war, zu dessen Zeit man schon lang über den wahren Sinn des Buchs gestritten hatte, für ein verhältnißmäßig sehr hohes Alterthum. Verän- dert und verfälscht kann es um so weniger sein, da es nicht in den gewöhnlichen Charakteren, son- dern in sehr einfachen Symbolen abgefaßt ist. Das große Eins, wovon dies hieroglyphische Buch handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel- ches Tao das Eins, wie dieses die Zwei, und diese die Drei erzeugte, durch das alle Dinge hervorgebracht sind; oder Tai--ki, der große Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und wo alles Unterscheiden und Bestimmen aufhört. Dieses große Eins wird in zwei entgegengesetzte Grundwesen zertheilt, aus deren mannichfachen Verbindungen und Zusammensetzungen alles be- steht, nach einem festen Mechanismus und blinder Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird. Das Yang und Yn; das Vollkommne, Männ- liche, Thätige, und das Unvollkommne, Weib- liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge- brochne, und eine gebrochne Linie ausgedrückt; daraus entstehn zunächst vier andre Zusammen- setzungen, Bilder, wie sie genannt werden; das
war, zu deſſen Zeit man ſchon lang uͤber den wahren Sinn des Buchs geſtritten hatte, fuͤr ein verhaͤltnißmaͤßig ſehr hohes Alterthum. Veraͤn- dert und verfaͤlſcht kann es um ſo weniger ſein, da es nicht in den gewoͤhnlichen Charakteren, ſon- dern in ſehr einfachen Symbolen abgefaßt iſt. Das große Eins, wovon dies hieroglyphiſche Buch handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel- ches Tao das Eins, wie dieſes die Zwei, und dieſe die Drei erzeugte, durch das alle Dinge hervorgebracht ſind; oder Tai—ki, der große Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und wo alles Unterſcheiden und Beſtimmen aufhoͤrt. Dieſes große Eins wird in zwei entgegengeſetzte Grundweſen zertheilt, aus deren mannichfachen Verbindungen und Zuſammenſetzungen alles be- ſteht, nach einem feſten Mechanismus und blinder Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird. Das Yang und Yn; das Vollkommne, Maͤnn- liche, Thaͤtige, und das Unvollkommne, Weib- liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge- brochne, und eine gebrochne Linie ausgedruͤckt; daraus entſtehn zunaͤchſt vier andre Zuſammen- ſetzungen, Bilder, wie ſie genannt werden; das
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war, zu deſſen Zeit man ſchon lang uͤber den
wahren Sinn des Buchs geſtritten hatte, fuͤr ein
verhaͤltnißmaͤßig ſehr hohes Alterthum. Veraͤn-
dert und verfaͤlſcht kann es um ſo weniger ſein,
da es nicht in den gewoͤhnlichen Charakteren, ſon-
dern in ſehr einfachen Symbolen abgefaßt iſt.
Das große Eins, wovon dies hieroglyphiſche Buch
handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel-
ches Tao das Eins, wie dieſes die Zwei, und
dieſe die Drei erzeugte, durch das alle Dinge
hervorgebracht ſind; oder Tai—ki, der große
Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und
wo alles Unterſcheiden und Beſtimmen aufhoͤrt.
Dieſes große Eins wird in zwei entgegengeſetzte
Grundweſen zertheilt, aus deren mannichfachen
Verbindungen und Zuſammenſetzungen alles be-
ſteht, nach einem feſten Mechanismus und blinder
Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird.
Das Yang und Yn; das Vollkommne, Maͤnn-
liche, Thaͤtige, und das Unvollkommne, Weib-
liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge-
brochne, und eine gebrochne Linie ausgedruͤckt;
daraus entſtehn zunaͤchſt vier andre Zuſammen-
ſetzungen, Bilder, wie ſie genannt werden; das
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/163>, abgerufen am 22.11.2024.
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