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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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als Mittelglieder angeführt worden; dazu kommt,
daß der Norden der westlichen Halbinsel Indiens,
bis an die Grenzen von Persien und Turkhind,
von den ältesten Zeiten an der Sitz der indischen
Bildung nicht nur, sondern auch der mächtigsten
Reiche und Dynastien war.

Auch waren die Kolonien nicht immer zu-
gleich Auswanderungen; eine geringe Anzahl
konnte oft hinreichend sein, eine solche Kolonie
zu stiften, wenn es nicht blos Eroberer und Krie-
ger, sondern die Einsichtsvollsten jener Zeit, wenn
es Priester waren, die irgend eine Ursache hat-
ten, ihr Vaterland zu verlassen, und unter wilde
Völker zu gehen, um sie zu bilden und zu be-
herrschen. Der Irrthum führt oft einen eben so
starken Bekehrungseifer mit sich als die Wahrheit,
wo sich die Absichten eigennütziger Herrschsucht
um so besser anschliessen können. So wie an der
persischen Auswanderung der Kriegerstand und
Adel wohl den größten Antheil genommen haben
mag, so trägt dagegen Aegypten ganz das Ansehn
einer solchen Priesterkolonie. Daß es nur das
und nicht zugleich Auswanderung war, beweist
der so gar nicht indische Charakter der koptischen

als Mittelglieder angefuͤhrt worden; dazu kommt,
daß der Norden der weſtlichen Halbinſel Indiens,
bis an die Grenzen von Perſien und Turkhind,
von den aͤlteſten Zeiten an der Sitz der indiſchen
Bildung nicht nur, ſondern auch der maͤchtigſten
Reiche und Dynaſtien war.

Auch waren die Kolonien nicht immer zu-
gleich Auswanderungen; eine geringe Anzahl
konnte oft hinreichend ſein, eine ſolche Kolonie
zu ſtiften, wenn es nicht blos Eroberer und Krie-
ger, ſondern die Einſichtsvollſten jener Zeit, wenn
es Prieſter waren, die irgend eine Urſache hat-
ten, ihr Vaterland zu verlaſſen, und unter wilde
Voͤlker zu gehen, um ſie zu bilden und zu be-
herrſchen. Der Irrthum fuͤhrt oft einen eben ſo
ſtarken Bekehrungseifer mit ſich als die Wahrheit,
wo ſich die Abſichten eigennuͤtziger Herrſchſucht
um ſo beſſer anſchlieſſen koͤnnen. So wie an der
perſiſchen Auswanderung der Kriegerſtand und
Adel wohl den groͤßten Antheil genommen haben
mag, ſo traͤgt dagegen Aegypten ganz das Anſehn
einer ſolchen Prieſterkolonie. Daß es nur das
und nicht zugleich Auswanderung war, beweist
der ſo gar nicht indiſche Charakter der koptiſchen

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[179/0198] als Mittelglieder angefuͤhrt worden; dazu kommt, daß der Norden der weſtlichen Halbinſel Indiens, bis an die Grenzen von Perſien und Turkhind, von den aͤlteſten Zeiten an der Sitz der indiſchen Bildung nicht nur, ſondern auch der maͤchtigſten Reiche und Dynaſtien war. Auch waren die Kolonien nicht immer zu- gleich Auswanderungen; eine geringe Anzahl konnte oft hinreichend ſein, eine ſolche Kolonie zu ſtiften, wenn es nicht blos Eroberer und Krie- ger, ſondern die Einſichtsvollſten jener Zeit, wenn es Prieſter waren, die irgend eine Urſache hat- ten, ihr Vaterland zu verlaſſen, und unter wilde Voͤlker zu gehen, um ſie zu bilden und zu be- herrſchen. Der Irrthum fuͤhrt oft einen eben ſo ſtarken Bekehrungseifer mit ſich als die Wahrheit, wo ſich die Abſichten eigennuͤtziger Herrſchſucht um ſo beſſer anſchlieſſen koͤnnen. So wie an der perſiſchen Auswanderung der Kriegerſtand und Adel wohl den groͤßten Antheil genommen haben mag, ſo traͤgt dagegen Aegypten ganz das Anſehn einer ſolchen Prieſterkolonie. Daß es nur das und nicht zugleich Auswanderung war, beweist der ſo gar nicht indiſche Charakter der koptiſchen

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/198>, abgerufen am 25.11.2024.