautes in den ‘gebrochenen’ (Grimm) statt finde, ist warscheinlich, z. b. baitrs, vgl. ahd. pitar (amarus); vaila, vgl. ahd. wëla (bene) wurz. var; jains, vgl. ahd. jënêr (ille). Darf man den reduplications- vocal ai hierher rechnen? Diß gesetz der wandlung von i, u zu aí, aú ist ser jung und dem gotischen eigentümlich. 2. Nicht bloß in auß lautenden silben (§. 113, 4), sondern auch in in lautenden ist bisweilen ja, jâ zu ei geworden, z. b. mahteigs (potens) auß *mahtjags, mahti + ag-s von stamm mahti (potentia) mit suffix aga (vgl. grêdags, audags); bêreima 1. pl. opt. perf. auß *babâr-jâ-ma wie bêreis 2. sg. perf. opt. auß *babârjâs; bêri 3. sg. perf. opt. auß *babârjât; hier ist im auß- laute jâ zu i geworden (s. u. §. 113, 4). Einschiebung eines hilfsvocales u findet nicht sel- ten statt; so bei antritt der partikel h auß ka (que); nach dem außlautsgesetze (s. d. flg. paragr.) fält das a hinweg, nach dem gesetze der consonantenvertretung (lautverschiebung) wird k zu h, z. b. hvaz-u-h auß urspr. kas-ka (vgl. sa-h auß sa-ka); im perfectum, welche tempusform, wie im gotischen der optativ deutlich beweist, die endungen an die wurzel unmittelbar sezt, auß bhabâr-masi z. b. ward *bâr-mas dann *bâr-m und endlich *bâr-um, d. i. gotisch bêrum. Nach diser analogie ward dann auch z. b. saisôum 1. pl. perf. zu wurz. sa (serere) mit unnöti- gem u gebildet; man hätte *saisô-m erwartet. §. 112. Anm. 1. Nach der analogie von formen wie hvaz-uh wird auch thammuh für das zu erwartende *thammêh grundf. tasmâi-ka gebildet. Anm. 2. -uh nicht -aúh, wie man nach §. 111, 1 zu erwarten hat, warscheinlich deshalb, weil u hier nur hilfsvocal ist. Außlautsgesetz *). In den ursprüngl. endsilben mer als einsilbiger worte fält urspr. a und i ab und auß (wenn ein §. 113. *) Zuerst entwickelt von Westphal in Kuhns Ztschr. II, p. 161 flg. 9*

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/145>, abgerufen am 23.12.2024.