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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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nicht befremden, daß die Lehre von der Dreieinig-
keit, besonders aber von der Unsterblichkeit der
Seele im alten Testamente mehr angedeutet und
nur berührt, als ausführlich und ausdrücklich
entwickelt, und als Grundsäulen der Lehre auf-
gestellt werden. Der Meinung, daß Moses, er
dem alle Weisheit der Aegypter bekannt war, von
diesen bei den gebildetsten Völker des alten Asiens
allgemein verbreiteten Lehren nicht gewußt haben
sollte, wird man wohl schwerlich irgend eine auch
nur historische Wahrscheinlichkeit geben können.
Sehen wir aber, wie bei den Indiern z. B. grade
an die hohe Wahrheit von der Unsterblichkeit der
Seele der meiste und gröbste Aberglauben sich fest
und fast unabtrennlich angeschlossen hatte, so er-
klärt sich daraus das Verfahren des göttlichen
Gesetzgebers auch in äusserer Rücksicht.

Mancher unbillige Vorwurf, da man es den
Propheten Gottes bei den Hebräern als Be-
schränktheit auslegt, daß sie, alles andre streng
verwerfend, ihre Lehre und ihr Volk so hart ab-
sonderten, würde von selbst weggefallen sein,
wenn man gewußt hätte, sich in den Zustand der
orientalischen Völker der damaligen Zeit zu ver-

nicht befremden, daß die Lehre von der Dreieinig-
keit, beſonders aber von der Unſterblichkeit der
Seele im alten Teſtamente mehr angedeutet und
nur beruͤhrt, als ausfuͤhrlich und ausdruͤcklich
entwickelt, und als Grundſaͤulen der Lehre auf-
geſtellt werden. Der Meinung, daß Moſes, er
dem alle Weisheit der Aegypter bekannt war, von
dieſen bei den gebildetſten Voͤlker des alten Aſiens
allgemein verbreiteten Lehren nicht gewußt haben
ſollte, wird man wohl ſchwerlich irgend eine auch
nur hiſtoriſche Wahrſcheinlichkeit geben koͤnnen.
Sehen wir aber, wie bei den Indiern z. B. grade
an die hohe Wahrheit von der Unſterblichkeit der
Seele der meiſte und groͤbſte Aberglauben ſich feſt
und faſt unabtrennlich angeſchloſſen hatte, ſo er-
klaͤrt ſich daraus das Verfahren des goͤttlichen
Geſetzgebers auch in aͤuſſerer Ruͤckſicht.

Mancher unbillige Vorwurf, da man es den
Propheten Gottes bei den Hebraͤern als Be-
ſchraͤnktheit auslegt, daß ſie, alles andre ſtreng
verwerfend, ihre Lehre und ihr Volk ſo hart ab-
ſonderten, wuͤrde von ſelbſt weggefallen ſein,
wenn man gewußt haͤtte, ſich in den Zuſtand der
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[199/0218] nicht befremden, daß die Lehre von der Dreieinig- keit, beſonders aber von der Unſterblichkeit der Seele im alten Teſtamente mehr angedeutet und nur beruͤhrt, als ausfuͤhrlich und ausdruͤcklich entwickelt, und als Grundſaͤulen der Lehre auf- geſtellt werden. Der Meinung, daß Moſes, er dem alle Weisheit der Aegypter bekannt war, von dieſen bei den gebildetſten Voͤlker des alten Aſiens allgemein verbreiteten Lehren nicht gewußt haben ſollte, wird man wohl ſchwerlich irgend eine auch nur hiſtoriſche Wahrſcheinlichkeit geben koͤnnen. Sehen wir aber, wie bei den Indiern z. B. grade an die hohe Wahrheit von der Unſterblichkeit der Seele der meiſte und groͤbſte Aberglauben ſich feſt und faſt unabtrennlich angeſchloſſen hatte, ſo er- klaͤrt ſich daraus das Verfahren des goͤttlichen Geſetzgebers auch in aͤuſſerer Ruͤckſicht. Mancher unbillige Vorwurf, da man es den Propheten Gottes bei den Hebraͤern als Be- ſchraͤnktheit auslegt, daß ſie, alles andre ſtreng verwerfend, ihre Lehre und ihr Volk ſo hart ab- ſonderten, wuͤrde von ſelbſt weggefallen ſein, wenn man gewußt haͤtte, ſich in den Zuſtand der orientaliſchen Voͤlker der damaligen Zeit zu ver-

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/218>, abgerufen am 28.11.2024.