Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

theils aber auch ein unentbehrliches Mittelglied
der europäischen Bildung und der orientalischen
Ueberlieferung sind, so wie die römische Literatur
den Uebergang von den Griechen zum Mittelalter
bildet; so dürfte doch das indische Studium allein
dahin führen, die bis jetzt noch ganz unbekannten
Gegenden des frühsten Alterthums aufzuhellen,
und dabei an dichterischen Schönheiten und philo-
sophischem Tiefsinn nicht minder reiche Schätze
darzubieten haben.

Und wenn eine zu einseitige und bloß spielende
Beschäftigung mit den Griechen den Geist in den
letzten Jahrhunderten zu sehr von dem alten Ernst
oder gar von der Quelle aller höhern Wahrheit
entfernt hat, so dürfte diese ganz neue Kenntniß
und Anschauung des orientalischen Alterthums,
je tiefer wir darin eindringen, um so mehr zu der
Erkenntniß des Göttlichen und zu jener Kraft der
Gesinnung wieder zurückführen, die aller Kunst
und allem Wissen erst Licht und Leben giebt.


theils aber auch ein unentbehrliches Mittelglied
der europaͤiſchen Bildung und der orientaliſchen
Ueberlieferung ſind, ſo wie die roͤmiſche Literatur
den Uebergang von den Griechen zum Mittelalter
bildet; ſo duͤrfte doch das indiſche Studium allein
dahin fuͤhren, die bis jetzt noch ganz unbekannten
Gegenden des fruͤhſten Alterthums aufzuhellen,
und dabei an dichteriſchen Schoͤnheiten und philo-
ſophiſchem Tiefſinn nicht minder reiche Schaͤtze
darzubieten haben.

Und wenn eine zu einſeitige und bloß ſpielende
Beſchaͤftigung mit den Griechen den Geiſt in den
letzten Jahrhunderten zu ſehr von dem alten Ernſt
oder gar von der Quelle aller hoͤhern Wahrheit
entfernt hat, ſo duͤrfte dieſe ganz neue Kenntniß
und Anſchauung des orientaliſchen Alterthums,
je tiefer wir darin eindringen, um ſo mehr zu der
Erkenntniß des Goͤttlichen und zu jener Kraft der
Geſinnung wieder zuruͤckfuͤhren, die aller Kunſt
und allem Wiſſen erſt Licht und Leben giebt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="219"/>
theils aber auch ein unentbehrliches Mittelglied<lb/>
der europa&#x0364;i&#x017F;chen Bildung und der orientali&#x017F;chen<lb/>
Ueberlieferung &#x017F;ind, &#x017F;o wie die ro&#x0364;mi&#x017F;che Literatur<lb/>
den Uebergang von den Griechen zum Mittelalter<lb/>
bildet; &#x017F;o du&#x0364;rfte doch das indi&#x017F;che Studium allein<lb/>
dahin fu&#x0364;hren, die bis jetzt noch ganz unbekannten<lb/>
Gegenden des fru&#x0364;h&#x017F;ten Alterthums aufzuhellen,<lb/>
und dabei an dichteri&#x017F;chen Scho&#x0364;nheiten und philo-<lb/>
&#x017F;ophi&#x017F;chem Tief&#x017F;inn nicht minder reiche Scha&#x0364;tze<lb/>
darzubieten haben.</p><lb/>
          <p>Und wenn eine zu ein&#x017F;eitige und bloß &#x017F;pielende<lb/>
Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung mit den Griechen den Gei&#x017F;t in den<lb/>
letzten Jahrhunderten zu &#x017F;ehr von dem alten Ern&#x017F;t<lb/>
oder gar von der Quelle aller ho&#x0364;hern Wahrheit<lb/>
entfernt hat, &#x017F;o du&#x0364;rfte die&#x017F;e ganz neue Kenntniß<lb/>
und An&#x017F;chauung des orientali&#x017F;chen Alterthums,<lb/>
je tiefer wir darin eindringen, um &#x017F;o mehr zu der<lb/>
Erkenntniß des Go&#x0364;ttlichen und zu jener Kraft der<lb/>
Ge&#x017F;innung wieder zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hren, die aller Kun&#x017F;t<lb/>
und allem Wi&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;t Licht und Leben giebt.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0238] theils aber auch ein unentbehrliches Mittelglied der europaͤiſchen Bildung und der orientaliſchen Ueberlieferung ſind, ſo wie die roͤmiſche Literatur den Uebergang von den Griechen zum Mittelalter bildet; ſo duͤrfte doch das indiſche Studium allein dahin fuͤhren, die bis jetzt noch ganz unbekannten Gegenden des fruͤhſten Alterthums aufzuhellen, und dabei an dichteriſchen Schoͤnheiten und philo- ſophiſchem Tiefſinn nicht minder reiche Schaͤtze darzubieten haben. Und wenn eine zu einſeitige und bloß ſpielende Beſchaͤftigung mit den Griechen den Geiſt in den letzten Jahrhunderten zu ſehr von dem alten Ernſt oder gar von der Quelle aller hoͤhern Wahrheit entfernt hat, ſo duͤrfte dieſe ganz neue Kenntniß und Anſchauung des orientaliſchen Alterthums, je tiefer wir darin eindringen, um ſo mehr zu der Erkenntniß des Goͤttlichen und zu jener Kraft der Geſinnung wieder zuruͤckfuͤhren, die aller Kunſt und allem Wiſſen erſt Licht und Leben giebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/238
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/238>, abgerufen am 30.11.2024.