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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Wenn gleich die Veda's als das älteste, ge-
heimnißvollste, begreiflicher Weise die Wißbe-
gierde am meisten auf sich ziehen werden, so
dürfte doch was zwischen diesen und den Pura-
nas in der Mitte liegt, vielleicht nicht minder
lehrreich und wichtig sein. Dahin gehören fast
alle philosophischen Systeme, die älter
sein müssen als die Vedanto, weil diese sich
theils an sie anschließt, wie an die Sankhyo,
theils aber sie bestreitet und widerlegt. Ferner
der Ramayon, und vielleicht der ersten Entste-
stehung nach noch manche andre in den Pura-
nas verarbeitete Dichtung. Das hohe Alter-
thum des Mohabharot und Ramayon, wo nicht
der jetzigen Gestalt, so doch dem Kern der Dich-
tung nach, wird durch die Denkmale zu Illoure
und andre unwidersprechlich bewiesen.

Dieß würden wir die zweite Epoche nennen;
die Puranas und alles andre von Vyaso machte
die dritte; Kalidas und andre Dichter endlich,
welche die alten Sagen, die bis dahin ein allzu
ausschliessendes Eigenthum der Priester waren,
in Schauspielen und andern poetischen Gestalten,
auch allgemeiner für alle darstellen, die vierte

Wenn gleich die Veda’s als das aͤlteſte, ge-
heimnißvollſte, begreiflicher Weiſe die Wißbe-
gierde am meiſten auf ſich ziehen werden, ſo
duͤrfte doch was zwiſchen dieſen und den Pura-
nas in der Mitte liegt, vielleicht nicht minder
lehrreich und wichtig ſein. Dahin gehoͤren faſt
alle philoſophiſchen Syſteme, die aͤlter
ſein muͤſſen als die Vedanto, weil dieſe ſich
theils an ſie anſchließt, wie an die Sankhyo,
theils aber ſie beſtreitet und widerlegt. Ferner
der Ramayon, und vielleicht der erſten Entſte-
ſtehung nach noch manche andre in den Pura-
nas verarbeitete Dichtung. Das hohe Alter-
thum des Mohabharot und Ramayon, wo nicht
der jetzigen Geſtalt, ſo doch dem Kern der Dich-
tung nach, wird durch die Denkmale zu Illoure
und andre unwiderſprechlich bewieſen.

Dieß wuͤrden wir die zweite Epoche nennen;
die Puranas und alles andre von Vyaſo machte
die dritte; Kalidas und andre Dichter endlich,
welche die alten Sagen, die bis dahin ein allzu
ausſchlieſſendes Eigenthum der Prieſter waren,
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[151/0170] Wenn gleich die Veda’s als das aͤlteſte, ge- heimnißvollſte, begreiflicher Weiſe die Wißbe- gierde am meiſten auf ſich ziehen werden, ſo duͤrfte doch was zwiſchen dieſen und den Pura- nas in der Mitte liegt, vielleicht nicht minder lehrreich und wichtig ſein. Dahin gehoͤren faſt alle philoſophiſchen Syſteme, die aͤlter ſein muͤſſen als die Vedanto, weil dieſe ſich theils an ſie anſchließt, wie an die Sankhyo, theils aber ſie beſtreitet und widerlegt. Ferner der Ramayon, und vielleicht der erſten Entſte- ſtehung nach noch manche andre in den Pura- nas verarbeitete Dichtung. Das hohe Alter- thum des Mohabharot und Ramayon, wo nicht der jetzigen Geſtalt, ſo doch dem Kern der Dich- tung nach, wird durch die Denkmale zu Illoure und andre unwiderſprechlich bewieſen. Dieß wuͤrden wir die zweite Epoche nennen; die Puranas und alles andre von Vyaſo machte die dritte; Kalidas und andre Dichter endlich, welche die alten Sagen, die bis dahin ein allzu ausſchlieſſendes Eigenthum der Prieſter waren, in Schauſpielen und andern poetiſchen Geſtalten, auch allgemeiner fuͤr alle darſtellen, die vierte

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/170>, abgerufen am 25.11.2024.