Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

haben, mit dem man die Gunst und
Gabe der Götter annehmen muß. Er
lernte das schöne Glück ehren, was
er gefunden hatte, und wenn er es
mit dem häßlichen unächten Glück
verglich, was er ehedem vom Eigen-
sinn des Zufalls künstlich erzwingen
wollte, so erschien es ihm wie eine
natürliche Rose am lebendigen Stamm
gegen eine nachgemachte. Aber we-
der im Taumel der Nächte noch in
der Freude der Tage wollte er es
Liebe nennen. So sehr hatte er sich
beredet, daß diese gar nicht für ihn
sey und er nicht für sie! Es fand
sich leicht ein Unterschied, um diese
Selbsttäuschung zu bestätigen. Er
hege, so war sein Urtheil, eine hef-
tige Leidenschaft für sie und werde

haben, mit dem man die Gunſt und
Gabe der Götter annehmen muß. Er
lernte das ſchöne Glück ehren, was
er gefunden hatte, und wenn er es
mit dem häßlichen unächten Glück
verglich, was er ehedem vom Eigen-
ſinn des Zufalls künſtlich erzwingen
wollte, ſo erſchien es ihm wie eine
natürliche Roſe am lebendigen Stamm
gegen eine nachgemachte. Aber we-
der im Taumel der Nächte noch in
der Freude der Tage wollte er es
Liebe nennen. So ſehr hatte er ſich
beredet, daß dieſe gar nicht für ihn
ſey und er nicht für ſie! Es fand
ſich leicht ein Unterſchied, um dieſe
Selbſttäuſchung zu beſtätigen. Er
hege, ſo war ſein Urtheil, eine hef-
tige Leidenſchaft für ſie und werde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0203" n="198"/>
haben, mit dem man die Gun&#x017F;t und<lb/>
Gabe der Götter annehmen muß. Er<lb/>
lernte das &#x017F;chöne Glück ehren, was<lb/>
er gefunden hatte, und wenn er es<lb/>
mit dem häßlichen unächten Glück<lb/>
verglich, was er ehedem vom Eigen-<lb/>
&#x017F;inn des Zufalls kün&#x017F;tlich erzwingen<lb/>
wollte, &#x017F;o er&#x017F;chien es ihm wie eine<lb/>
natürliche Ro&#x017F;e am lebendigen Stamm<lb/>
gegen eine nachgemachte. Aber we-<lb/>
der im Taumel der Nächte noch in<lb/>
der Freude der Tage wollte er es<lb/>
Liebe nennen. So &#x017F;ehr hatte er &#x017F;ich<lb/>
beredet, daß die&#x017F;e gar nicht für ihn<lb/>
&#x017F;ey und er nicht für &#x017F;ie! Es fand<lb/>
&#x017F;ich leicht ein Unter&#x017F;chied, um die&#x017F;e<lb/>
Selb&#x017F;ttäu&#x017F;chung zu be&#x017F;tätigen. Er<lb/>
hege, &#x017F;o war &#x017F;ein Urtheil, eine hef-<lb/>
tige Leiden&#x017F;chaft für &#x017F;ie und werde<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0203] haben, mit dem man die Gunſt und Gabe der Götter annehmen muß. Er lernte das ſchöne Glück ehren, was er gefunden hatte, und wenn er es mit dem häßlichen unächten Glück verglich, was er ehedem vom Eigen- ſinn des Zufalls künſtlich erzwingen wollte, ſo erſchien es ihm wie eine natürliche Roſe am lebendigen Stamm gegen eine nachgemachte. Aber we- der im Taumel der Nächte noch in der Freude der Tage wollte er es Liebe nennen. So ſehr hatte er ſich beredet, daß dieſe gar nicht für ihn ſey und er nicht für ſie! Es fand ſich leicht ein Unterſchied, um dieſe Selbſttäuſchung zu beſtätigen. Er hege, ſo war ſein Urtheil, eine hef- tige Leidenſchaft für ſie und werde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/203
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/203>, abgerufen am 22.11.2024.