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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Sokuntola mit ihm an Hof zu dem König geht,
um diesen an das gegebene Versprechen, daß er
ihren Sohn zum Erben des Reichs erklären
wolle, zu mahnen. Dushvonto verläugnet die
Sokuntola nur deswegen, weil er fürchtet, wenn
er so leicht ohne Beweis in die Anerkennung
willige, möge Verdacht gegen die Aechtheit des
Kindes bei den Großen des Reichs entstehen;
vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu
stellen.

Sokuntola geräth über seine Härte in hohen
Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol-
gende Rede aus, die den Untreuen an die
Stimme des Gewissens und der allsehenden Gott-
heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und
die Schönheit der kindlichen Natur schildert, und
mit einer sanften Klage über ihr Unglück endet.

Wohl mich kennend, erhabner Fürst, warum redest
du so zu mir;
"Ich kenne dich nicht", ganz furchtlos, wie ein
niedrig gebohrener?
Da dein Herz doch wohl wissend ist, was hier wahr
und was falsches ist;
Dieß Kind der Liebe verwerfend, schmähst du da-
durch ja selber dich:

Sokuntola mit ihm an Hof zu dem Koͤnig geht,
um dieſen an das gegebene Verſprechen, daß er
ihren Sohn zum Erben des Reichs erklaͤren
wolle, zu mahnen. Duſhvonto verlaͤugnet die
Sokuntola nur deswegen, weil er fuͤrchtet, wenn
er ſo leicht ohne Beweis in die Anerkennung
willige, moͤge Verdacht gegen die Aechtheit des
Kindes bei den Großen des Reichs entſtehen;
vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu
ſtellen.

Sokuntola geraͤth uͤber ſeine Haͤrte in hohen
Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol-
gende Rede aus, die den Untreuen an die
Stimme des Gewiſſens und der allſehenden Gott-
heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und
die Schoͤnheit der kindlichen Natur ſchildert, und
mit einer ſanften Klage uͤber ihr Ungluͤck endet.

Wohl mich kennend, erhabner Fürſt, warum redeſt
du ſo zu mir;
„Ich kenne dich nicht“, ganz furchtlos, wie ein
niedrig gebohrener?
Da dein Herz doch wohl wiſſend iſt, was hier wahr
und was falſches iſt;
Dieß Kind der Liebe verwerfend, ſchmähſt du da-
durch ja ſelber dich:
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[319/0338] Sokuntola mit ihm an Hof zu dem Koͤnig geht, um dieſen an das gegebene Verſprechen, daß er ihren Sohn zum Erben des Reichs erklaͤren wolle, zu mahnen. Duſhvonto verlaͤugnet die Sokuntola nur deswegen, weil er fuͤrchtet, wenn er ſo leicht ohne Beweis in die Anerkennung willige, moͤge Verdacht gegen die Aechtheit des Kindes bei den Großen des Reichs entſtehen; vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu ſtellen. Sokuntola geraͤth uͤber ſeine Haͤrte in hohen Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol- gende Rede aus, die den Untreuen an die Stimme des Gewiſſens und der allſehenden Gott- heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und die Schoͤnheit der kindlichen Natur ſchildert, und mit einer ſanften Klage uͤber ihr Ungluͤck endet. Wohl mich kennend, erhabner Fürſt, warum redeſt du ſo zu mir; „Ich kenne dich nicht“, ganz furchtlos, wie ein niedrig gebohrener? Da dein Herz doch wohl wiſſend iſt, was hier wahr und was falſches iſt; Dieß Kind der Liebe verwerfend, ſchmähſt du da- durch ja ſelber dich:

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/338>, abgerufen am 28.11.2024.