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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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bilden, so sollte man sich immer mehr bemühen,
auch die Literatur aller gebildeten Völker als eine
fortgehende Entwicklung und ein einziges innig
verbundenes Gebäude und Gebilde, als Ein großes
Ganzes zu betrachten, wo denn manche einseitige
und beschränkte Ansicht von selbst verschwinden,
vieles im Zusammenhange erst verständlich, alles
aber in diesem Lichte neu, erscheinen würde.

Wenn es natürlich ist, daß der tiefsinnige
Geist des Mittelalters, auf den unsre ganze Ver-
fassung und jetziges Leben sich gründen, und noch
lange gründen werden, uns in der Geschichte,
Dichtkunst und Sittenlehre vor allen am nächsten
steht, und die Kenntniß desselben für das Leben
am wichtigsten ist; wenn das griechische Studium
die beste nicht nur, sondern eine durchaus noth-
wendige Vorbereitung und Schule gründlicher
Gelehrsamkeit bleibt, weil nirgends sonst wo die
Kritik als Kunst so vollständig ausgebildet wor-
den; wenn endlich auch die Kunst, die Philoso-
phie und Poesie der Griechen, falls wir nicht
bloß bei der äussern Form stehen bleiben, wie die
Buchstabengelehrten und gewöhnlichen Aesthetiker
und Kunstkenner, theils an sich von hohem Werthe,

bilden, ſo ſollte man ſich immer mehr bemuͤhen,
auch die Literatur aller gebildeten Voͤlker als eine
fortgehende Entwicklung und ein einziges innig
verbundenes Gebaͤude und Gebilde, als Ein großes
Ganzes zu betrachten, wo denn manche einſeitige
und beſchraͤnkte Anſicht von ſelbſt verſchwinden,
vieles im Zuſammenhange erſt verſtaͤndlich, alles
aber in dieſem Lichte neu, erſcheinen wuͤrde.

Wenn es natuͤrlich iſt, daß der tiefſinnige
Geiſt des Mittelalters, auf den unſre ganze Ver-
faſſung und jetziges Leben ſich gruͤnden, und noch
lange gruͤnden werden, uns in der Geſchichte,
Dichtkunſt und Sittenlehre vor allen am naͤchſten
ſteht, und die Kenntniß deſſelben fuͤr das Leben
am wichtigſten iſt; wenn das griechiſche Studium
die beſte nicht nur, ſondern eine durchaus noth-
wendige Vorbereitung und Schule gruͤndlicher
Gelehrſamkeit bleibt, weil nirgends ſonſt wo die
Kritik als Kunſt ſo vollſtaͤndig ausgebildet wor-
den; wenn endlich auch die Kunſt, die Philoſo-
phie und Poeſie der Griechen, falls wir nicht
bloß bei der aͤuſſern Form ſtehen bleiben, wie die
Buchſtabengelehrten und gewoͤhnlichen Aeſthetiker
und Kunſtkenner, theils an ſich von hohem Werthe,

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[218/0237] bilden, ſo ſollte man ſich immer mehr bemuͤhen, auch die Literatur aller gebildeten Voͤlker als eine fortgehende Entwicklung und ein einziges innig verbundenes Gebaͤude und Gebilde, als Ein großes Ganzes zu betrachten, wo denn manche einſeitige und beſchraͤnkte Anſicht von ſelbſt verſchwinden, vieles im Zuſammenhange erſt verſtaͤndlich, alles aber in dieſem Lichte neu, erſcheinen wuͤrde. Wenn es natuͤrlich iſt, daß der tiefſinnige Geiſt des Mittelalters, auf den unſre ganze Ver- faſſung und jetziges Leben ſich gruͤnden, und noch lange gruͤnden werden, uns in der Geſchichte, Dichtkunſt und Sittenlehre vor allen am naͤchſten ſteht, und die Kenntniß deſſelben fuͤr das Leben am wichtigſten iſt; wenn das griechiſche Studium die beſte nicht nur, ſondern eine durchaus noth- wendige Vorbereitung und Schule gruͤndlicher Gelehrſamkeit bleibt, weil nirgends ſonſt wo die Kritik als Kunſt ſo vollſtaͤndig ausgebildet wor- den; wenn endlich auch die Kunſt, die Philoſo- phie und Poeſie der Griechen, falls wir nicht bloß bei der aͤuſſern Form ſtehen bleiben, wie die Buchſtabengelehrten und gewoͤhnlichen Aeſthetiker und Kunſtkenner, theils an ſich von hohem Werthe,

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/237>, abgerufen am 29.11.2024.