feindlichen Mächte zu vertilgen, alle gute Men- schen und Geister sammt ihrem Führer, dem gutgesinnten Indroh, zu beschützen.
So sehr die Idee auch durch willkührliche Dichtung und Mährchen entstellt ist, da der Gott wie ein andrer Proteus ausser den menschlichen Gestalten eines Weisen oder Helden, auch die einer Schildkröte, eines Ebers, eines Mannlö- wen, eines Fisches annimmt, so bleibt doch immer die hohe Idee der Menschwerdung ein Beweis für den Tiefsinn der Indier, und für die Stufe ihrer Erkenntniß. Denn in allen Gestalten bleibt es doch immer die gleiche schöne Absicht, das Gutgesinnte hülfreich zu erretten, das Schädliche und Böse zu besiegen und vernichten. Zwar findet man auch wohl in andern Mythologien, wenn sie schon moralischer gebildet sind, Darstel- lungen von Helden, die sich dem Begriff gött- licher Tugend nähern; Helden, die einem hohen Gesetz und Beruf folgend nur gegen das Böse kämpfen, allem Guten aber befreundet sind. In keinem Helden oder Herkules der Dichtersagen aber wird man den Gedanken der Menschge- wordnen Gottheit so ausdrücklich ausgesprochen
feindlichen Maͤchte zu vertilgen, alle gute Men- ſchen und Geiſter ſammt ihrem Fuͤhrer, dem gutgeſinnten Indroh, zu beſchuͤtzen.
So ſehr die Idee auch durch willkuͤhrliche Dichtung und Maͤhrchen entſtellt iſt, da der Gott wie ein andrer Proteus auſſer den menſchlichen Geſtalten eines Weiſen oder Helden, auch die einer Schildkroͤte, eines Ebers, eines Mannloͤ- wen, eines Fiſches annimmt, ſo bleibt doch immer die hohe Idee der Menſchwerdung ein Beweis fuͤr den Tiefſinn der Indier, und fuͤr die Stufe ihrer Erkenntniß. Denn in allen Geſtalten bleibt es doch immer die gleiche ſchoͤne Abſicht, das Gutgeſinnte huͤlfreich zu erretten, das Schaͤdliche und Boͤſe zu beſiegen und vernichten. Zwar findet man auch wohl in andern Mythologien, wenn ſie ſchon moraliſcher gebildet ſind, Darſtel- lungen von Helden, die ſich dem Begriff goͤtt- licher Tugend naͤhern; Helden, die einem hohen Geſetz und Beruf folgend nur gegen das Boͤſe kaͤmpfen, allem Guten aber befreundet ſind. In keinem Helden oder Herkules der Dichterſagen aber wird man den Gedanken der Menſchge- wordnen Gottheit ſo ausdruͤcklich ausgeſprochen
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feindlichen Maͤchte zu vertilgen, alle gute Men-
ſchen und Geiſter ſammt ihrem Fuͤhrer, dem
gutgeſinnten Indroh, zu beſchuͤtzen.
So ſehr die Idee auch durch willkuͤhrliche
Dichtung und Maͤhrchen entſtellt iſt, da der Gott
wie ein andrer Proteus auſſer den menſchlichen
Geſtalten eines Weiſen oder Helden, auch die
einer Schildkroͤte, eines Ebers, eines Mannloͤ-
wen, eines Fiſches annimmt, ſo bleibt doch immer
die hohe Idee der Menſchwerdung ein Beweis
fuͤr den Tiefſinn der Indier, und fuͤr die Stufe
ihrer Erkenntniß. Denn in allen Geſtalten bleibt
es doch immer die gleiche ſchoͤne Abſicht, das
Gutgeſinnte huͤlfreich zu erretten, das Schaͤdliche
und Boͤſe zu beſiegen und vernichten. Zwar
findet man auch wohl in andern Mythologien,
wenn ſie ſchon moraliſcher gebildet ſind, Darſtel-
lungen von Helden, die ſich dem Begriff goͤtt-
licher Tugend naͤhern; Helden, die einem hohen
Geſetz und Beruf folgend nur gegen das Boͤſe
kaͤmpfen, allem Guten aber befreundet ſind. In
keinem Helden oder Herkules der Dichterſagen
aber wird man den Gedanken der Menſchge-
wordnen Gottheit ſo ausdruͤcklich ausgeſprochen
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/150>, abgerufen am 23.11.2024.
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